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  • Day 2

    ÜBER DIJON NACH LAYS-SUR-LE-DOUBS

    July 15, 2023 in France ⋅ ☁️ 25 °C

    Glück und Unglück liegen immer ganz nahe beieinander!

    Dieser Tag startet doch recht früh: Für Erik sogar etwas zu früh. Die erste Erkenntnis des Urlaubs trifft uns entsprechend auch sehr früh. Wenn Erik im wahren Leben (denn Urlaub ist eine Art Leben außerhalb des Lebens) 2-3 Stunden mehr Schlaf als wir selbst braucht, dann funktioniert es nie ohne diese, und auch nicht im Urlaub. Und das, obwohl Urlaub so einige Gesetzmäßigkeiten einfach so aushebelt: Mehr als ein Eis pro Tag? Kein Problem im Urlaub! Fußball vergessen? Unterwegs finden wir bestimmt einen Decathlon!

    Die Erkenntnis trifft uns brachial und mitleidslos. Erik wird den ganzen Tag unterschlafen von einer überreizten Stimmung in eine manische wechseln. Vor und zurück und vielleicht nutzt er seinen rastlosen Verstand, um sich eine witzige Geschichte auszudenken. Aber auf jeden Fall werden wir auch alles, was wir von ihm bewerkstelligt haben wollen, 8 – 15 Mal an adressieren müssen. Egal, heute Abend sind wir Gewinner, legen ihn um acht schlafen und ernten morgen die Früchte unserer elterlichen Disziplin. (Soviel vorab: 21:35 ist das neue 20:00 Uhr.)

    Dennoch hat der Tag viel zu bieten. So ein kleiner Bummel bei Decathlon löst bei Jüngern körperlicher Ertüchtigung große Verzückung aus. Ein bisschen wie Weihnachten, nur, dass man sich selbst aussuchen kann, was man geschenkt bekommt. „Geschenkt“ bekommt David eine 7,5 kg Monster-Hantel, denn das selbsterfassende Kassensystem hat heute seinen schlunzigen Tag.

    Ausflugsziel auf dem Weg zum ersten Campingplatz ist Dijon. Da Senf einen essenziellen Beitrag zu meiner Ernährung leistet, frohlocke ich bereits ob paradiesischem Angebot der leckeren Grundzutat. In Dijon nutzen wir einen durch Park4night angepriesenen Parkplatz etwas außerhalb. Außerhalb bedeutet, David vermutet einen sozialen Brennpunkt, einen wütenden Mob, der den Wohnwagen anzündet und einen Schurken, der sein an den Thule-Träger geschmiedetes Fahrrad klaut.

    Vermutlich schwingen diese trüben Gedanken während des Ausflugs immer wieder durch seinen rastlosen Geist, wir nehmen aber dennoch die Straßenbahn (bezahlbarer öffentlicher Nahverkehr – wir staunen wie schwachsinnige Touristen) ins Zentrum. Dort schlendern wir weiterhin staunend durch die Altstadt. So viele hübsche kleine Geschäfte, viele davon bieten zuckriges an. Wir gönnen uns ein gefülltes Croissant (zu süß) und besuchen die Cathédrale Saint-Bénigne de Dijon. Nicht nur, dass es sich dabei um eine hinreißend instand gehaltene frühmittelalterliche Kirche handelt, es findet just, als wir den Innenraum betreten, auch ein Gottesdienst statt. Darüber hinaus wird dieser wundervoll von einer Sängerin begleitet, die reuelos den restlichen Vortragenden die Show stiehlt. Fast überirdische Töne füllen den Raum und Beiwohnende (die, die nicht so heidnisch wie wir unterwegs sind) begleiteten den Gesang als voluminöser Chor. Sehr ergreifend, sehr ätherisch.

    Auch die Kirche gleich gegenüber vermag uns zu überraschen: Église Saint-Philibert ist innen fast komplett entkernt, viele der Gewölbebögen durch kunstvolle Holzunterbauten abgestützt. Der Boden festgetrampelter Schutt. Genutzt wird der große Raum als Galerie. Thema der Fotoausstellung sind verlassene Orte, was sich perfekt mit der ungewöhnlichen Atmosphäre der ausgehöhlten Kirche verbindet.

    Als dunkle Wolken den angekündigten Regen für Nachmittag und Abend noch glaubhafter machen als der recht üble Wetterbericht, bekommen wir es dann doch eilig. Hotel Dieu und der Herzogen-Palast erhalten von uns nicht die gebührende Aufmerksamkeit. Schnell soll es wieder zurück zum hoffentlich nicht abgebrannten Gespann gehen. Der Regen setzt heftig ein, als uns wir erneut in der Straßenbahn befinden, und hört pünktlich auf, als wir unsere Haltestelle erreichen. Die 12 Minuten Fahrtzeit haben allerdings gereicht, um so viel Wasser aus den Himmelsschleußen zu lassen, dass Teile der Straßen etwa einen halben Meter unter Wasser stehen. Glücklicherweise nicht Teile, die wir queren wollen. Zur großen Faszination Eriks versucht ein Golf sein Glück und bleibt 10 Meter nach Überwinden der Monsterpfütze (Mini-See?) einfach stehen. Wasser quillt aus der Tür. Das beschäftigt Erik für den Rest der Fahrt.

    Wir setzten leicht erschüttert unseren Weg fort, sehr froh, dem Ganzen so einfach entkommen zu sein. Aber auf uns warten auch noch riesige Wassermassen. Etwa vierzig Minuten später sehen wir ein, dass unsere Zielregion genau unter diesem verdammt düsteren und regelmäßig Blitze hervorbringenden Starkregenfeld liegt. Also rein da! Was wohl passiert, wenn man auf diesem freien Feld im Auto sitzend von einem Blitz getroffen wird? Erik bleibt gelassen: Wir haben doch Gummi-Räder!

    Ohne Blitzschlag erreichen wir den Campingplatz im zweiten Versuch (kleiner Umweg, denn ich habe die falsche Adresse im Kalender eingetragen, glücklicherweise nur zehn Minuten). Ankommen im Platzregen ist wenig spaßig. Noch weniger spaßig, wenn man die Küche vom Campingplatz etwa drei Minuten nach ihrer Schließung erreicht. Die Laune lässt sich aber mit Hafer-und-Reis-Porridge retten, das ultimative Gericht für verregnete Gemüter. Mit Apfelmus und Quark. Abend gerettet. Tag trotzdem schön!

    Mir fällt auch erst viel später auf, dass überhaupt niemand mir Senf verkaufen wollte.
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