Eine Höhenwanderung in Österreich.
Salzburger Gipfel und Kitzbüheler Alpen.
Von Zell am See zur Schwalbenwand, nach Maria Alm, über den Hochkaserpass, nach Saalfelden, nach Hinterglemm, auf den Pinzgauer Spaziergang und auf das Kitzsteinhorn.
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  • Day 1

    ICE

    August 21, 2021 in Germany ⋅ ⛅ 14 °C

    Eine neue Reise beginnt.
    Im ICE 533 nach Nürnberg sind die Plätze im Großraumabteil der 1. Klasse nur spärlich besetzt. Einige Reisende sind aber doch zu sehen. Auf den Plätzen 44/46 beschäftigt eine Oma ihren Enkel mit einfachem Kopfrechnen. Der Junge weiß immer die richtigen Ergebnisse, ohne auch nur einmal von seinem Comic aufzuschauen. Oma hat dann keine Fragen mehr und holt ein Brötchen heraus. Der Typ auf 55 arbeitet pausenlos an seinem Laptop. Die Programme wechseln schneller als die vorbei ziehenden Landschaften.
    "Sieht gut aus", denke ich, als ich die Frau auf 65 sehe. Allerdings sehe ich sie nur für kurze Momente zwischen zwei Sitzlehnen. Ihre Mütze liegt vor ihr auf dem Tisch und auch sie hat Kopfhörer auf, so wie ich.
    Chrissie Hynde singt für mich ihr neues Album. Wieder eines in der langen Reihe von Coversongs eines gewissen Herrn Dylan.
    Ich mag ihre Stimme, in der alles vorhanden ist, was ich jetzt brauche. Sehnsucht, Zuversicht und Harmonie.
    Es gelingt mir noch nicht, mich zu entspannen. Zu schlecht ist die Wettervorhersage für die nächsten Tage, aber das Wetter kann ich nicht beeinflussen. Vor mir liegt eine Wandertour mit vielen Höhenmetern und dafür ist wiederum auch eine Anspannung nötig. Ich freue mich auf diese Herausforderung.
    Der ICE rollt in die nächste Stadt. Der Typ von 55 klappt den Bildschirm zu und vergisst beim Aussteigen seine Zeitschriften. Die Dame von 65 steht ebenfalls auf, ihre Attraktivität bleibt jedoch sitzen, so scheint es mir.
    Hinter Hannover kommt die Sonne heraus.
    Neue Passagiere, neues Wetter, neue Reise.
    Nach 11 Stunden Zugfahrt komme ich in Zell am See / Maishofen an. Die Lokführer streiken zum Glück erst am Montag, aber da will ich längst auf den Bergen sein.
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  • Day 2

    Von Maishofen nach Maria Alm (Aufstieg)

    August 22, 2021 in Austria ⋅ ⛅ 18 °C

    Es regnet, als ich beim Frühstück aus dem Fenster schaue. Da widme ich mich doch lieber den dicken Spiegeleiern am Buffet.
    Vor mir liegen 17 Wanderkilometer.
    Es regnet auch, als ich los laufe, aber je höher ich die 1220 hm auf den Berg Schwalbenwand steige, desto trockener wird es. Etwa auf halbem Weg des Aufstiegs mache ich Pause auf der kleinen Kammereggalm. Pott Kaffee mit Sprudelwasser, Plumpsklo im Stall und eine sehr nette alte Wirtin, um es mal kurz zusammen zu fassen. Weiter geht es steil bergauf bis zum ersten Gipfelkreuz. Hier stehe ich plötzlich in einer Kuhherde, welche mich zu einigen Fotos auffordert. Mit gespielter Langeweile präsentieren sich die Kühe vor den dunklen Weltuntergangswolken.Read more

  • Day 2

    Von Maishofen nach Maria Alm (Abstieg)

    August 22, 2021 in Austria ⋅ ⛅ 17 °C

    Der Berg Schwalbenwand hat einen Doppelgipfel und der zweite liegt etwa eine halbe Stunde vom ersten entfernt auf 2011 m. Hier oben ist es kalt und windig und es fängt wieder an zu regnen. Sämtliche Kleidung, die ich im Daypack dabei habe, ziehe ich jetzt auch an.
    Ich schnüre die Bergstiefel schön fest, denn ab jetzt geht es 1150 hm abwärts.
    Nicht zum ersten Mal freue ich mich über die gute Passform meiner bequemen Schuhe von Hanwag. Auch der wasserdichte Regenhut spielt wieder mal seinen Trumpf aus. Es ist immer ein Erlebnis, wenn die Regentropfen vor meinen Augen von der Hutkrempe springen. Ich versuche, die guten Seiten vom schlechten Wetter zu sehen, anstatt mich darüber aufzuregen. Auch die bedrohlichen grauen Wolken hinter den Gipfelkühen haben eine Ästhetik. Alles Grüne wirkt nass noch grüner und der abgestorbene Nadelwald wirkt noch toter.
    3,5 Stunden hoch, 3 Stunden abwärts. Ganz ordentliche Zeiten für den ersten Tag. Ich bin zufrieden und die vorher gesagten Gewitter sind auch ausgeblieben.
    Kurz vor Maria Alm überhole ich ein heftig streitendes Pärchen. Allein zu reisen hat auch Vorteile, denke ich.
    Am Ortseingang stehen große bunte Edelstahlbuchstaben. Ich gönne mir ein großes Eis und besuche noch die Wallfahrtskirche, bevor ich diesen Tag im Hotel Niederreiter mit König Ludwig und Ramazzotti beende.
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  • Day 2

    Maria Alm Wallfahrtskirche

    August 22, 2021 in Austria ⋅ 🌧 19 °C

    Die Kirche liegt mitten im Ort auf dem Friedhof. Ich kaufe einen Eisbecher, suche mir eine Sitzbank in einer ruhigen Ecke zwischen den Gräbern und genieße die Aussicht auf die wolkenverhangenen Berge. Das Wallfahrts- nein, Walnusseis mit Sahne und Likör schmeckt nach dieser Wanderung einfach herrlich. Unverschämterweise ziehe ich auch noch die Wanderstiefel aus und lasse meine Merinowollsocken auslüften.
    Das wird ja wohl erlaubt sein.
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  • Day 3

    Von Maria Alm nach Saalfelden (Steinalm)

    August 23, 2021 in Austria ⋅ ⛅ 14 °C

    Nebenan schläft ein Elch.
    Auch der Elch schläft gerne bei offenem Fenster und sein Schnarchen dröhnt zu mir herüber. Der nächtliche prasselnde Regen verspricht ebenfalls keine Nachtruhe.
    Morgens um 9 Uhr starte ich die heutigen 12 Kilometer dann aber bei Sonnenschein. Mein Ziel ist erstmal die Steinalm auf 1268 m. Es sind 650 hm und ich sehe mich schon zum zweiten Frühstück oben, aber so einfach soll es nicht werden. Die Wege sind nass und rutschig, führen durch kalte Bergwälder und natürlich regnet es immer mal wieder.
    Schließlich stehe ich vor einer steil aufragenden Bergseite, dem Aufstieg zur Alm. Drei Wanderer kommen mir entgegen und berichten von einem Hangrutsch weiter oben, der den Wanderweg versperrt. Sie haben alles probiert, sind aber doch umgekehrt.
    Tja, gehe ich weiter hoch oder schließe ich mich den Umkehrern an?
    Ich war noch nie für's Aufgeben und etwas später stehe ich vor dem vier Meter breiten Graben, den der abgerutschte Hang hinterlassen hat. Von weit unten rufen die drei zu mir hoch. Ich winke zurück.
    Nach einiger Sucherei entdecke ich am Berghang ein paar Markierungen und angebrachte Sicherungsseile. Ich erahne den Verlauf des original Wanderpfades, der sich steil, schmal und ziemlich verwachsen an den Berg drückt. Den Abbruchgraben muss ich allerdings auch irgendwie überqueren.
    "OK, zieh die Schnürsenkel fest, nimm noch einen kräftigen Schluck und dann los!"
    Nach langer und schwieriger Kletterei bin ich wieder auf dem richtigen Pfad. Es geht teilweise fast senkrecht nach oben. Nicht umsonst wurden hier überall Sicherungsseile und Stahlbügel ins Gestein geschlagen. Irgendwo über mir höre ich Stimmen, aber noch bin ich nicht oben.
    Mein Glücksgefühl ist unbeschreiblich, als ich schließlich aus dem Wald heraus auf die im Sonnenlicht leuchtenden Almwiesen trete. Es ist halb zwei und ein schwieriger Anstieg liegt hinter mir, aber ich habe es gepackt! Ich habe den Weg verloren und wieder gefunden und vor mir liegt mein Ziel.
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  • Day 3

    Maria Alm bis Saalfelden (Einsiedelei)

    August 23, 2021 in Austria ⋅ ⛅ 16 °C

    Ich sitze lange Zeit auf der Steinalm und mache Pause.
    Von hier geht es 700 hm bergab.
    Diese fallen teilweise steil ab und es wimmelt vor Warnschildern mit dem Hinweis auf Absturzgefahr. Etwas Regen muss auch sein, sonst könnte es ja zu einfach werden. Ich erreiche die Einsiedelei am Palfen, eine in die Felswand gebaute Behausung mit Kapelle. Sie war eine historische Wachstation, von der aus Katastrophen wie Feuer im Tal entdeckt werden konnten. Das Läuten der Glocken arlamierte dann die Talbewohner. Natürlich war die biblische Familie immer mit im Spiel und so stehen auch heute noch mehrere ihrer Hauptdarsteller in den Felsen.
    Weiter geht's. Immer bergab, bis ich Saalfelden erreiche, wo ich kurz vor dem Hotel Hindenburg nochmal richtig nass werde. Irgendwie hätte diese Tour heute auch ein besseres Ende verdient.
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  • Day 4

    Saalfelden bis Fieberbrunn (Aufstieg)

    August 24, 2021 in Austria ⋅ ☁️ 11 °C

    Zugegeben, 19 Kilometer unter diesem grauen Himmel, bei diesem andauernden Regen und bei Temperaturen unter 12 °C können die Stimmung schon sehr tief in die dunkle Berghöhle ziehen. Tatsächlich frage ich mich für einen Moment, was ich hier überhaupt mache.
    Ach ja, da fällt es mir wieder ein.
    Vor mir liegen 900 hm hinauf auf den Hochkaser-Pass. Über diesen komme ich durch die Leoganger- und Loferer Steinberge auf die Tiroler Seite. Also hinein in den nassen Wald mit rutschigen Pfaden und knackigen Steigungen. Die herab stürzenden Gebirgsbäche sind übervoll und überfluten die Wanderwege. An einer Stelle ragen nur noch Steine aus dem Wasser. Kirsten und Rob aus Den Haag in Holland, 2 von den gestrigen Umkehrern, sind gerade dabei, den Bach barfuß zu durchqueren.
    Sie sind schon drüben und obwohl wir nur
    5 Meter voneinander entfernt sind, verstehen wir kein Wort des anderen, so laut rauscht das Wasser. Ich bitte Sie per Handzeichen, mich zu fotografieren, hänge mir die Stiefel um den Hals und gehe über's Wasser.
    Rob dreht gleich ein Video.
    Sie erzählen mir, dass ihre gestrige alternative Route auch nicht gerade einfach war.
    Da sie langsamer als ich unterwegs sind, trennen wir uns wieder.
    Bis zum Pass sind noch viele Bäche zu überwinden. Bitte, ihr lieben wasserdichten Schuhe, lasst mich heute nicht im Stich.
    Wasser von oben, Wasser von unten und mein Shirt unter der Regenjacke ist auch schon lange nicht mehr trocken.
    Nach 3,5 Stunden komme ich oben an, wenig später auch die beiden Holländer.
    Wir sitzen in den Wolken unter dem spärlichen Vordach der unbewirtschafteten Hochkaseralm und schwärmen von dem guten Hotel der letzten Nacht. Das Wetter ist ungemütlich. Es ist kalt und der Regen fällt in Strömen. Vor uns dampfen die Haufen der Kuhkacke und hinter uns hängt etwas weiter oben ein INRI am Kreuz.
    Während ich von einer heißen Gulaschsuppe träume, esse ich einen Hanuta-Riegel und den kleinen Apfel, den ich heute Morgen vom Buffet mitgenommen habe.
    Was für eine Mittagspause auf 1499 m Höhe!
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  • Day 4

    Saalfelden bis Fieberbrunn (Abstieg)

    August 24, 2021 in Austria ⋅ ☁️ 8 °C

    Es ist erstaunlich, wieviel poetische Grautöne der Himmel zaubern kann. Als ich vom Hochkaser wieder aufbreche, legt er nochmal einen Schleier über den anderen. Ich mache ein Foto. Dieses Bergpassgrau hat gute Chancen, die zukünftige Wandfarbe für mein neu zu gestaltendes Schlafzimmer zu werden. Über Almwiesen und Serpentinen am Waldhang geht es wieder abwärts.
    Der Regen begleitet mich, sonst treffe ich außer ein paar Kühen niemanden mehr. Allerdings fühle ich mich auf einem einsamen Bergpass längst nicht so allein wie in einer überfüllten Lobby, welche ich abends im Sporthotel Fontana in Fieberbrunn erlebe.
    Auch diese Reise erweist sich wieder als sehr kontrastreich.
    Muss eigentlich auf jeder Tour die gesamte Bandbreite der Gefühle abgerufen werden? Von tief deprimierend bis unbeschreiblich glücklich?
    Ja, so muss es wohl sein.
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  • Day 5

    Fieberbrunn bis Hinterglemm. Bernkogel

    August 25, 2021 in Austria ⋅ ⛅ 12 °C

    Schuhe, Jacke, Shirt und Unterhose.
    Heute morgen ist alles gewaschen und getrocknet.
    Kurz nach meinem Start in die heutigen 20 Kilometer reißt die Bewölkung auf und das Wasser der Gebirgsbäche glitzert im Gegenlicht. Heute will ich 2 Gipfel ersteigen, die nebeneinander liegenden Bernkogel und Reiterkogel.
    Nach einem sanften Anstieg erreiche ich nach 3 Stunden erstmal die Burgeralm. Im Gartencafé sehe ich nun zum vierten Mal eine Frau in meinem Alter, die auch alleine diese Wandertour läuft. Ich finde, es ist Zeit, dass wir unsere Namen erfahren. Sie sitzt im Schatten und ich schlage vor, uns einen Sonnenplatz zu suchen. Sie hat den schönen Namen Gabriela Theodora, der unweigerlich dazu führte, dass sie schlicht Gaby genannt wird, was wiederum dazu führt, dass sie mich Ronny nennt. Gaby kommt aus Landshut bei München und während unserer Unterhaltung erfahren wir erstaunlich viel voneinander. Das Kommunikationsverhalten von Alleinreisenden ist einfach anders als das von Paaren. Ich will weiter, bedanke mich für die nette Pause, bezahle unsere Getränke und merke sofort den Rückenwind, den mir dieses gute Gespräch mit gibt.
    Dieser ist bei dem folgenden Anstieg auch nötig. Die endlosen Trampelpfade führen quer über Kuhweiden und am Bernkogel bekommt das Wort bergauf nochmal eine gesteigerte Bedeutung. Am Gipfelkreuz wurde gespart. Stattdessen steht dort nur eine Bank.
    Mein Hut auf dem Foto wird mich später daran erinnern, dass ich oben war.
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