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  • Day 15

    Ein bisschen Stadt muss sein

    September 8, 2021 in Italy ⋅ ☀️ 27 °C

    An Florenz kommt man nicht vorbei. Das ist eine 40 Jahre alte Erfahrung, seit ich mit 20 Italien erkundete, dabei in Florenz hängen blieb und an zwei Tagen über 20 Kirchen besichtigte, dazu die Uffizien, das Kloster San Marco mit den Fresken von Fra Angelico, und, und. Wie besoffen ließ ich mich durch die Stadt der Medici treiben, stand vor Michelangelos Tondo "Heilige Familie", und vor "Primavera", dem Frühling, der auf Botticellis Gemälde ein Mädchengesicht hatte, dem ich gerne ähnlich gesehen hätte. Ich vergaß zu essen, zu schlafen, und erfuhr erst später, dass ich dem sogenannten Stendhal-Syndrom erlegen war, einem Phänomen, das Menschen nur in Florenz ergreift und nach dem gleichnamigen Autor Stendhal, seinem bekanntesten Opfer, benannt ist. Immerhin erinnere ich mich, dass ich ab und zu eine Pizzaschnitte mit Schinken und Champignons oder ein Hörnchen mit 2, 3 Kugeln Eis zu mir nahm, und an den allgegenwärtigen Duft von geröstetem Brot in den Gassen, der noch heute der Gleiche ist.
    Die Besoffenheit, mit der wir uns diesmal Florenz nähern, ähnelt der des Stendhal-Syndroms von damals, geht aber auf höchst irdische Ursachen zurück. Wir haben eine Weinprobe auf einer toskanischen Farm hinter uns, an die wir am Ende nicht mehr geglaubt hatten. Keine Cantina hatte Interesse - weder an unserem Interesse noch an unserem Geld, Degustationi waren prenotati, aber nicht von uns, Weingutbesitzer waren verhindert oder gerade verstorben, ehe wir auf einem Stück Land neben Reben und einem Gutshaus einen einsamen Laub rechenden Farmer fanden, der uns groß ansah und dann versprach: Chiamo mia moglie. (Ich rufe meine Frau). Die kam dann auch - mit resolutem raschem Schritt, der sofort klar machte, bei uns gibt es was, und wer in diesem 2-Mann-Betrieb die Hosen anhatte und dafür sorgte, dass es was gab. Der Weinkeller wurde aufgeschlossen - und es gab alles: Chianti, Vino Toscano, Vino Santo zum Trinken, rote Trauben zum Essen und Olivenöl zum Kochen. Alles konnte degustiert werden und wurde es, mit Ausnahme des Öls. Nach 7 Minuten waren wir Freunde, und weitere 14 Minuten später zogen wir ab, angeheitert, glücklich und vollbepackt, nicht ohne das geradebrechte Versprechen, nächstes Jahr wieder zu kommen, sicuramente.
    In Florenz wohnt meine Schwester mit Mann und Kindern. Nach einer Führung durch ihr Haus, das sie und ihr Mann mit unglaublicher Kreativität gestaltet hat, könnte mich wieder das Stendhal-Syndrom befallen. An meiner Schwester ist eine Innenarchitektin verloren gegangen. Zum Essen gibt es toskanische Brotsupoe, Frikadellen und Kartoffelsalat, Eis mit Himbeerkompott, dazu Wein (Amarone) Gelächter, gute Gespräche, Wein und noch mehr Wein. Bis tief in die Nacht sitzen wir draußen, ohne zu frösteln.
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