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  • Day 9

    Beginn einer wunderbaren Freundschaft

    September 2, 2021 in Italy ⋅ ⛅ 28 °C

    Tag 6 ff unserer Suche nach dem Sommer. In der Maremma ist Strand angesagt, und wir finden Strand. Zuvor finden wir einen Weg dorthin, der es in sich hat. Motto: Zurück zur Natur! Oberhalb der Küste und an dieser entlang schlängelt er sich als Waldweg Richtung Punta Ala. Schön: Der Duft nach warmem Holz und Harz der Pinien. Wunderbar: Die überwältigenden Ausblicke auf blaugrünes Meer und grünes Land, die Bergrücken von Elba, die Landzunge samt Kap von Punta Ala, ja, und auch auf die Wohnsilos von Follonica in ihrer ganzen hässlichen Pracht. Das Allerbeste: Dieser Zurück-zur-Natur-Weg ist für Autos gesperrt. Mitnichten für Schlangen - ein opulentes Exemplar, sicher einen Meter lang, dick wie mein Handgelenk, kreuzt unseren Weg. Gelobt seien unsere Klapp-E-Bikes, die uns zu einer kleinen, nur wenig frequentierten Bucht bringen, auf deren steinigem Strand wir unsere Decke und Handtücher ausbreiten und den Sonnenschirm zwischen große Wackersteine klemmen. Vor uns das Meer mit seiner silbernen Haut und seinem mächtigen Atem. Mal wieder aufwärts Richtung Himmel schwimmen. Das Wasser und sogar der Wind ist warm. Und warm ist auch das Buch, das ich lese. Keine Romanfahnen mehr, obwohl die auch warm waren. Ab sofort ist es Urlaub. Die Zeit wird immer langsamer. Ein großer Schmetterling segelt zwischen mir und meinem Buch durch, das tut er mehrmals. Möwen kreisen auf dem Blau über uns, ein Tiefflieger stört. Irgendwo hier in der Nähe muss ein Militärstützpunkt sein, ich erinnere mich: Bei einem Familienurlaub 1999 - Julian war vier - hörten wir auf dem Campingplatz bei Marina di Maremma jeden Abend pünktlich um 20 Uhr die Militärmaschinen starten und ebenso pünktlich eine Stunde später, nachdem sie ihre Bombenfracht über dem Kosovo abgeworfen hatten, wieder landen. Für Momente übertönte der unheilvolle Gesang der Flugzeuge den Zikadenchor in den Pinien und erinnerte daran, dass Krieg war, etwas ganz Unglaubliches unglaublich nah. Krieg, ein Wort, bis dahin sorglos im Archiv der Geschichte gelagert, reif für die Urne, prallte mit der Wirklichkeit zusammen. Mit der Sommerhitze 1999, dem Abend, dem Urlaub.
    Unser Küstenpfad ist auf dem Rückweg im Abendsonnenlicht noch schöner als am Vormittag. Sogar das schreckliche Follonica, der Lenz ist da, in das wir am Abend wieder zum Essen fahren, ist zu ertragen und gar nicht mehr so schrecklich. Wir essen in einer Pizzeria unter Schirmpinien. Das Restaurant ist voll, aber nicht von Touristen, jedenfalls keinen Deutschen (außer uns). NUR Italiener speisen hier und scheinen sich alle zu kennen. Auch die Speisekarte ist NUR Italienisch, ebenso wie vielleicht der Brauch, dass auf allen Tischen, nachdem in einem extra Raum bezahlt worden ist, eine Flasche Limoncino landet, aus der man sich ausschenken darf, unentgeltlich, versteht sich. Das finden wir sympathisch. Überhaupt finden wir vieles in Follonica ab diesem Abend zusehends sympathischer. Verhungern kann man hier nicht. In unserer Pizzeria nehmen auch nach 23 Uhr noch Nachtschwärmer an neu aufgedeckten Tischen Platz. In einem kleinen Vergnügungspark skaten kleine Mädchen auf einer Inline-Fläche; Jugendliche spielen Billard und Tischfußball. Das Nachtleben scheint endlos. Eine kleine Theaterbühne, die wir abends darauf beim Essen in einem Wohngebiet entdecken, lädt erst um 22 Uhr zur Kasperle-Vorstellung. Und dann gibt es noch den Trenino di Levante, ein Spielzeugbähnchen, das bis nach Mitternacht seine Runden durch die Stadt dreht. Auch Erwachsene dürfen sich reinquetschen, der Parkplatzsuche ledig im Zentrum aussteigen, dort ein Eis essen, und sich anschließend wieder retour kutschieren lassen.
    Follonica, der Lenz ist da, beginnt uns allmählich zu gefallen.
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