• Leipzig

    Apr 5–6 in Germany ⋅ ☁️ 10 °C

    3.204 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 244 km/ Gesamt 388.892 km / Ø121,37 km)

    Caravaningplatz am Elsterstausee
    Leipzig
    Deutschland

    Fünf Uhr morgens fällt mir nicht mehr schwer, auch wenn ich mir noch eine halbe Stunde Heizung gönne, weil die Temperatur wieder auf ein einziges Grad Celsius gefallen ist. Und gestern ist es spät geworden. Mit der Ankunft, dem Abendessen und den Bildern des Tages, den Gedanken über den Tod eines Freundes, und über meinen Sohn, mit dem ich einen letzten, intensiv schönen Tag verbringen durfte.

    Letzte Tage. Auch wenn wir ja nur in Deutschland reisen, ist es doch immer weit weg. Das ist keine Erkenntnis des Älterwerdens, dazu brauchst du nicht tatsächlich alt zu sein. So werden aus den einzelnen Momenten der Gemeinsamkeiten kleine Blüten der Ewigkeit.

    Wir holen nochmal den Enkelzwerg zusammen von der Tagesmutter ab. Drei Generationen, ein Name, ein Bogen des Lebens über den Elementen der Zeit. Und dazwischen die kleine Hilde, die uns auf besondere Weise nochmal miteinander verbindet. Dann verabschieden wir beide uns voneinander, sie gehen zu ihrem Erdbeerkuchen, den mein Sohn mittags vorbereitet hat, während Hilde und ich durch die Stadt fahren, in der sich die Fahrzeuge im Feierabendverkehr stauen.

    Die Sonne scheint, bisher waren alle ärztlichen Befunde von mir gut, im Mai müssen wir zur Tierärztin außerhalb von Berlin. Der Jahrescheck, die Impfungen, Tabletten gegen Zecken und Würmer, das Abtasten des Körpers auf Veränderungen. Auch Hilde wird älter, und muss sich erst wieder auf die neue Situation einstellen. Nach all den vielen Aktivitäten und nahen menschlichen Begegnungen ist auch ihr Bedarf erstmal gedeckt, sodass jeder Hund in der Nähe vom Bus gnadenlos runtergebellt wird.

    Wir müssen zu unserer Ruhe zurückkommen, eine Lebensgrundlage des eigenen, des gemeinsamen Reisegefühls. Das ist immer wieder unsere Zielvorgabe. Heute noch ein Termin im Harz, am Nachmittag sind wir in Leipzig verabredet, treffen nette Menschen, werden reich beschenkt, bleiben dort eine Nacht, während die Temperatur erneut deutlich absinkt.

    Aber die Sonne scheint durch die alten Baumstämme und wärmt die Nachtluft auf. Wir machen einen Spaziergang, die Luft riecht nach Bärlauch, und an den Wegen wird darauf hingewiesen, dass hier Schafe entlang laufen könnten. Der See ist ausgetrocknet und wild bewachsen, die Weisse Elster quert ihn unterhalb des Platzes, wo wir gestern spazieren gegangen sind. Drei Männer und eine Hündin.

    Während ich anfange, wieder Musik zu hören, suche ich meine Worte. Es gibt immer etwas, das mir fehlt, was verloren gegangen scheint, wir wieder finden sollten. Ein Blick aus dem Fenster, die ersten Vogelstimmen, ein Sonnenstrahl, der ins knisternde Laub des letzten Herbst fällt, das der Wind aufwirbelt.

    Mein Blick folgt den Bewegungen der Vögel, während Hilde schläft, und ich mich wieder erschöpft und müde fühle. Gestern auf der Autobahn habe ich zweimal angehalten, um kurzzeitig vollkommen wegzusacken, während die Sonne durchs Fenster knallt. Am Ende war die Verkettung der Aufgaben doch viel mehr als ich geglaubt habe, irgendwann ist mir der Überblick verloren gegangen, und plötzlich bricht Stress aus.

    Jetzt beginne ich, mich wieder zu sammeln, was mich erneut sehr müde macht. Werde wie Hilde, deren Schlafpausen auch immer länger und intensiver sind. Und nachdenklicher. Nachts in den Träumen und während des Tages. Ich behaupte, dass das 75. Lebensjahr einen deutlichen Schnitt zwischen vorher und danach setzt, der sich jetzt schon anzudeuten scheint. Eine gravierende Veränderung nicht nur äußerlich, vielleicht sogar von tief innen beginnend, sich durch die Zwiebelschichten des Lebens und meiner eigenen Vergangenheit hindurch arbeitet.

    Wir sprechen übers Reisen, unsere Pläne für dieses Jahr, dass England mit seiner linken Herausforderung vielleicht noch in einem Jahr möglich ist, mir die Umstellung deutlich schwerer fallen könnte, wenn ich zu lange warte.

    Aber in diesem Jahr soll es noch andere Ziele geben, weite Wege vielleicht, dafür spare ich gerade an den kurzen Entfernungen in Deutschland bis Ende Mai.
    Thomas bewegt sich um die Seen mit seinem Rad, bevor er mit dem Auto in die Rhön fahren will. Wir bleiben bis zum Nachmittag am Ort und fahren weiter nach Schmölln, um dort eine Freundin zu treffen, der wir länger nicht begegnet sind.
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