• Von schönen Umwegen - Etappe 2

    10 Ogos, Sweden ⋅ 🌬 19 °C

    Wie man auf der Karte sieht, ist meine erste Etappe auf dem Kattegattleden (Heningsborg -> Halmstadt) eigentlich ein einziger "Umweg" - zwei mal biegt man von der direkten Verbindung ab und fährt jeweils ca. 45km entlang einer Landzunge. Um Kräfte zu sparen, war die ursprüngliche Überlegung, vom Kattegattleden abzuweichen und diese Wege einzusparen. Es überwog allerdings der Reiz, den Kattegattleden in seiner Gänze - vom Anfang bis zum Ende - gefahren zu sein. Letztendlich bin ich froh darüber nicht abgekürzt zu haben, da es die mit Abstand schönste Etappe war. Dem entsprechend widme ich ihr auch einen besonders ausführlichen Beitrag - nicht erschrecken.☺️

    Wie immer ging es früh am Morgen los, als die Stadt noch schlief. Nur einige Menschen hatte es schon zu so früher Stunde aus ihren Betten getrieben. Diese joggten jetzt entlang der langen Strandpromenade, führten ihre Hunde aus, steuerten Kehrmaschinen und Busse durch die Stadt, oder nahmen ein Bad in der grauen, tosenden Brandung. Hierfür gab es überall lange Stege (siehe Bilder), welche ca. 50m übers Wasser führten. Am Ende hatten sie entweder nur eine Leiter oder Treppe, zum ins Wasser steigen oder auch vereinzelt kleine Badehäuschen, in denen man sich vorher umziehen konnte.
    Das mit den Stegen hatte meinen Beobachtungen nach zwei Gründe: Zum einen spühlte die Brandung und der auflandige Winde haufenweise Algen an den Strand. Diese lagen teils zu riesigen Haufen zusammengetragen am Strand oder waberten als zähe, schwarze Masse im Wasser, was ein Hineingehen sicher etwas unerquicklich machte.
    Zum anderen konnte man über die Stege dort ins Wasser gehen, wo es bereits tief genug zum Schwimmen war und auch die Wellen sich noch nicht brachen.
    So standen in den frühen Morgenstunden bereits die ersten Einheimischen in ihre Bademäntel gehüllt, alleine oder in Grüppchen auf den Stegen und gingen ihren morgendlichen Routinen nach.
    Während ich so vorbeizog, beobachtete ich das morgendliche Treiben, welches einer übergeordneten, einstudierten Koreografie zu folgen schien; Man grüßte, unterhielt sich, gab sich Handzeichen oder schwieg einvernehmlich.

    Nach einigen Kilometern ließ ich dieses Treiben hinter mir und näherte mich dem Ortsausgang und gleichzeitig dem ersten Anstieg
    Es zogen Vororte vorbei, später vereinzelte Häuser und nach kurzem war ich umgeben von gelb leuchtenden Feldern, hinter denen sich das tiefblaue Meer abzeichnete. Dazu wehte der Wind mir die Meeresluft entgegen, die nach Salz und Algen roch - ein Geruch, der mich den Tag über in unterschiedlich intensiver Form begleiten sollte.

    Nun führte der Weg wieder direkt ans Meer. Kräftiger Gegenwind schlug mir entgegen, so dass ich teilweise fast stand - erstmals erreichte ich einstellige km/h-Werte. Der Wind war an diesem Tag wirklich mein meteorologischer Antagonist. Zu meiner eigenen Überraschung machte mir das aber nichts aus (normalerweise hätte ich geflucht bis sich die Balken biegen).
    Dafür wogen die Landschaften und Gerüche für all das auf - Schäumende Brandung, kleine Badeorte und dazu der Geruch von Meer.

    Einige Kilometer hinter Höganäs schlug ich durch Felder und Wiesen den Bogen auf die Nord-Seite der ersten Landzunge. Hier war von all dem nichts mehr zu sehen. Viel steiler fiel das Ufer zum Meer hin ab und viele der Küstenabschhnitte waren mit Häusern bebaut. So führte mich der Weg diesmal abseits des Wassers entlang. Trotzdem bließ der Wind nach wie vor ordentlich, was mich zum Äußersten schreiten ließ...In der Hoffnung, Papas neongelben Windstopper nicht brauchen zu müssen, hatte ich ihn natürlich ganz nach unten sortiert und ärgerte mich nun in zweierlei Hinsicht darüber, dass ich ihn raussuchen musste; Zum einen, weil Papa mal wieder recht hatte und der Windstopper genau das richtige Kleidungsstück für so einen windigen Tag war, zum anderen, weil ich meine ganze Tasche einmal aus- und wieder einräumen durfte.

    Jedenfalls ging es danach wohltemperiert und für alle gut sichtbar weiter entlang der Landstraße. Kurze Zeit später lag die erste Landzunge auch schon hinter mir, allerdings begannen meine Kräfte etwas zu schwinden. Viel mehr meldete sich der Rücken zu Wort. Etwas Gymnastik auf dem Rad verschaffte geringfügig Besserung, ließ die Zweifel aber nicht gänzlich schwinden, ob ich die Etappe unter diesen Umständen schaffen würde. Im Hinterkopf schon die Gewissheit, dass ich bereits auf die zweite Landzunge zu hielt, die ebenso wie die erste, mit ordentlichen Gegenwind aufwarten würde.

    Die Landschaft überzeugte erneut und zeigte sich von einer noch naturbelasseneren und wilderen Seite - schroffe Küsten, mit vereinzelten, kleine Siedlungen, Naturstränden und dabei immer der Geruch von Salz und Meer in der Nase.
    Kurz vor meiner Halbzeitpause, ging es dann nochmal ein großes Stück landeinwärts, bevor es wieder an die Küste zurück ging. Man kann sich schon denken - hier waren es wieder Felder, Felder und noch mehr Felder, zwischen denen sich die Landstraße entlang schlängelte.

    Dann war endlich der perfekte Ort für eine Mittagspause am Strand gefunden - nur die kurz nach mir eintreffenden Deutschen waren enttäuscht, hatten sie doch schon mühsam ihre Aufblastiere aufgepustet und blickten nun auf viel Welle, viele Algen und viel kaltes Wasser. Vorallem die Tochter war mehr als entrüstet über die enttäuschten Versprechungen, die man ihr wahrscheinlich im Vorraus gemacht hatte.
    Gut erholt und mit gefüllten Magen, ging es für mich weiter entlang der südwest Seite der Landzunge, dessen Ende das beschauliche Hafen-Örtchen Torekov bildete. Hier konnte ich auch einmal die besagten Stege festhalten, über die man "algen-frei" ins tiefe Wasser gelangt.

    Der Weg zur Nordseite der Landzunge ging durchs Inland; vorbei an Kühen auf Weiden, Kühen in Ställen, Ställen ohne Kühe, Feldern, Wiesen und wunderschönen Höfen, die zum Teil viele verschiedene Obstbäume auf dem Anwesen zu stehen hatten. Leider ging es einen großen Teil der Strecke bergauf, was mir wiederum den Vorteil verschaffte, dass ich viel Zeit hatte, die Dinge, die mich umgaben, genauestens zu betrachten und zu genießen - Der erste Gang ist eben einer für Genießer.

    Zur Belohnung folgte dann eine super steile und super lange Abfahrt, die für alle Strapazen auf dem bisherigen Weg aufwog. Am Ende der Abfahrt war die Nord-Seite erreicht, welche sich wieder gänzlich anders darstellte als alles bisher Gesehene - während der Fahrradweg durch den Wald führte, in dem plötzlich Kühe aus dem tiefsten Unterholz auftauchten, lag links vom Weg ein wunderschöner Steinstrand, an dem ich gerne verweilt und Steine gesammelt hätte. Aus zeitlichen wie logistischen Gründen verzichtet ich aber darauf.

    Bald tauchten die ersten Ausläufer von Båstad auf, und nur wenig später rollte ich auf der Strandpromenade der Innenstadt entgegen. Diese hinter mir gelassen, erstreckte sich links von mir ein breiter, heller Sandstrand, während ich auf dem Strandvägen weiterfuhr. Schließlich erreichte ich die Mündung des Stensån, über die eine Brücke führte.
    Von hier bot sich ein eindrucksvoller Anblick: Zur einen Seite der von urigen Bäumen und dichtem Unterholz gesäumte Flusslauf, zur Anderen der erstreckte sich der Sandstrand, durch den sich der Fluss seinen Weg zum rauen Meer bahnte.
    Da, wo Fluss und Meer aufeinander trafen, mischte sich das braune Wasser des Stensån, mit dem vor Gischt schäumenden tief blauen Wasser des Kattegatt Belt. Einige Fotos später ging es erneut aufs Rad. Knapp 45km standen noch an. Die ersten 15km ging es entlang des Kustvägen, was im Prinzip einer Straße entsprach, die mehrere Küsten- und Urlaubsorte entlang der Küste mit einander verband. Vom Meer sah man dort leider nichts. Dafür rollte es sich auf dem gut ausgebauten Radweg sehe gut. Noch dazu gab es ausnahmsweise keinen Wind von vorne. Viele andere Radfahrer kamen mir entgegen - einige grüßten und einige waren Rennradfahrer. Die Beobachtung hatte ich auf meiner Tour schon des öfteren gemacht. Während einen Rennradfahrer mustern und prüfend anschauen, grüßen Bikepacker einander fast immer freundlich und teils sogar mit Handzeichen, Lächeln UND Kopfnicken.

    Hinter Mellbystrand begann dann der zweite wunderschöne Teil dieser Etappe. Es ging zunächst durch das Naurreservat Hökafältets, in dem es fantastisch nach Kiefern und Wald roch. Auf Schotterwegen ging es zwischen Heidekraut, Moosbedeckten Steinen und Kiefern hindurch, bevor sich das Naurreservat Tönnersa direkt anschloss. Hier her kamen die Menschen anscheinend zur Erholung, um ihre Hunde auszuführen oder zum Wind- und Kitesurfen. Zumindest sah ich in der Ferne die Kite-Drachen über die Baumwipfeln der Wind verformten Kiefern hinweg. Alles roch so voll und wunderbar, dass es hier eigentlich garnicht durch Worte reproduzierbar wäre; eine Mischung aus Meer und Kiefern lag mit feuchten aber nicht erdrückenden Schwere in der warmen Luft.

    Kurz hinter dem Reservat kam Laxvik. Hier rang die Beschriftung eines Teslas mir ein kleines Schmunzeln ab: "I bought this before Elon went crazy." Stand auf der Rückseite des Autos.

    Der Rest der Strecke, war dann wieder eher unspektakulär; leider umrundete man nur das Hagöns Naurreservat, sodass man stattdessen wieder einmal Felder und Höfe zu Gesicht bekam. Außerdem rauschte die Autobahn vorbei und der Wind bließ wiedermal sehr stark von vorne.

    Lustigerweise befanden sich Papa und die Freunde gerade mit dem Wohnmobil auf genau dieser Autobahn – und sogar ungefähr auf gleicher Höhe, sodass ich Papa 6km vor dem Ziel, kurzerhand mit einem kleinen Anruf bedachte. Im Anschluss ging es gut gestimmt und motiviert ans Ziel.
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