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  • Day 7

    Schwedische Wanderwege und ihre Opfer

    August 30, 2022 in Sweden ⋅ 🌧 7 °C

    Heute gab es wieder viel zu erleben. Nach meinem entspanten Frühstückn und einer kurzen Packphase, habe ich dann als Vorletzter gegen 10.30 Uhr das Hostel verlassen. Nun galt es als erstes mal den Startpunkt zu finden. "Kann ja nicht so schwer sein...", war meine initiale Einschätzung.

    Meine Einschätzung 15 Minuten nach Beginn des Suchvorgangs war bereits eine ganz andere: "nun ja, gibt ja genug andere schöne Wanderwege hier." Dabei war die Wegbeschreibung eigentlich straight forward; erst den Heli-Landeplatz finden, dann weiter laufen und hinter 3 Baustellencontainern, dem Pfad ins Unterholz folgen.

    In Punkt 1 bestand schon die erste Hürde. Ich lief also in freudiger Erwartung und nach bestem Wissen und Gewissen, erstmal komplett in die falsche Richtung. Dort konnte ich mich dann durch Zufall noch von Andrea verabschieden, der heute um 16 Uhr seine Rückreise nach Mailand antrat, aber von meinem Ziel hatte ich mich gänzlich entfernt. Zu meiner Verteidigung; Wo ich hin lief gab es einen Helikopter, allerdings nur auf einem Plakat, das ebenfalls einen Pfeil beherbergte, der lustigerweise genau in die Richtung zeigte aus der ich gerade kam, mit der Bemerkung: "500m".

    Mist, Also zurück und alles von Anfang. Auch in die andere Richtung vollbrachte ich es, zu weit zu laufen. Diesmal machte ich den Fehler, dem zu folgen was auf dem Schild stand, denn jemand hatte es aus Bosheit umgedreht, so dass ich auf einem Parkplatz für Baugeräte und vor einem Lokschuppen stand. Also abermals zurück. Nun stand ich da, wo ich einmal losgelaufen bin. Nach kurzer Abschätzung nahm ich den einzigen Weg den ich noch nicht probiert hatte. Vorbei an den Hundegehägen der Schlittenhundzucht, sah ich als bald einen knallroten Heli und dann auch die besagten 3 Container. Der Weg war nun recht schnell gefunden.

    Zunächst ging es durch die schon mehrmals beschriebene, typische Fauna, die von holprigen Trampelfaden mit großen Felsbrocken darauf durchschnitten wurde. Es ging mit dem Rücken zum See, in die "Berge" hinauf. Schon nach kurzer Zeit, waren mir die Handschuhe doch etwas zu warm. Immer wieder zog ich sie auf diesem Trip an und wieder aus. Nach 2km ein kurzer Schlenker nach rechts, um auf einem Felsen die Aussicht auf Abisko und den Torneträsk zu genießen (und zu fotografieren) dann ging es wieder auf den Hauptweg, der mit wilden Holzschilchen hier und da, eigentlich ideotensicher war. Natürlich zeigten mal 2 Schilder mit gleicher Aufschrift in entgegengesetzte Richtungen, wohingegen 2 völlig auseinander liegende Ortschaften laut Beschilderung in einer Richtung lagen, aber im Großen und Ganzen kam man gut aus (Intuition ist alles😉). Zur Untermalung dieser Grau(Hinmel)/Grünen(Boden) Szenerie, hatte ich mir meine Spotify Playlist "Soundtrack meines Lebens" abgemacht, die ich mir über die Zeit mal mit Stücken gefüllt hatte, von denen ich glaubte sie würden mein eigenes Leben einmal perfekt untermalen.

    Und dieser Moment war heute gekommen; Zur Aladin Suit von Carl Nielsen oder 6 Pieces von Pyotr Tschaikowsky, ging es hinauf auf 600m. Zuerst waren es eher Gesangsstücke, die mich veranlassten in dieser Einsamkeit mit meiner Nachtigallen-Stimme mitzutrellern, allerdings teilte sich als bald mein Hals mit und ich unter ließ das.

    Um auch mal die kleinen, unscheinbaren Dinge ganz groß herauszubringen, begab ich mich heute mit der Kamera auf Boden Niveau. Dort hielt ich Moose und Sträucher in Nahaufnahmen fest.

    Weiterging es. Irgendwann entschied die Natur vermutlich, hier ist Schluss mit Bäumen und so gab es eben nur noch Bodendecker. Teils gab es auch ganze Sümpfe die via Holzsteg überwunden wurden. Als ich bei dem Wegweiser aus dem vorherigen Post angekommen war, wusste ich: 1/3. geschafft. Nun ja, zu dem Zeitpunkt dachte ich das zumindest noch. Der Mann hatte ja etwas von 15km gesagt und wenn ich nun 5,5km erreicht hatte so machte das nach Adam Riese 1/3. Ich legte also meine vermeintlich Drittel-Pause ein. Aus dem Wort "vermeintlich" geht schon hervor, daß es nicht bei einem Drittel bleiben sollte.

    Vom Sitzen etwas ausgekühlt, zog es mich nach einiger Zeit weiter; zurück zum Schilder-Wahnsin und dem Schild Richtug Nissonjåkk Kanjon folgen. Super, das ist einfach. Doch wieder Fehlanzeige. Nagut, ich kam fairerweise schon 1km wobei ich schon echt aufpassen musste den Weg auch zu erkennen, doch dann ging der Pfad plötzlich "fließend" in einen Tümpel über.

    Mein Blick ging gen anderer Uferseite. Aha! Dort schob sich selbiger Pfad unbekümmert aus dem Tümpel empor und setzte sich fort, als sei nichts geschehen. Frechheit! Mit 2 Abläufen endete ich nur auf unterschiedlichen Gras-Inseln im Tümpel, kam von dort aber nicht weiter. Es blieb nur Umrunden. Das hatte einen 500 oder 600m Umweg zur Folge, der von der mir nun gefolgten Gruppe mit dem beneidenswerten Essen, skeptisch beäugt wurde. Meine gezielten Hechtsprünge, die dazu dienten nicht in Moosüberwucherten Felsspalten zu enden, wurden mit ihren kritischen Blicken quittierte. Mit egal, hautpsache überlebt. Für den Rest der Strecke liege immer mal wieder ich kilometerweit vorne, dann meine Schwedische Wandertruppe. Am Ende sind wir ca. gleich schnelle am Ziel.

    Doch der Reihe nach. Wo in Schweden ein Sumpf ist, da muss man nach weiteren Feuchtgebieten nicht lange suchen und so muss ich bei den nächsten Streckenabschnitten sehr an meine Erlebnisse beim Dundret Abstieg denken. In den Abschnitten, in denen ich einen Pfad erkannte, verlief dieser meist durch kleine Bachläufe oder gleich quer durch einen moorastigen Tümpel. In anderen Abschnitten wurde eben einfach feucht fröhlich über die Heide spaziert, im naiven Glauben, dass man bestimmt wieder auf den Weg zurück findet oder dass dieses oder jenes geknickte Gräschen, sicher Teil des Trampelpfades ist.

    In diesem Abschnitt hatte ich begonnen, das Hörspiel "Der Mann mit den schönen Füßen" zu hören, nachdem am Vortrag "der Kontrabass" schon durchgehört war. AUA!!! Da meldet sich nun die Rechte Ferse. Bisher hatte ich den subtilen Schmerz unterdrückt, aber nun bekam er bei km 10 ein furchtbares Ausmaß. Naja, hilft ja nischt, irgendwie muss man es ja nach Hause schaffen und ob die Krankenkasse mir den Helikopter Flug zahlt? Ich denke mal nicht.

    Am ausgeschilderten Canyon angekommen geht es erstmal ans Fotografiern. Zunächst mit kurzer Belichtung, dann mit längerer, um den Rauschenden Fluss in der Bewegung festzuhalten. Grade hier beginnt im Hörspiel die Beschreibung der Füße und ich kann an nichts anderes mehr denken, als an meinen eigenen Fuß. Eher schlecht als recht geht es mit schlappen 4,2 km/h weiter. Weiter und weiter und weiter. Fluss links, Heide rechts, dazwischen bzw. am Abgrund balancierend ich. Mal geht der Weg 2m direkt am Steilhang nach unten, mal steigt er wieder auf. Mitlerweile folge ich einfach nur noch, denn der Weg scheint seinem eigenen System zu folgen und beim Blick in den Abgrund, auch keinen eigenen Willen zu zulassen.

    Irgendwann quert ein sehr großer Weg meinen. Er ist markiert, weshalb ich ausschließe das es sich um mein Weg handeln könnte. Meine Wege sind nie breiter als 30cm geschweige denn all 20m markiert. Nach dem ich dem für mich als richtig befundenen Weg eine Weile gefolgt bin, die Erkenntnis; vielleicht ist er es doch gewesen. Egal; vorwärts immer, rückwärts nimmer. Darauf hin kommt es zur nächsten Begegnung.

    Durch einen Flusslauf getrennt, stehe ich nun einem Niederländischen Pärchen gegenüber. Sie guckt etwas schmerzverzerrt, man bemerkt mich aber nicht. Ich hoppse irgendwie über den Fluss, ohne dabei baden zu gehen und bemühe mich beide einzuholen. Als ich kurz darauf Erfolg habe, fragt sie nach einem Pflaster, ich nach dem Weg. Wir können uns beide nicht helfen. Sie, war in Gummistiefeln unterwegs und hatte jetzt 2 offene Fersen. Böse sah es aus, aber Gummistiefel und wandern? Keine Dinge die ich in einen kausalen Zusammenhang bringen würde. Doch auch ohne Pflaster wusste man sich zu helfen: Schmerz bekämpft man mit Schmerz und so zog sie kurz um die Schuhe einfach aus.

    Auf Bali sicher eine Grandiose Idee aber in Aussicht auf 3,5km bei 7°C? Die Blasen müssen echt geschmerzt haben... Zumindest wog die Landschaft mit dem rauschenden Fluss, Stromschnellen und zerklüftetem Ufer dafür auf. Wir teilten uns für die nächste Strecke den Weg und führte den Smalltalk, den man schon sooft mit so vielen Menschen geführt hatte. Dabei war immer eine wichtige Frage: "Warum der Norden?" . Die anderen Fragen hätten dann auch immer Teil eines Jobinterviews sein können, aber diese Frage war durchaus interessant. Kurz vor Ende der Strecke verließ ich allerdings die beiden und zog allein von Dennen. Mein eigener Fuß machte mir Mitlerweile selber sehr zu schaffen, doch die Turiststation war schnell erreicht.

    Ich hoffte Olof zu treffen. Ich hoffte es einfach. Aber wie unwahrscheinlich wäre das denn bitte....nein, das ist ganz undenkbar. Wie Marta noch am Vortag meinte: "Das wäre ja fast wie im Film.", womit sie nicht ganz Unrecht hatte.

    Da, plötzlich, tatsächlich er ist es Olof in Begleitung seines Freundes Robert. Beide im Begriff sich Abendessen zu holen, planen noch kurz mit einem Guid die morgige Rute. Das gibt es doch nicht....das ist Bestimmung!

    Er ist genauso überrascht wie ich und gibt mir zur Begrüßung einen ordentlichen Handschlag. Es stellt sich raus, dass er meine Nachricht erhalten hat und sogar eine SMS schrieb, nur leider 2 Fehlerchen in der Nummer hatte. Als das behoben war, strahlen wir beide. Da sie beide nichts einzuwenden haben, schließe ich mich kurzerhand ihrer Planung für morgen an. Es geht also morgen früh ab 9.00 Uhr einmal auf der anderen Seite des Flusses entlang. Glücklich umarmt Olof mich noch einmal zum Abschied und beide verabschieden mich freudig. Ich selber ziehe nun auch von denen, denn die Sauna wartet hier ja auch nicht ewig.

    Auf dem Rückweg gibt es dann meine Leckereien, die für letzten 2 Pausen eingeplant waren, zu den es aber nie kam.

    Nun kann ich es ja sagen; schlussendlich waren es 21km. Zugegeben; ich habe meine Ortskenntis etwas durch ungewollte Umwege erhört, aber nicht um 7km.

    Dafür war die Sauna um so herrlicher. Eine wunderbare Erholung nach so einem Tag; Drinnen 80 - 90°C, draußen 7°C mit Blick über den Torneträsk. Da es heute sogar so verhangen ist, dass man die Berge der anderen Seite nicht mal sieht, sind selbst die guten Chnacen die uns die App ausrechnet, hinfällig.

    Morgen geht es dann also mit Olof und Robert auf große Wanderschaft. Ich bin gespannt aber sehr erfreut, daß es doch noch klappt. Bevor das aber passiert, hole ich mir jetzt noch etwas Essen und eine große Mütze schlaf. (Wobei mein Hörspiel gerade sehr aufregend ist🥴)

    Nachtrag: In der Küche treffe ich Jan. Er wandert einen Wanderweg von 400km Länge und erholt sich hier in der Station für 1 Tag. Wir tauschen uns kurz aus, bevor auch er mich in die Einsamkeit entlässt. Stille.
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