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  • Let's talk about Cambodia #2 - Angkor

    February 2, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 27 °C

    Teil 2 - Die Anfänge das Reich der Khmer

    Spricht man Menschen an, was man in Kambodscha gesehen haben sollte sagen euch wahrscheinlich 100 von 100 Personen: Angkor Wat. Und ja, es ist ein beeindruckender Tempel. Doch viel beeindruckender ist die Geschichte dieses Ortes, denn um den Tempel Angkor Wat befand sich noch vor einigen Jahrhunderten die Hauptstadt der Khmer-Reiches Angkor. Um die Anfänge Kambodschas und die Entwicklung des Reiches bis zur Neuzeit soll es in Jonas zweitem Bericht über Kambodscha gehen.

    Angkor, die alte Hauptstadt Kambodschas und heutiger Touristenmagnet - das ist nicht nur der Haupttempel Angkor Wat, sondern hunderte Paläste in einem Bereich von mehr als 100 qkm Ausdehnung. Noch 50 km vom Haupttempel entfernt findet man beeindruckende Überreste der Hochkultur. In den Hochzeiten des Khmer-Reichs, im 12. Jahrhundert, war Angkor wahrscheinlich die größte Stadt der Welt. Während Berlin noch nichtmal gegründet war und sich in der größten europäischen Stadt Córdoba (Andalusien) nur 100.000 Menschen tummelten, lebten in Angkor schon mehr als eine Millionen Menschen. Eine unglaubliche Stadt, die noch immer eine Faszination auf knapp 5 Mio. Besucher*innen jährlich ausübt.

    Die ersten Spuren gesellschaftlichen, menschlichen Zusammenlebens in Kambodscha gehen je nach Quellen auf das 2. Jahrhundert n.Chr. oder sogar auf das 3.Jh. v. Chr. zurück. Seitdem entwickelte sich ein großes Reich der Volksgruppe der Khmer, welches ab dem 9. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte. Während dieser Zeit wechselte der Sitz der Hauptstadt immer etwas, so findet man im Umkreis Angkors Überreste mehrere älterer Hauptstädte. Grund für den Wechsel war die jeweils günstigere (Tal-)Lage. Die erste Hauptstadt entstand nah des hinduistischen Heiligtums Preah Vihear an der heutigen Grenze zu Thailand. In den Bergen Nordkambodschas war der Reisanbau jedoch deutlich schwieriger, weswegen neue Siedlungsgebiete in besserer Lage erschlossen wurden. Die Konzentration auf den möglichst ertragreichen Anbau von Gemüse, speziell Reis, verhalf dem Reich der Khmer zur vollen Blüte. Durch raffinierte Bewässerungssysteme war es möglich viermal jährlich eine Reisernte einzufahren. Dies wurde durch riesige Wasserbecken ermöglicht, die das Wasser aus der Regenzeit speicherten. In der Trockenzeit konnte dies dann für den wasserintensiven Reisanbau verwendet werden. Dieses für die damalie Zeit extrem fortschrittliche Bewässerungssystem und die militärische Stärke führten zur Blüte des Reiches.

    Im 12. Jh. gehörten große Teile Südostasiens zu Kambodscha und die Khmer prägten die Region nachhaltig. Beispielsweise fanden wir auch in Tuy Hoa Spuren der Khmer. Die Architektur der Khmer findet sich noch heute sowohl traditionellen, als auch in neuen Bauten in Kambodscha. Unglaubliche Details und Ornamente lassen sich an vielen Tempeln und heiligen Städten finden.
    In dieser Zeit wurde zudem der Grundstein dafür gelegt, dass der Buddhismus noch heute so präsent in der Region ist. Der bis dahin vorherrschende Hinduismus verschmolz mit dem Buddhismus und führte zu einer ganz eigenen Form der Glaubensausübung. In Kambodscha verbanden sich zu dieser Zeit Hinduismus, Buddhismus, Animismus (Geisterglaube) und die Verehrung von Einzelpersonen, wie dem König. Noch heute sind über 97 Prozent der Kabodschaner*innen Buddhist*innen, glauben gleichzeitig aber auch an verschiedene Firmen von Geistern, haben spezielle Ahnenriten und man findet auch viele Gestalten aus den hinduistischen Sagen.

    Bereits nach wenigen Jahrhunderten bröckelte jedoch die Macht der Khmer. Aus dem Westen eroberte Thailand große Teile des Reiches. Deswegen musste die Hauptstadt im 14. Jh. von Angkor nach Udong (in der Nähe von Phnom Penh) und dann nach Phnom Penh verlegt werden. Bis in die Neuzeit kam es zu Angriffen vietnamesischer und thailändischer Königreiche. Kambodscha schrumpfte mehr und mehr und stellten sich deswegen im 19. Jh (1863) freiwillig unter französisches Protektorat. Besser fremdbeherrscht, als gar kein Königreich mehr. Das Königshaus blieb bestehen und im Vergleich zu Vietnam war Kambodscha in einer deutlich privilegierteren Position im späteren Kolonialreich Indochina.

    Vom Großreich der Khmer ist die riesige Tempelanlage von Angkor erhalten geblieben. Das Wahrzeichen Kambodschas wird seit einigen Jahrzehnten touristisch genutzt. Noch in den 80er Jahren wurden jedoch illegale Backpacker-Technopartys im Haupttempel Angkor Wat gefeiert. Dabei wurden häufig Teile des Weltkulturerbes abgeschlagen und als Souvenir mitgenommen. Auch heute ist die Beschädigung durch kulturunsensible Tourist*innen ein enormes Problem. Diebstahl und die Belastung der Bauten durch die Massen an Besucher*innen sind nur einige der Probleme des Erbes des Khmerreiches.

    Auch die Zeit der Kriege mit Vietnam und Thailand haben noch deutliche Auswirkungen auf heute. Gebietsansprüche Kambodschas auf Teile der beiden Staaten und angespannte Verhältnisse zu den beiden Nachbarn sind Folgen dessen. So ist die Meinung, das gesamte Mekongdelta gehöre zu Kambodscha, innerhalb der Bevölkerung noch sehr verbreitet. Tatsächlich lebt dort eine große Minderheit an Khmer (bis zu 12 Mio. Menschen). Ob das ein Grund für kriegerische Auseinandersetzungen sein sollte ist die andere Frage. Auch mit Thailand gab es ähnliche Konflikte. Beide wurde offiziell von den Regierungen beigelegt, schwelen aber nach wie vor in der Bevölkerung.
    Der Stolz, auf die Größe des Reichs vor so langer Zeit, bleibt. Ähnlich wie in einigen europäischen Staaten, wie Serbien oder Kroatien nahm dieser Stolz auch schon vernichtende Züge an, als unter den Khmer Rouge in den 70er Jahren tausende Vietnames*innen deportiert wurden. Das war u.a. der Grund für den Einmarsch Vietnams in Kambodscha 1979. Es ist wirklich spannend, wie Patriotismus sich immer auf Glanzzeiten der Reiche bezieht, die aber häufig seit Jahrhunderten vergangen sind. Ähnliches begegnete mir bspw. in Polen. Nationalisten beziehen sich dort immer noch auf das Großreich Polen-Litauen aus dem frühen Mittelalter.

    Und so bleiben das Khmer-Reich und speziell Angkor weiterhin die wichtigsten nationalen Identifikationsmerkmale, auf die sich der kambodschanische Patriotismus aufbaut. Nicht umsonst ziert der Haupttempel Angkor Wat die Flagge des kleinen südostasiatischen Staates. Und erst durch Angkor ist das Land ein solcher Tourist*innenmagnet geworden.

    (Bilder aus Angkor gibt es dann übrigens im Post zu Siem Reap, wahrscheinlich um den 20.02. herum)
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