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  • Day 34

    Das Meer

    January 11 in Portugal ⋅ ☀️ 12 °C

    Wir durchqueren Santiago de Compostela an einem weiteren Regentag. Dunkle Wolken liegen über der Stadt, während ich den Ausgang Richtung Portugal suche, denn ich möchte ein Stückchen von diesem Camino fahren, der in Porto startet und über zwei Routen, die sich in Spanien zu einem Stück vereinen, auf dem wir dann aus der Stadt des Heiligen herausfahren.

    Alte Kirchen fallen mir gleich auf, düsteres Mittelalter, wie jemand mir schreibt. Viele Häuser, an denen der Regen der Zeit gearbeitet hat, denn sie wirken nass, düster und mit einer Art Grünspan überzogen, der im besten Fall eine Unkrautwiese auf dem Balkon bilden.

    Durchaus ist es möglich, dem Landstrich Reize in Details abzugewinnen, die ins Auge springen, wenn man genauer hinsieht. Und tatsächlich zählt Caldas de Reis zu einer der schönsten Orte auf dem Weg. Doch kaum kommen wir aus dem Tal wieder hinauf in die Höhen, liegt Nebel über dem Land und so eine Art blauer Dunst wie von Abgasen, den ich nicht in der Lage bin zu fotografieren, so dünnhäutig präsentiert er sich, dass ich fast glaube, einer optischen Täuschung zu unterliegen. Wenn nicht dieser unangenehme Geruch gewesen wäre.

    In Barosa beende ich diesen Ausflug in die Vergangenheit, weil dann der Regen das Land überströmt und 24 Stunden in seiner Hand hält. Pontevedra, die schlafende Frau in Redondela, Vigo mit seinen Hafenbildern. Auf der Stellplatzsuche stosse ich in Abgründe, von denen ich vorher mich nicht mal zu träumen gewagt hätte. Mit schwarzen Mauern und Stacheldraht oben drauf erinnert der Platz in Vigo an einen Knast in Deutschland oder einen Friedhof für Schwerverbrecher in düsteren Zeiten.

    Jetzt weiß ich, warum in Bewertungen oft der Punkt Sicherheit so eine große Rolle spielt. So ein Platz macht ja eigentlich nur Angst gegen eine böse Welt, die um uns herum lauert. Die Pilger durchqueren Vigo schutzlos, der Regen prasselt dermaßen auf sie ein, dass es mir schleierhaft ist, wohin die Drei noch wollen, die am Nachmittag die Stadt verlassen und ein regenschweres Waldstück betreten.

    Das ist auch mein Weg auf den hohen Berg über der Stadt, wo Oskar den schönsten Platz ever betreuen soll, der nur fünf Euro mit Strom kostet. Der Navi spinnt, die Straße neigt sich so steil nach oben, dass ich Angst bekomme, der blaue Bus könnte nach hinten überlappen. Schlimmer noch sind die Haarnadelkurven, die ebenso steil sind, sodass ich jedesmal neu anfahren muss. Und was nach oben führt, hat auch einen ebenso steilen Weg bergab, der durch einen kilometerlangen Schrottplatz führt.

    Google Maps kennt scheinbar keine Gnade. Du willst das Land sehen, also zeige ich es dir. Damit du es nie mehr vergisst. Auch in Deutschland liegen Schrottplätze nicht in den feinsten Gegenden, und manchmal haben sie eine düstere Stimmung. Aber hier ist der Abgrund tiefer, weil sie umgeben sind von Häusern mit Blumen und Gärten voller Leben. Und es ist kein Arbeitsplatz, zu dem man hinfährt, dort wohnt, isst, trinkt und schläft man.

    Ich mache keine Bilder von solchen Orten, aber die bunten Farben eines Karussells springen mir ins Auge, sodass ich erst an das Winterquartier eines kleinen Zirkus denke, bevor mir bewußt wird, wo ich bin. Irgendwann steigt der nächste Berg in den Nebel hinein, rechts der Straße erscheint ein meterhohes Gitter, hinter dem Oskar's Stellplatz im Sumpf versunken ist. Fünf, sechs spanische Camper sind vermutlich im Trockenen gelandet und harren jetzt in ihren Fahrzeugen aus, bis die Flut wieder zurück gegangen ist. Knöcheltiefer Regenlehmmatsch und ja, mit viel Phantasie lässt sich auch jetzt noch der Charme des Ortes erahnen, doch den Blick übers Land verhindert der Nebel. Mühevoll versuche ich so leichtfüßig wie möglich auf dem Kiesweg zu drehen, auf dem sich auch schon Pfützen ausbreiten, um den Platz zu verlassen.

    Letztendlich landen wir zum Abend hin in Gaoin nahe der Brücke über den Grenzfluss nach Portugal. Auch hier am Hang stehen die Wiesen unter Wasser und auf der Parkplatzstrasse von der Kirche hinunter ins Tal fließt das Wasser über die Schuhe, während der nächste heftige Schauer über uns hinweg geht.

    Nicht immer kann Hilde den rechten Moment abwarten, aber unter den Bäumen riecht es gut, und wir haben ein wenig Schutz. Der Platz ist sauber und gepflegt, auch wenn er fast zu allen Seiten hin offen ist, sodass ich mir sicher bin, auch alleine hier zu übernachten. Tatsächlich parken aber ein Engländer und ein Spanier neben uns, die am nächsten Morgen früh weiterfahren.

    Nach der Brücke sind wir in Portugal und unser erster Weg führt uns ans Meer. Der Strand von Afife ist menschenleer, ein ziemlich starker Wind und ein Getöse brechender Wellen erwartet uns. Hilde kann es fast nicht abwarten, endlich auf den Strand zu stürmen, als habe sie wochenlang auf nichts anderes gewartet. Angesichts der Temperaturen, die noch deutlich im einstelligen Bereich liegen, hätte ich das mit viel weniger Aufwand auch in Frankreich oder Deutschland finden können, was mir nochmal bestätigt, dass die Iberische Halbinsel nur für die Menschen einen Sinn macht, die Hitze kombiniert mit Menschenansammlungen, bei denen es immer auch freilaufende Hunde gibt, lieben.

    Zu diesen Kategorien gehören wir nicht, uns geht es am liebsten um den Strand für uns alleine, zumindest eine halbe Stunde lang. Denn dann ist Hilde platt, und wir keuchen zurück zum blauen Bus. Und ja, Meer ist nicht überall gleich, diese brutale Kraft des Atlantiks sticht natürlich die stille Ostsee aus, in die Hilde hineinlaufen kann. Aber hier wie dort geht es für uns ums Feeling und das ist gut!

    Der Küstenpilgerweg führt unterhalb des Parkplatzes über Kopfsteinpflaster. Dort treffen wir ein junges Ehepaar aus Australien, das den Kinderwagen mit dem 14 Monate alten Jungen schiebt, der mich mißmutig anschaut, weil er Hunger hat. Sie gehen den Jakobsweg auf ihre Art, die Tragegurte mit dem Baby haben dem Vater gestern ein wenig den Rücken verbogen, sodass heute die Buggyvariante greift.

    Zwei Strände heute und vor dem Stellplatz in Esposende noch ein Spaziergang am Observatorium. Eine ruhige Nacht, in der die Temperatur von 13 auf 3 fällt, um am nächsten Tag im Sonnenschein wieder hoch zu klettern. Wieder zwei Strände und nette Menschen getroffen. Dann ist es schnell sehr heiß im Bus und wir müssen nach einem Schlafplatz schauen.
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