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  • Day 72

    Begegnungen am Wegesrand - Teil 8

    May 11, 2023 in France ⋅ ☁️ 7 °C

    Als ich die Kirche von Aumont-Aubrac verlasse, sehe ich auf der anderen Seite des Platzes eine Glastür mit mehreren deutlichen Jakobswegsymbolen darauf. Darüber steht "Accueil", also Empfang. Da es nach wie vor regnet und mir nach einer Pause im Warmen ist, gehe ich neugierig hinüber und spähe ins Innere.
    "Bonjour!", schallt es mir entgegen und eine alte Dame winkt mich in den Pfarrsaal, links vom Eingangsbereich. Sie bietet mir erst einen Stempel für meinen Pilgerpass und dann einen Tee an. Leider kann sie kein Englisch (und ich kein Französisch), trotzdem gibt sie sich größte Mühe, mir ein paar Fragen zu meinem Weg zu stellen und das funktioniert gar nicht so schlecht, da ich doch ein paar einfache Brocken verstehe.
    Während ich gerade an meinem zweiten Schokokeks knabbere, das ich von der lieben Dame bekommen habe, schneien Magdalena und Benedikt herein - die beiden waren noch in der Apotheke. Auch sie bekommen den Stempel, einen Tee und Kekse. Magdalena erzählt, dass sie in der Apotheke nur auf ihre Füße gezeigt und "Champignons" gesagt hat und die Angestellten ihr daraufhin, wie erhofft, eine Salbe gegen Fußpilz verkauft haben. Ich kriege mich kaum noch ein vor Lachen.
    Wir klären gerade mit der Dame erneut, dass leider keiner von uns Französisch spricht, als ich aus einer Eingebung heraus "Ich spreche ein bisschen Spanisch" sage, und zwar auf Spanisch.
    Das Gesicht der Dame hellt sich augenblicklich auf. "Ich auch!", Antwortet sie, ebenfalls auf Spanisch, und plötzlich können wir uns doch noch richtig unterhalten. Sie heißt Margarita, ist 80 Jahre alt und kann ungefähr so viel Spanisch wie ich, weil sie vor vielen Jahren insgesamt 12 Mal, jeweils ein Monat, in Peru war. Dort hat sie für eine humanitäre Organisation gearbeitet, die medizinische Hilfe zu den Menschen in den ärmsten Regionen des Landes gebracht hat. Ich bin tief beeindruckt.
    Bevor wir gehen, hinterlasse ich Margarita noch einen Eintrag in ihrem kleinen Gästebuch und wir machen gemeinsam ein Selfie vor der Kirche draußen. Da zieht die 80-jährige Margarita wie selbstverständlich ihr eigenes Smartphone heraus und schießt ebenfalls ein Foto.
    "Ich bin alt, aber jung im Herzen", sagt sie. Ich würde ihr gerne sagen, dass es genau das ist, was ich mir sofort von ihr gedacht habe. Leider reicht mein Spanisch dafür nicht aus. Stattdessen drücke ich sie fest, als wir uns verabschieden. Während ich mit Magdalena und Benedikt die Straße hinaufgehe, bin ich noch immer tief gerührt von Margaritas herzlicher Art und dem unerwarteten Empfang, den sie uns bereitet hat.
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