• Von Tieren und Menschen

    March 28 in Norway ⋅ ☁️ 0 °C

    Ich besuche das Polarmuseum, das die Geschichte des Rentier-, Polarfuchs-, Robben-, Walross-, Eisbär- und Walfangs in der Gegend von Spitzbergen darstellt (nicht zu reden von den Gänsen, Schneehühnern und Fischen. Es wurde alles gejagt, was gegessen oder verkauft werden konnte). Ich denke mir (mal wieder), die menschliche Gier und Grausamkeit ist grenzenlos.

    Henry Rudy, der „Eisbärenkönig“, hat 713 Eisbären erlegt, gilt als Legende und hat die „königliche Verdienstmedaille“ erhalten. Er wird zitiert, wie traurig es ihn immer macht, ein verwaistes Eisbärjunges lebend an einen Zoo zu verkaufen. Von ähnlichen Gewissensbissen gegenüber den erwachsenen Tieren wird nichts erwähnt. Wanny Woldstad, die einzige Frau, die sich aktiv an der Jagd beteiligte, weswegen sogar eine Straße in Tromsø nach ihr benannt wurde, ist „greatly afflicted by tears of sorrow and fury“, als zwei ihrer Hunde bei der Eisbärjagd getötet werden. Das Erlegen ihres ersten Eisbären feiert sie als überwältigendes Erlebnis und großen Erfolg. Wanny Woldstad wurde ihrem Partner Sæterdal ein „perfekter Jagdkamerad“. Sie war eine exzellente „Jägerin, Köchin und Haushälterin“. Hier vermisse ich dann doch etwas kritische Distanz nicht nur aus Tierschutz-, sondern auch aus feministischer Perspektive. Stattdessen stellt die Begleitbroschüre des Museums fest, dass die die Jäger begleitenden Frauen positiven Einfluss auf das Leben der überwinternden Jäger hatten, und zwar in Form von Gardinen, Topfpflanzen, Tischdecken und besserem Essen…

    Die Bestände aller Tierarten wurden in kurzer Zeit extrem dezimiert. Der Moschusochse ist heute auf Spitzbergen ausgestorben. Nur im zweiten Weltkrieg hatten die Robben ein paar Jahre Pause und konnten sich erholen, welche Ironie. Zu der Zeit waren die Jäger im Kriegsdienst und die Schifffahrt zu gefährlich. Im 20. Jahrhundert wurden zuerst die brutalsten Fangmethoden verboten, dann wurden einige Tierarten unter Schutz gestellt und Quoten eingeführt. Wirklich besser wurde es aber erst, als sich in den 1970er Jahren Umweltschutzorganisationen gegen den Pelzhandel stark machten und gleichzeitig die Betriebskosten der Fangflotten stiegen. Den Wechsel der Pelze vom begehrten Luxusobjekt zur moralisch inakzeptablen Peinlichkeit habe ich in meiner Kindheit mitbekommen.

    Außerdem geht es - natürlich - um die diverse Expeditionen und Entdecker, allen voran Roald Amundsen, der nach einem abgebrochenen Medizinstudium erst Robbenfänger und dann Polarforscher wurde. Hier bin ich gespalten zwischen Ehrfurcht vor dem Entdeckergeist und Durchaltevermögen dieser Männer und der Frage, ob die Menschen wirklich unbedingt überall hin müssen. Doch alles in allem habe ich Respekt vor den Leistungen Amundsens. Und ich staune, dass er auf seinen Forschungsexpeditionen umfangreiche erdmagnetische und ozeanografische Messungen vorgenommen hat (bzw. vornehmen ließ, während er mit Hundeschlitten unterwegs war). Ich wusste bisher nur von der Erreichung des Südpols (und seinem Wettrennen mit Scott) und der Durchquerung der Nordwestpassage.

    Den restlichen Tag verbummele ich und bedaure es ein wenig, keine Tour gebucht zu haben. Das Wetter ist heute deutlich besser. Ich habe am Mittwoch für meine misslungene Nordlicht Tour wirklich den schlechtesten Tag erwischt.
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