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  • Day 13

    Wir sind immer noch da ...

    September 6, 2021 in Italy ⋅ ⛅ 28 °C

    … bei Follonica. In der Maremma hängen geblieben. Länger als wir wollten, viel länger. Mehr Sommer als hier kriegen wir nirgendwo. Follonica selbst sind wir allerdings untreu geworden, stattdessen erkunden wir den angrenzenden Süden. In Punta Ala liegen wir in einer tief in die Landzunge geschnittenen Bucht, schwimmen in einem gebändigten Meer und in unseren Büchern bis weit nach Sonnenuntergang.
    Tags darauf, südlich von Castiglione della Pescaia steht alles im Zeichen der Pinie. Die Straße, aus einer Zeit stammend, als die Autos noch VW-Käfer und DKWs und die Camper Tagträume waren, zieht sich unter einem endlosen grünen Dach von mächtigen Pinienschirmen dahin. Links Camping Le Marze, in dem wir vor 22 Jahren die Geschwader in den Kosovo starten hörten.
    Warmer Duft von Erde, Nadeln und Zapfen bei der Fahrt mit den E-Bikes zum Meer. Und dann: Weißer Sand, aquamarinblaues Wasser, aquamarinblauer Himmel und jede Menge Wind! Hoch über uns kreisen sehr viele Lenkdrachen von sehr vielen Kitesurfern und unser Sonnenschirm will am liebsten mitmachen. Nach zehn Mal Losreiß(s)en geben wir es auf, klappen den Schirm zusammen und lassen die Sonne auf Beine, Gesichter und in unsere Bücher scheinen, auch im Herz ist noch Platz. Ich lese jetzt „Aprilwetter“ von Thommie Bayer (Buchtipp!), ein Sommerroman. Am zwölften Ferientag bin ich im dritten Buch auf Seite 163, ein Rekord - seit Jahren war ich nicht mehr in so vielen anderen Leben unterwegs. Und jedes Buch ein Treffer - was wahrscheinlich daran liegt, dass ich am Stück lesen kann und nicht dauernd rausfliege. Neben mir donnert das Meer und manchmal stürzt einer der Riesendrachen wie ein Stein hinein. In der Ferne die Konturen von Elba, der Isola di Monte Christo, der Monte Argentario mit Orbetello und die Halbinsel mit den Häfen Porto Santo Stefano und Porto Ercole. In Porto Santo Stefano bin ich als Zwanzigjährige auf meiner ersten Italienreise an einem sehr warmen Abend beim naiven Versuch, allein am Strand zu nächtigen, mutmaßlich nur knapp einer Vergewaltigung entgangen, indem ich mich in einen privaten Garten rettete. Anschließend „leistete“ ich mir in Orbetello leicht panisch das erste eigene Hotelzimmer meines Lebens - für sage und schreibe 7000 Lire (= 7 Deutsche Mark) mit einem Bett, einem winzigen Waschbecken und ohne Fenster - für mich damals der Gipfel des Luxus.
    Am Meer bei Castiglione ist es an diesem Abend auch warm, nach 20 Uhr noch 26 Grad. Die Sonne verabschiedet sich jetzt schon so früh! An der Strandpromenade finden wir ein lautes, überfülltes Fischlokal und dort einen Platz mit Blick aufs nächtliche Wasser und entsprechende Speisen. Ich bin so voll mit Glück wie das aufgeblasene Gummi-Schwimm-Einhorn vor mir im Sand mit Luft. Mehr Sommer kann nicht werden! Der Meinung sind wohl auch die Zikadenchöre, die auf unserer Heimfahrt in den angrenzenden Feldern aus Leibeskräften flöten.
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