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  • Day 10

    Weltmeister muss man sich verdienen

    July 16, 2023 in Brazil ⋅ ⛅ 26 °C

    Voller Vorfreude die neu erkorenen Junioren Weltmeister zu treffen, fuhr ich am Samstag um 15:30 Uhr (🇨🇭Zeit) an den Flughafen. Das Einchecken ging rasant schnell. Nichts Schlimmes ahnend machte ich mich auf den Weg durch die Sicherheitskontrolle und anschliessend in Richtung Gate. Glücklich, dass der Start der Reise so glimpflich verlief, kaufte ich mir einen Kaffe und eine Brezel und telefonierte mit meinen Eltern.

    Eine halbe Stunde vor Boarding (ca. 17 Uhr) beendete ich das Telefonat, um die Lage abzuchecken. Wahrscheinlich vermutete ich das kommende Desaster bereits im Unterbewusstsein. Unterdessen haben Marvin, Thomas, Emilia und die Organisatoren des Turniers für mich abgeklärt, welche Nationen auf dem selben Flieger sein werden und Fotos von mir verschickt, damit diese wissen, dass ich auch mit dem offiziellen Bus nach Para Minas fahre.

    Ich trat vor die Abflugsbildschirme und suchte meinen Flug nach Frankfurt. CANCELLED! Annuliert, also wie annuliert? Achja ICH reise ja, da läuft ja immer etwas schief. Na gut, dann suche ich eben den Transferschalter. Logischerweise war ich nicht alleine. Mit geschätzt 50 Leuten, stellte ich mich in die Reihe. Immer mehr genervte Passagiere traten dazu. Ich blieb (noch) ruhig, denn das war bei mir ja nicht das erste Mal. Während 3 Stunden anstehen, zwischendurch musste ich mich auf den Boden setzen, lernte ich einige Geschichten der anderen kennen. Irgendwann kam auch ich an die Reihe und mit grossem Erstauenen hatte es noch einen Platz für mich um 22:40 Uhr auf dem Direktflug nach Sao Paulo.
    Thomas, Marvin und Emilia organisierten mir einen anderen Transfer und informierten andere Nationen darüber, dass ich dann auch im Bus mitfahre.

    Als wir endlich alle im Flieger sassen, zogen Draussen Unwetter auf. Das Bodenpersonal musste seine Beladungsarbeit einstellen und wir eine Stunde warten, bis das Gewitter vorbeizog und alles eingeladen werden konnte. Das Personal begann nervös Wasserflaschen zu verteilen und ich realisierte, dass es die Möglichkeit geben könnte, dass wir gar nicht mehr starten dürfen. Was ja bei meinem Glück durchaus im Bereich der Möglichkeit läge. Um 23:50 Uhr konnten wir tatsächlich starten! Jetzt konnte es nur noch gut gehen.

    Am nächsten Morgen um 6:30 Uhr landeten wir mit einer Stunde Verspätung in Sao Paulo. Wider erwarten musste ich durch die Passkontrolle (30min anstehen), mein Gepäck abholen (10 min warten) und wieder einchecken. Wie immer musste ich an der Kontrolle zig Fragen beanworten und auch mein Gepäck war nicht auffindbar. Glücklicherweise haben sie es auf irgendeinem Haufen gefunden. Dann musste ich noch das Terminal wechseln = 15 min mit Gepäck quer durch den Flughafen sprinten. Schweiss gebadet, tod müde und langsam echt genervt (da ich von Schalter zu Schalter geschickt wurde) landete ich vor dem wohl einzigen Mitarbeiter, welcher Englisch sprach. "Sie können nicht mehr einchecken, aber wenn sie sich beeilen können sie vielleicht mit Gepäck ins Flugzeug. Aber sie müssen sich schon ein bisschen beeilen." Die Schlange an der Sicherheitskontrolle ist riesig. Auf Portugiesisch erhielt ich einen Anschiss, warum ich so spät sei und ich vergessen könne, dass ich noch einsteigen kann. So viel Portugiesisch verstand ich gerade noch. Durchnässt vor Schweiss bemerkte ich, dass mein Puls rast und ich realisierte allmälich, dass das mit dem Flug nach Belo Horizonte vorerst nichts mehr wird. Völlig frustriert landete ich in Tränen ausgebrochen wieder vor dem jungen Mann der mich ins Swiss Büro schickte. Mit 10 weiteren Transfer-Gescheiterten sass ich vor dem Büro am Boden und tauschte meine Reisegschichte mit anderen aus. Nach 1h erhielt ich ein Flugticket für den Flug um 11:35 Uhr.

    Das Anstehen ging wieder von vorne los. Schnell aufs WC und dann den Checkin Schalter suchen. Etwas Essen kann ich dann beim Gate, dachte ich. Mit rund 15 Leuten stellte ich mich in die nächste Schlange und kam schnell wieder ins Gespräch. Die ersten Portugiesen wetterten nach 30min Wartezeit schon ziemlich. Nach 1.5 h warten, ohne dass es auch nur ein bisschen vorwärts ging, hatte ich volles Verständnis für die Reklamationen und warf noch einige schweizerischen Fluchwörter hinterher. Nach geschlagenen 2 Stunden, durfte ich an einen Schalter. Englisch konnte die Dame nicht, also wartete ich einfach. Nach nur 20min hatte ich eine neue Boardkarte in der Hand. Per Telefonübersetzer teilte sie mir mit, dass ich das Gepäck auf der anderen Seite abgeben müsse. Ich regte mich nicht einmal auf, das war mir und einer Bernerin schon beim Anstehen aus Witz in den Sinn gekommen. Ich warf der Bernerin ein «wir habens ja geahnt« Blick zu und stand auf der gegenüberliegenden Seite nochmals 40 min an, um mein Gepäck abzugeben.

    So jetzt bleiben noch 20 min bis zum Boarding. Wie das ganze Prozedere vorhin in 20 min hätte klappen sollte, weiss auch keiner. Ich rannte erneut von der Gepäckabgabe zur Sicherheitskontrolle. Gott sei dank, sind sie hier nicht kompliziert. Anstehen musste ich trotzdem 20 Minuten. Ohne weitere Turbulenzen liessen sie mich durch. 11:50 Uhr es ist Zeit zu boarden. Ich starre auf den Bildschirm - Belo Horizonte - boarding - Gate 201. Ich rannte so schnell ich konnte. Vielleicht kann ich noch was kleines zu Essen am Gate kaufen. Angekommen am Gate hatte es nicht die erwartete Menge an Leute. Ich fragte beim Personal nach und zeige auf die Boardkarte. Aqui nao, meinte der Mann. Sh.. Wie kann man zweimal einen Flug verpassen. Ich ging zurück zum Bildschirm. Gate 259!!! Waaas? Ich rannte ca. 8 min wieder in die andere Richtung. Mir entgegen rannte ein Inder, welche bei Nestle in Bern arbeitet und mit mir vor dem Swiss Büro gewartet hatte. 259 war natürlich eines der hintersten Gates. «Mrs Jennifer Kobelt from Switzerland please come immeditely to Gate 259« Typisch, dachte ich nur und rannte weiter.
    Als ich im Flieger sass, schlief ich direkt ein. Als ich kurz erwachte, fragte ich mich, ob wir gerade starten oder landen. Ich seh das Chipstütchen in meiner Sitztasche und wurde von den Bremsen in den Gurt gedrückt. Na bravo, den Snack und etwas zu trinken habe ich auch verpasst. Wann habe ich das letzte Mal etwas gegessen und getrunken? War das wirklich um 4:00 Uhr im letzten Flieger? An der Gepäckausgabe sichtete ich Team Korea. Ich versuchte Sichtkontakt herzlstellen, um mich bemerkbar zu machen, doch sie waren damit beschäftigt alle Koffer zu ergattern. Der letzte Koffer auf dem Band war eine Victortasche eines Koreaners. Danach stellte das Band ab. Bravo, wo ist mein Rucksack? Die Koreaner sind weg. Ich schreibe schnell Thomas, dass mein Gepäck nicht da ist und stürme dann zu einer Mitarbeiterin. Ungläubig schaut sie mich an, als ich nach jemandem frage, der Englisch spricht und ich ihr versichere, dass ich kein Portugiesisch kann. Sie merkt, dass ich nicht sehr entspannt bin und holt sofort einen jungen Mann. Er kümmerte sich direkt um das Fehlen meines Gepäcks und findet meinen 10kg Rucksack bei den Übergrossengepäckstücken auf dem Sondergepäckhaufen. Überglücklich schnappte ich den Rucksack und rannte raus mit der Angst, dass der Bus nun schon weg ist. Ein Brasilianer erkannte mein Schweizer Fussballshirt direkt und fing mich ab. In Gebärden erklärte er mir etwa von, sie warten schon lange, super dass ich da bin und das Gepäck gefunden habe. Er bringt mich zum Turnierbus, wo Finja aus Deutschland, welche eigentlich ursprünglich im selben Flieger von Frankfurt sein sollte, und das Team Korea auf mich warten.

    Nach 2h durchschütteln stoppte der Busfahrer in der Innenstadt. Eine Schiebetür führte mich ins Innern eines dunklen Treppenhauses. Ob ich hier wohl richtig bin? An der Rezeption zeigt ich mit Fingern die Zahl 44 und direkt erhielt ich den Schlüssel. Irgendwie sah das Hotel aus wie eine Mischung aus Jugendherberge und Gefängnis... wenn ich jetzt nicht im richtigen Hotel bin!? Im Zimmer fand ich dann Thomas Sachen und nach einer lauwarmen Dusche holte er mich auch schon ab. In der Halle traff ich dann endlich auf die beiden Weltmeister Marvin und Zeno, auf Danny, Daniel und Emilia.

    Was für eine Reise! Einziger Trost, ich darf am Abend gegen Seriensieger Zeno antretten im Tutto. Ich werde keine Chance haben, aber wir können schon Spielen, meinte er. Als mir dann das mathematisch unmögliche Tutto gelang und es Zeno dafür 1000 Punkte abzog, war er nicht mehr so vorfreudig. Schlussendlich gewann ich deutlich und freute mich sehr über den Sieg gegen einen Weltmeister!
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