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  • Day 51

    Das Ende in Maine

    August 16, 2022 in the United States ⋅ ⛅ 22 °C

    „All good things come to an end“ singt Nelly Furtado und so verhält es sich auch mit unserer Reise. Nach sechs wunderbaren Tagen an der Küste Maines schreibe ich jetzt hier am Flughafen in BOSTON und dann später im Airbus zurück nach FRANKFURT den vorerst letzten Bericht.

    Von der Holzterrasse des erst vor einem Jahr gebauten Cottages „Puffin’s Perch“ in ST. GEORGE sehen wir jeden Abend zu, wie die Sonne über der zerklüfteten Küste untergeht. Die Gezeiten sind hier ganz deutlich wahrnehmbar. In Buchten, in denen eben das Meerwasser bis fast an die Straße schwappte, gibt die Ebbe sechs Stunden später über hundert Meter Strand frei. Einsiedlerkrebse tapsen auf und ab oder graben sich ein in der vergeblichen Hoffnung, nicht von aufgeregten Fünfjährigen gefangen zu werden. Am „Drift Inn Beach“, wenige Fahrminuten entfernt, sind wir sowohl bei Ebbe als auch bei Flut. Die bunten Bojen, an denen hunderte Hummerreusen befestigt sind, wirken wie Luftballons, die über die Wellen schweben. Die vorgelagerten Inseln, manche karg, andere dicht bewaldet, komponieren gemeinsam mit den weiß getäfelten Strandhäuschen ein Bild kitschig wie ein Bob-Ross-Gemälde.

    Auch der kleine Hafen PORT CLYDE an der Südspitze der ST. GEORGE PENINSULA gefällt uns sehr. Von hier setzen wir auf die 1,6 Meilen lange und 0,8 Meilen breite Insel MONHEGAN mit dem Postschiff über, das neben Tages- und Übernachtungsgästen auch Lebensmittelbestellungen der ca. 60 festen Einwohner transportiert. Auf der einstündigen Fahrt über spiegelglattes Wasser sehen wir Delfine, Robben und sogar einen Wal. Die Insel, auf der keine Fahrzeuge zugelassen sind und die nur über Schotterwege und schmale Pfade verfügt, erkunden wir dementsprechend zu Fuß. Glücklicherweise ist der Himmel an diesem Tag bedeckt, trotzdem schmeckt das kühle Bier der Inselbrauerei hervorragend, wo wir unsere erste Rast einlegen und so wohlklingende Sorten wie „Mad Cow“ und „Sailor’s Delight“ verköstigen. Der Weg, den wir uns ausgesucht haben, führt an der Küstenlinie entlang, vorbei an Klippen, die senkrecht ins Meer fallen. In „Lobster Cove“ (Hummer-Bucht) liegt das 1948 zerschellte Wrack der D.T. Sheridan, auf dessen rostigen Rumpf sich nun klettern lässt. Die nächste Bucht lädt zum Picknick mit Panoramablick ein, während gierige Möwen in der Hoffnung auf einen Bissen über uns kreisen. Als der Weg später landeinwärts abbiegt, ertönen hinter mir plötzlich schrille unartikulierte Schreie. Ich drehe mich um und werde gewahr, wie die Restfamilie – Janosch bereits auf Mutters Armen - in hysterischer Schnappatmung stakkatohaft „Schlange, Schlange, Schlange“ ausstößt. In Maine gibt es neun Schlangenarten, alle vollkommen harmlos. Die letzten beiden Sätze lasse ich einfach mal unkommentiert nebeneinander stehen.

    PORT CLYDE ist auch der Ort, wo wir auf den Docks sitzend, unseren ersten ganzen Hummer verspeisen. Als wir im „Dip Net Restaurant“ eintreffen, sitzen noch genau zwei Krustentiere in einer Wanne und schauen ahnungsvoll recht sparsam drein. Wenig später stehen sie gemeinsam mit Pommes Frites, Maiskolben und Ketchup als „Twin Lobster Dinner“ vor uns auf dem Tisch. Mit Werkzeug, das Nussknackern ähnelt, arbeiten wir uns zum köstlichen weißen Fleisch vor. Auch wenn wir hinterher ein schlechtes Gewissen bekommen, als wir lesen, dass Hummer doch so etwas wie ein Schmerzgefühl haben, wenn sie in den Topf mit kochendem Wasser gesteckt werden: Umsonst gestorben sind die Tiere nicht.

    CAMDEN liegt ungefähr eine halbe Stunde Autofahrt in nördliche Richtung entfernt. Ein schönes Städtchen mit eleganten Häusern und einer großen Marina, insgesamt recht touristisch, viel voller als unser beschauliches ST. GEORGE. Wir wollen eigentlich nur ein paar Austern zum Lunch, doch überall werden wir mit doch recht langen Wartezeiten auf einen Tisch konfrontiert, sodass wir uns entscheiden, unseren Besuch hier recht kurz zu halten. Nach dem Kauf eines geschmacklosen Hummer-Weihnachtsbaum-Anhängers für unser Panoptikum daheim und einem großen Eis für das Kind kaufen wir frischen Thunfisch, Schwertfisch und Lachs, den wir in unserem Ferienhaus-Zuhause mit Blick auf die Bucht grillen. So lässt es sich ganz wunderbar aushalten.

    Viel eindrucksvoller ist dann unser Erlebnis im CAMDEN STATE PARK, wo wir eine tatsächlich anstrengende Wanderung über Stock und Stein inklusive kleinerer Kletterpassagen unternehmen. Der fast immer gut ausgeschilderte Weg (immer dem roten Quadrat nach) führt steil bergauf zu einem atemberaubenden Aussichtspunkt, wo wir auf Felsen sitzend den Blick über Buchten und Inseln bestaunen. Wir sind fast ganz alleine da oben und unten liegt winzig klein der Hafen von CAMDEN, wo wir einen Tag vorher noch im Trubel um einen Platz im Restaurant gewetteifert haben. Da fühlen wir uns hier oben deutlich wohler angesichts der blauen See und der dichten Wäldern, Seen und Flüsse, über denen wir thronen. Für einen vollkommen entspannten Aufenthalt fehlt lediglich die Kinderleine da oben.

    Die Zeit in ST. GEORGE ist das perfekte Ende für diese Reise. Das hervorragend ausgestattete Cottage bietet reichlich Gelegenheit zur Entspannung. Über den Streaming-Dienst disney+ sehen wir jeden Abend einen „Star Wars Film“, dem Janosch bereits am Morgen entgegenfiebert. Leichtathletik-Europameisterschaft und das FCK-Spiel gegen Paderborn (0:1) verfolge ich live, ohne dabei die erhofften Kalorien zu verbrennen. In der großzügigen Küche macht es Spaß zu kochen und auf der bereits erwähnten Terrasse zu sitzen und in die Landschaft zu schauen vervollkommnet das Wellness-Erlebnis. An keiner unserer Stationen auf der Reise sind wir im Schnitt so wenige Kilometer gefahren wie hier in Maine, weil irgendwie alles vor der Haustür liegt.

    Dann ein letztes Mal Koffer packen, ein letzter wehmütiger Blick von der Terrasse und der Toyota rollt auf dem Highway in den Süden. Nach einem letzten Lunch heißt es Abschied nehmen am Logan-Airport in BOSTON von diesem wunderbaren Land, wir sagen aber sicher nicht „Good Bye“, sondern „Aufwiedersehen“.

    Was soll man jetzt nach über 10000 Straßenkilometern, zwei Inlandsflügen und 16 besuchten Bundesstaaten als Fazit schreiben? Und braucht es das überhaupt? Muss unter jedem Text eine Schlussfolgerung stehen, eine Zusammenfassung des Erlebten, etwas, das all das vorher Geschriebene noch einmal auf den Punkt bringt? Ich finde, dass nicht. Und ich bin der Autor. Also halte ich es mit Nelly Furtado: „All good things come to an end“. So ist es mit dieser Reise, so ist es mit diesem Blog. ENDE.
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