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  • Day 60

    Begegnungen am Wegesrand - Teil 6

    April 29, 2023 in France ⋅ ☁️ 17 °C

    "Bonjour!", ruft mir ein rundlicher, alter Mann vom Wegesrand entgegen. An einem Strick hält er ein Pferd.
    "Bonjour", grüße ich zurück und komme näher.
    Der Mann fügt etwas auf Französisch hinzu und ich schüttle bedauernd den Kopf. "Tut mir leid, ich kann kein Französisch", sage ich auf Englisch.
    Der Herr schaltet zu meiner Überraschung sofort auf Englisch um. "Woher kommst du?", will er wissen.
    "Aus Österreich", antworte ich.
    "Willkommen!" Er wirkt erfreut. "Gehst du nach Saint Jacques? Nach Spanien?"
    "Ja", bestätige ich. "Ich bin in Wien gestartet, vor fast zwei Monaten."
    "Also gehst du über Le Puy en Velay?"
    "Und dann Saint Jean Pied de Port und dann nach Spanien", füge ich hinzu, während das Pferd seelenruhig fortfährt, das Gras am Wegesrand auszurupfen.
    Der Mann nickt wissend. "Wie ist mein Englisch?", will er wissen und grinst dabei.
    "Sehr gut!", antworte ich ehrlich, weil ich selbst davon überrascht bin. Bisher sind mir mehr Englisch sprechende Franzosen begegnet, als ich erwartet hätte. Der alte Mann freut sich sichtlich über mein Lob.
    "Ich bin viel gereist", sagt er. "China, die ganze Welt, da habe ich immer Englisch gesprochen. Aber Spanisch kann ich besser."
    Sein Pferd stupst mich mit der Schnauze an und ich streichle es kurz, bevor es mit der Kürzung des Grases am Wegesrand fortfährt.
    "Das Pferd ist meine Freundin", sagt der Mann. "Sie ist 25 Jahre alt." Er lüftet seine Mütze und deutet auf seine grauen Haare und sein erkahlendes Haupt. "Alt, wie ich", scherzt er und lacht. "Ich liebe sie sehr", fügt er zärtlich hinzu. "Magst du Pferde?"
    Wir unterhalten uns noch ein bisschen über Tiere und das ungewöhnlich warme Wetter.
    "Es war nett mit dir zu plaudern", sage ich schließlich, bereit, weiterzugehen. Nachdem ich mich noch nach dem Namen des Mannes erkundigt habe, verabschiede ich mich von José und seinem Pferd.
    Die Unterhaltung mit dem pferdeliebenden Mann stimmt mich froh und der nächste Regenschauer auf der Etappe macht mir nicht mehr so viel aus.
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