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- Jan 22, 2023, 12:00 PM
- ☁️ 30 °C
- Altitude: 193 m
BrazilGuarda Mirim25°33’1” S 54°34’24” W
Grenzgänger

Früh morgens und relativ pünktlich, stehe ich am Busbahnhof von Foz do Iguazu. Habe noch kurz vor der Fahrt umentschieden, eigentlich wollte ich einen Ort vorher raus und so hab ich auch gebucht. Meine Idee: ich bleib einfach sitzen oder liegen und stelle mich schlafend. Hat geklappt 🙊 Die Busfahrt war viel erholsamer als gedacht, ich konnte den Sitz unerwartet zu einem Bett umbauen. Will ich auch auf europäischen Straßen, sowas. Nur eins klappt nicht: Aus angenehmer Sonne in São Paulo mach Gewitter in Iguazu. Für einen Besuch im Naturpark möglicherweise unglücklich. Einladend ist so ein Wetter ja nie. Das gilt auch für das Ereignis, das mir geholfen hat, mich für die Fahrt in den Westen zu entscheiden.
Joshua und ich spazieren am Tag zuvor in Sao Paulos japanischem Viertel um zu essen. Danach gerne noch ein paar weitere Sehenswürdigkeiten abklappern. Alles in Laufdistanz. Wir kommen wieder an der großen Kathedrale von São Paulo vorbei. Am Vortag war ich dort mit einer brasilianischen Hostelbekanntschaft und wusste, dass es hier vor allem für offensichtliche Ausländer etwas unangenehm werden kann. Viele Mittellose dort, die seit der Pandemie wieder mehr geworden sind. Ein Polizeicheckpoint ist zwar kurz vor der Kirche aufgebaut, aber so richtig sicher fühlt man sich an dem Ort nicht. Das gilt nicht für Joshua. Trägt so gut wie alles in seinem Brustbeutel, spaziert gestikulierend durch die Gegend und ist heute eine schwitzer-deutsche Frohnatur ohne die ganz großen Bedenken. Ich gelte zu Hause auch nicht als einer mit vielen Sorgen, aber Joshua ist echt anders unterwegs 😂. Natürlich teile ich meine Informationen von gestern, aber wir stecken uns gegenseitig an mit beidseitig Scherzen und Relativierungen. Na dann: weiter geht's. Joshua fragt mich nach dem Weg also trete ich über die Türschwelle eines Ladens, um auf mein Handy zu schauen. Als ich den Reißverschluss meiner Tasche ziehe, höre ich hinter mir einen kurzen und mittellauten Schrei, so als ob jemand erschrocken wurde. Tasche wieder zu und dem eher langsamen Blick über meine Schulter folgt maximaler Fokus: etwa 10 Meter hinter mir fängt Joshua seine Brusttasche auf und presst sie an seinen Körper. Er dreht schnurstracks um und geht blitzgescheit in Richtung Polizei. An die Polizei denke ich überhaupt nicht, sondern nur: "Jetzt nicht trennen" - also versuche ihn schnell gehend wieder einzuholen. An der kleinen Kreuzung vor dem Polizei-Checkpoint muss ich kurz auf Autos achten, da werde auch ich sehr innig an meiner Taille "umarmt". Mit Adrenalin am Anschlag bin jetzt an der Reihe mit Schreck-Schrei-Aufmerksamkeitsgetue. Der Gürtel meiner Bauchtasche ist verdeckt und sitzt fest genug. Ein tiefer Hüftschwung nach rechts reicht schon, um mich zu lösen. Wieder bei Josha und am Checkpoint.
"I lug ihn noh a und er macht's trotzdem!" ist Joshua fassungslos. Er hatte das Getuschel der kleinen Gruppe zum Glück vorher gesehen und bemerkt deswegen den Typen direkt hinter ihm, noch bevor er ihm die Tasche vom Hals reißen will. Jetzt ist sein Gürtel zwar gerissen, aber die Tasche hat er noch. Nächstes Lokal, klarkommen, ein großes Bier und Taxi nach Hause.
Danach gelingt uns noch ein sehr geselliger Abend mit Joshuas Studienkollegen, ist ja alles gut gegangen. Mein Hin und Her im Kopf, ob der weite Weg nach Iguazu eine gute Idee ist, hat sich auch erledigt. Ich trinke mit Josha bis halb sechs Bier, dann kommt sein Transfer zum Flughafen. Mit grenzwertigem Alkoholpegel geht's für ihn zum Flughafen und für mich ins Bett. Seine letzte Nachricht: "Scheisse ist das nervig😂"
Dadurch und die Verheißung eines der sieben UNESCO-Naturwunder finde ich mich also frühmorgens in Iguazu wieder und überlege, ob ich mich vom Wetter abhalten lasse. Zwei amerikanische Freunde sind auch gerade angekommen und machen sich ähnliche Gedanken. Nach kurzem Gefahrenaustausch sitzen David aus Indiana, Salomon aus Chicago und Luca aus Köln an einer Bushaltestelle. Wir ziehen zusammen los und meine Güte, es hat sich gelohnt. Das Wetter klärt immer mehr auf und so bekommen wir - so gerade noch auf brasilianischem Boden - ein gutes Panorama auf die Wasserfälle, Blickrichtung Argentinien. Man wird dem Rauschen des Wassers immer näher gebracht und steht letztlich direkt am Eingang der Teufelsschlucht. Das ganze ist ziemlich beeindruckend. Allein die Bootstour verkneife ich mir und verschiebe sie im Kopf auf morgen.Read more