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  • Day 24

    Portwein-Degustation als Premium-Kunden

    April 18, 2023 in Portugal ⋅ ⛅ 24 °C

    Porto, Mittwoch, 18. April 2023

    Unser Airbnb-Host, eine jüngere polnische Frau, ist in ihrem Hauptberuf Touristenführerin und hat uns mit etlichen Tipps und Angeboten eingedeckt, die wir als erklärte Individualtouristen bisher alle links liegengelassen haben.
    Regine sieht aber, dass wir für eine Führung in einer Portwein-Kellerei mit anschliessender Degustation als ihre Gäste eine 50%-Reduktion hätten. Darauf buchen wir für den Nachmittag einen solchen Besuch. Am Morgen nach einer Nacht mit wenig Schlaf, weil Martin ewig gehustet hat (Mittlerweile geht es ihm wieder besser :-). ), arbeiten wir zuerst an unserem Blog und machen uns dann zu Fuss auf, um herauszufinden, wie weit es zur Bushaltestelle ist, von der aus am Donnerstagmorgen um 5 Uhr der Nachtbus zum Flughafen abfährt.
    Wir spazieren am westlichen Rand des Stadtviertels entlang und schlagen dann die Richtung nach São Bento ein.
    Immer mehr Touristen kommen uns entgegen und von weitem sehen wir, dass sich dort, wo wir hinwollen, eine Grossbaustelle befindet. Also probieren wir es mit einem Umweg über Seitenstrassen und finden dann auch endlich die gesuchte Haltestelle.
    Fazit: Mit eineinhalb Kilometern ist sie ziemlich weit von unserer Unterkunft entfernt, weshalb wir uns für eine Buchung mit Uber entscheiden. Auch die Option B wäre dann ein Taxi und nicht der Nachtbus. Dies wäre am frühen Morgen und mit unserem Gepäck einfach zuviel des Guten!
    Auf Regines iPhone klappt die Reservation bei Uber aber aus unerklärlichen Gründen nicht, sodass wir es bei Martin versuchen. Wir sind aber Uber-Neulinge und nicht wirklich sicher, ob das auch funktionieren wird.
    Nico, der weitgereiste ältere Sohn von Martin, beruhigt uns aber dahingehend…
    Zur Wein-Degustation fahren wir mit der Metro und gehen den Rest zu Fuss.
    Aus Erfahrung fahren wir dreissig Minuten zu früh los und steigen an der Haltestelle „General Torres“ aus. Von dort aus sollen es laut Google Maps nochmals fünfzehn Minuten Fussmarsch bis zur „Real Companha Velha“ sein, einer der ältesten Portwein-Kellereien in Porto.
    Über einen schmalen, mit uraltem Kopftsteinpflaster befestigten Gehweg spazieren wir dorthin und finden schon nach der Hälfte des Weges das grosse Eingangstor, an dem unverkennbar „Visitors“ steht. Als wir hineingehen, werden wir zuerst von einer angekarrten Touristen-Gruppe überholt und danach vom Portier zurückgehalten.
    Nein, wir haben keine Reservation, aber unsere Airbnb-Hostesse hat eine E-Mail geschrieben. Ihr Freund ist übrigens Manager bei der Firma. Als wir dann ihren Namen nennen, klärt sich alles schnell auf. „Ah, Dorota!“ sagt der Portier, und lotst uns zur Rezeption. Dort kaufen wir zwei Premium-Tickets, welche für je 9 Euro (anstelle von 18 Euro) eine Video-Erklärung, eine Führung und die Verkostung vier verschiedener Portweine beinhalten.
    Da gerade eine Präsentation auf Englisch stattfindet, geht es sofort los. Das Video ist zwar schön, aber relativ kurz und der Informationsgehalt tendiert stark gegen null. Die aus zwei Teilen bestehende Führung zeigt zuerst die Lagerung der riesigen Fässer (von 4.000 Liter bis 1 Million Liter!!) und erläutert die Unterschiede zwischen den verschiedenen Portwein-Arten, deren Produktion und Lagerung.
    Für uns ganz neu ist, dass Portwein erst durch Hinzufügen von hochprozentigem Tresterschnaps sowie viel Zucker (zwischen 40 und 120 Gramm pro Liter) und jahrelanger Lagerung entsteht. Der älteste hier wird 40 Jahre lang im Fass gelagert, wodurch der rote Porto immer mehr an Farbe verliert. Die sehr junge und gut Englisch sprechende Guide stopft uns dazu mit allerlei Fachbegriffen voll, dass uns der Kopf auch ohne Alkohol schon schwirrt: Ruby, Tawny, Vintage… alles englische Ausdrücke, weil die Engländer dem Portwein und seinem Handel schon vor Jahrhunderten verfallen waren und heute noch einen Grossteil davon dominieren.
    Für den zweiten Teil werden die anderen Gäste wegkomplimentiert, weil sie - wie wir später erfahren - eigentlich nichts bezahlt haben und nur aus Gründen der Promotion (sprich: Sie sollen im Fabrikladen einkaufen!) hergebracht wurden.
    Jetzt sind wir beide mit der Guide allein und werden in eine Art Gruft geführt, aus der uns modrige Luft entgegenströmt. Es ist der Weinkeller der Besitzerfamilie, wo Flaschen vieler Produktionsjahrgänge gelagert sind. Die älteste Flasche überhaupt stammt aus dem Jahre 1765. Sie sei jedoch - da bereits einmal geöffnet - nicht mehr trinkbar.
    Die älteste, vermutlich noch trinkbare Flasche, die man uns zeigt, stammt aus dem Jahre 1870 und ist (laut Guide) circa 4.000 Euro wert. Wir vermuten, dass sie viel mehr kostet und überlegen schon, ob wir eine klauen sollen :-). Aber das war natürlich nicht ernstgemeint!
    Wir schätzen, dass im ganzen Keller circa 6.000 Flaschen gelagert sind. Bei einem Durchschnittspreis von 2.000 Euro gäbe dies einen Wert von 12 Millionen. Aber der Durchschnittspreis liegt sicher wesentlich höher! Die Flaschen sind alle von einer dicken Staubschicht bedeckt und der Korken ist mit einer dicken und nach allen Seiten wuchernden Pilzschicht überdeckt.
    Bei Gestellen mit älteren Jahrgängen haben sich die Pilze an den einzelnen Flaschen sogar schon miteinander verbunden und bilden dort ein eigenartiges Netzwerk. Nachdem wir dies alles begutachten konnten, schliesst die Führerin den Keller ab, wir gelangen ins Freie und damit wieder an die „gute“ Luft.
    Dann können wir die vier Weine degustieren: ein weisser, ein Ruby, ein junger und ein 20-jähriger Tawny. Die Guide erklärt uns noch kurz, welcher Wein sich in welcher Flasche befindet, dessen Alter und wozu man ihn trinkt und überlässt uns dann ganz dem Genuss, der sich wenig später zu einem kleinen Rausch entwickelt. Wir haben aber vorgesorgt und eine Tüte Chips dabei, auf die wir uns jetzt stürzen.
    Auf dem Heimweg spazieren wir ab Saõ Bento durch Teile des Quartiers, die wir noch nicht kennen, und immer wieder entdecken wir Schönes und auch Verfallenes. Zu Hause angelangt, beschliessen wir, auswärts zu essen - dies aber in der Nähe und falls möglich, nicht in einer der vielen Touristenkneipen, wo vor allem eines garantiert ist: hohe Preise.
    Martin hat bei Yelp ein Lokal gefunden, dass dann in der Realität nicht (mehr) existiert. Aber gleich daneben ist ein kleines Restaurant mit dem Namen „Adega Mercearia Bebe-Se Mal“ (Kellerlokal, wo man schlecht trinkt), was wohl selbstironisch gemeint ist. Es ist gut gefüllt, hat aber noch Platz für uns und so bestellen wir zur Vorspeise Kabeljau-Pasteten und einen gemischten Salat, als Hauptgang gegrillten Kabeljau mit ganzen gedämpften Kartoffeln an viel Knoblauch, dazu Wasser und einen halben Liter Rotwein des Hauses.
    An den Wänden hängen Schiefertafeln, wo frühere Gäste ihr Lob zu Speisen und Service hinterlassen haben. Diese sind in allen Weltsprachen ausnahmslos positiv. Vielleicht werden die kritischen ja einfach weggewischt? :-) Einer hat den Namen des Etablissements kurzerhand von „Bebe-Se Mal“ in „Bebe-Se Bem“ (trinkt man gut) geändert.
    Das Essen war wirklich sehr lecker und der Service tadellos, nicht wie das Schickimicki-Getue auf dem Schiff! Das quittiert Regine bei einer Rechnung von 29 Euro mit 3 Euro Trinkgeld und wird dafür mit einem herzlichen „Gracias y hasta luego“ belohnt, denn der Kellner ist nicht nur flink und freundlich, sondern auch noch mehrsprachig.
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