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  • Day 52

    Bethlehem

    December 13, 2016 in Palestine ⋅ ⛅ 15 °C

    Entgegen so mancher Ratschläge mache ich mich alleine auf ins Westjordanland, nach Bethlehem. Die arabische Musik im Bus verstreut schon eine andere Kultur und als Tourist steche ich deutlich mehr heraus, als bisher in Israel.

    Als ich aus dem Bus aussteige, reden direkt mindestens 7 Taxifahrer auf mich ein und ich bereue, dass ich mich nicht mehr über die Stadt informiert habe, um etwas souveräner meine Ziele anzusteuern, ohne mir einreden zu lassen, dass es zu den Sehenswürdigkeiten viel zu weit sei zu laufen. Meine offline-Google-Maps-Karte gibt in dieser Stresssituation leider auch nicht sofort her, nach was ich suche und ich fühle mich zunehmend unwohler. Auch mein Plan, einfach loszulaufen und dabei möglichst so zu wirken, als würde ich wissen wohin ich gehe, hilft nicht wirklich dabei die Taxifahrer abzuschütteln. Sie fahren hundert Meter hupend neben mir her und versuchen mich so lange zu verunsichern, bis ich doch einen Deal eingehe. Zum Glück sehe ich zwei weitere Touristen, ein Mädchen in meinem Alter und ihre Mama aus Amerika, denen ich mich anschließe und zu dritt schaffen wir es auch, die Taxifahrer zurückzuweisen. Yeeey!

    Zusammen machen wir uns auf zur Church of the Nativity, unter der der Geburtsort Jesus vermutet wird. Vom orientalischen Markt im Stadtzentrum gelangen wir, je näher wir an die Kirche kommen, langsam in eine weihnachtlich dekorierte Gegend. Die unterschiedlichen Religionen scheinen sich gegenseitig sehr zu akzeptieren, dennoch falle ich ohne Kopftuch und mit meinen immer noch leicht rot-orange wirkenden Haaren auf wie ein bunter Hund. Nach dem Besuch der Kirche finde ich zufälligerweise eine Touristeninformation, in der ich eine Karte von Bethlehem auftreiben kann. Damit fühle ich mich wohl genug, die Stadt alleine UND zu Fuß weiter zu erkunden.

    Ich mache mich auf zu der ca. 800 km langen Mauer, die Israel zu dem Westjordanland hin erbaut hat (2002-2011), um sich vor Terroristen zu schützen. Die Gegend sieht ziemlich heruntergekommen aus, die Mauer übersäht von Graffiti, neben der Mauer ein Flüchtlingslager für vertriebene Palästinenser. Ich finde leider nicht alle Graffitis, die ich mir vorgenommen hatte, mache mich aber trotzdem langsam auf Richtung Bus. Mein Weg führt mich, dummerweise oder glücklicherweise, mal wieder durch einen Taxiparkplatz und Markt. Dummerweise, weil ich eigentlich mit dem Tag abgeschlossen und genug davon hatte, ständig angehupt, angeglotzt oder angesprochen zu werden; glücklicherweise, da ich mich schlussendlich doch dazu entschieden habe, mich zu einigen der Graffitis fahren zu lassen, die ich auf eigene Faust nicht gefunden habe und somit die Möglichkeit hatte, mehr über die Lebensumstände vor Ort zu erfahren. Mit dem Taxifahrer habe ich mich sofort super verstanden, er hat mir ausgiebig alle meine Fragen beantwortet und mir sogar ein Liedchen geträllert und dabei motiviert auf dem Lenkrad herumgetrommelt - hab’s gefilmt :D. Anschließend sind wir noch zusammen essen gegangen. Bei der Gelegenheit habe ich seinen Onkel kennengelernt und mit dessen Sohn geskyped, der in Berlin studiert. Zufälligerweise wurde in diesem Shisha-Restaurant abends der Weihnachtsbaum aufgestellt, wobei ich selbstverständlich geholfen habe. Mit dieser unnatürlich wirkende Strupferform, in die ich die Äste biegen sollte, habe ich mich anfangs schwergetan, aber dann doch ein Auge zugedrückt, wer weiß, ob die Leute schon einmal einen echten Tannenbaum zu Gesicht bekommen haben ;). War auf jeden Fall eine sehr außergewöhnliche Erfahrung, einen Tannenbaum bei arabischer Musik und Shisha-Geruch aufzubauen.

    Fazit: Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell sich ein Bild über fremde Menschen und Kulturen ändern kann, sobald man sich darauf einlässt, Chancen gibt und versucht zu verstehen. UND diese Erfahrung hätte ich in der Form wohl nie gemacht, wenn ich mich einer Gruppe angeschlossen hätte. Alleine reisen lohnt sich absolut!
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