• Regen am Morgen

    23–24 Apr, Perancis ⋅ 🌧 11 °C

    3.222 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 77 km/ Gesamt 391.386 km / Ø121,47 km)

    Wohnmobilstellplatz (frei)
    Cauville-sur-Mer
    Frankreich

    Es gibt lauten und leisen Regen, der dich glauben lassen könnte, dass es ihn gar nicht gibt. Als ich um 4.48 Uhr aufwache, pochen die Tropfen getrieben vom Wind gegen die Fensterscheiben und aufs Dach. Vom Gefühl her hat es gerade angefangen zu regnen, und ich könnte mich eigentlich gleich nochmal schlafen legen. Aber ich möchte heute vor den Schulkindern weg sein, deren morgendliche Unruhe mir einfach zu viel ist.

    Als ich dann hinterm Lenker sitze, ist es noch nicht einmal sechs Uhr und schwarze Nacht, ein paar wenige Fahrzeuge sind unterwegs und haben es eilig, uns zu überholen. Gestern haben wir einen kleinen Rastplatz an der Straße gefunden, der unser erstes Ziel ist, weil Hilde dort entspannt spazieren gehen kann. Hier fahren wenig Autos entlang, es gibt gegenüber nur eine Lagerhalle, und der Regen tropft unregelmäßig von den Bäumen.

    Gestern sind wir hier einem finnischen Ehepaar in meinem Alter begegnet, die in einem VW Bus reisen und nur rudimentär englisch sprechen. Das klingt nach einem interessanten Abenteuer, ich rate ihnen ab, am Nachmittag noch nach Étretat zu fahren, weil es schon Stunden vorher völlig überlaufen war, sodass wir nur durchgefahren sind. Die Highlights findest du im Internet, darauf kann ich jetzt ruhig verzichten, denn auch die anderen Orte an der Küste haben ihre Reize.

    Der Reisetag beginnt großartig am Plage Saint-Jouin. Wir haben Ebbe und so liegt wenigstens ein schmaler Sandstrand unterhalb der durchgängigen Steinwüste frei, auf dem Hilde laufen kann, und ich nicht befürchten muss, ständig zu stolpern.

    Frei laufen. Du siehst die Begeisterung in Hilde's Gesicht, die mit der Nase am Boden über den Strand schlängelt, der voller Gerüche ist. Gut, denke ich mir, das mit den Steinen ist zwar blöd, aber ein, zwei Strandbesuche pro Tag dürften schon drin sein. Da waren wir noch nicht in Étretat gewesen.

    Die Bauweise der Häuser und Kirchen fasziniert mich. Steine und Farbmuster, die eher unregelmäßig sind, aber dennoch ein gewolltes System beinhalten. Mir fehlt der Sachverstand, um es besser auszudrücken, aber sie gehören in diese Welt von Gelb, Grün und Blau.

    Als wir über die schmale Straße den ersten Ort durchqueren, hat linker Hand ein Radfahrer sein Gerät auf den Kopf gestellt, um seinen Reifen zu flicken. Ein Niederländer auf den Weg nach Montpellier, um eine Hochzeit zu feiern, und weiter nach Istanbul zu fahren. Ein halbes Jahr habe er Zeit, schon jetzt wirkt er ruhig und ausgeglichen.

    Die letzte Nacht habe er am Mémorial übernachtet, ein schöner Ort hoch über dem Atlantik. "Erleben Sie das große Buch unter freiem Himmel über eine der kühnsten alliierten Operationen des Zweiten Weltkriegs. Das Mémorial de Bruneval befindet sich genau an der Stelle, an der eine der Episoden der Operation Biting (27. und 28. Februar 1942) stattfand: der Angriff auf die deutschen Verteidigungsanlagen, die den Zugang zum Strand versperrten. General de Gaulle weihte am 30. März 1947 ein erstes Denkmal ein. Die Anlage wurde 1975 neu gestaltet und zwei Jahre später durch die Charles-de-Gaulle-Treppe ergänzt. Im Juni 2012 wurde das Denkmal von Kenneth Holden, einem der letzten Veteranen des Überfalls, eingeweiht."

    https://de.normandie-tourisme.fr/sehenswuerdigk…

    Über kleine Landstraße, auf denen vor Radonneurs und Fahrrädern gewarnt wird, dass man doch Abstand halten solle, kommen wir zu einem alten Schloß, hinter einem rostigen Gitter, in dessen Schatten wir ein kleines Schläfchen am Straßenrand machen.

    Durch Étretat hindurch folgen wir einer kleinen Straße, die sich oberhalb vom Meer entlangschlängelt. Hier gibt es einen Landwirt, auf dessen Freifläche Camper kostenlos übernachten können sollen. Da aber das Gelände verwaist zu sein scheint, unternehme ich keine weiteren Anstrengungen.

    Von Vattetot-sur-Mer schlängelt sich eine schöne, von bunten Blumen bewachsene Landstraße talwärts zum Plage de Vaucottes, die an einem Durchfahrt Verboten Schild endet. Weit genug vom Strand entfernt, ist das keine Option für uns, dorthin zu wandern, sodass ich von oben einen Blick hinabwerfe, und auf den nächsten Ort hoffe.

    Und natürlich ist mein Blick sehr spektakulär, mein Standort auf dem Seitenstreifen im Gegenverkehr hinter einer Kurve allerdings auch. Der nächste Ort an der Küste ist Yport, der ebenfalls einen Strand haben soll, an dem die schmale Straße durch den Ort neben Restaurants und Eisgeschäften endet. Der Parkstreifen ist natürlich komplett voll, aus meiner überragenden Position im Bus blicke ich auf den kleinen Strand neben einem hohen Felsen, zu dem alle aufschauen, das örtliche Highlight.

    Ich finde, dass der Ort allerdings mehr zu bieten hat, wie das Restaurant oder das kleine weiße Haus in der Kurve. Über Criquebeuf-en-Caux fahren wir nochmal talwärts nach Grainval, das natürlich auch einen längeren Spaziergang von uns wünscht, wenn wir denn zur Küste kommen wollen, ohne zu wissen, was uns dort erwartet.

    Die Orte, die Landschaft, Häuser, Wiesen und das Meer bieten viel fürs Auge, aber wenig für Hilde, um die ich mich jetzt erstmal kümmern muss. So kommen wir zu diesem kleinen Rastplatz mit Bänken unter den Bäumen und reichlich Wiese, um zu schnüffeln.

    Das darf sie gleich auch machen, denn trotz des Regens regt sich der Körper ja des Morgens auch. Mittlerweile ist es hell, soweit man davon an einem grauen Regentag sprechen kann. Vielleicht sollte ich eine Kerze zum Frühstück leuchten lassen.
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