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  • Day 8

    Chaumont

    September 14, 2020 in France ⋅ ⛅ 27 °C

    Aufstehen, Yoga, Packen, mit Kim, dem süßesten Hund auf der Welt spielen, Frühstück, Weiterlaufen, diese Morgenroutine sagt mir unerwarteter Weise ziemlich zu, denn trotz der bereits hohen Temperaturen machen wir uns um 10 Uhr motiviert auf den Weg in das 15 km entfernte Saint-Dizier.

    Dieses haben wir uns als Ziel ausgesucht, weil es einen Bahnhof hat, von dem Naomi wieder nach Metz, zu ihrer Uni, und ich nach Chaumont, wieder zurück auf meinen Pilgerweg, fahren kann.

    Auch wenn es nur 15 km sind, machen sie uns sehr zu schaffen, da es bereits um 12 Uhr 30 Grad hat und unser Weg uns zusätzlich die Landstraße und einen Fahrradweg entlang führt, wo wir nur selten Schatten abbekommen und sonst vollständig der Sonne ausgesetzt sind.

    Um halb 1 machen wir Pause an einer ziemlich ranzigen Straßenunterführung, was uns zu diesem Moment aber egal ist, weil es dort unten schön kühl und schattig ist. Wir essen ein paar Kekse und ein wenig Obst, Naomi bringt ein Blasenpflaster an und nach 20 Minuten sind wir wieder auf dem Weg.

    Die restlichen 4,4 km vergehen vergleichsweise schnell und wir machen Halt in einem Supermarché, wo wir uns Couscoussalat, Baguette und Hummus holen, die wir auf einer Wiese in unserem Zielort Saint-Dizier verspeisen.

    Nach einigen semierfolgreichen Telefonaten auf der Suche nach Unterkünften, buche ich widerwillig eine Nacht in einem F1 Hotel in Chaumont. Diese sind mit die günstigsten Hotels in Frankreich, liegen aber mit einem Preis von 39 € pro Nacht trotzdem über den Kosten einer Nacht in einem Chambres d'hôtes und bieten nicht mal die Hälfte des Komforts (Aufpreis, wenn man Handtücher will, Gemeinschaftsduschen und keine Seife um nur ein paar Besonderheiten zu nennen).

    In Saint-Dizier löse ich noch Wettschulden bei Naomi ein und kaufe uns beiden zwei Bier, die wir in einem gut besuchten Café am schönen Hauptplatz Saint-Diziers austrinken, bevor wir uns anschließend zum Bahnhof begeben.

    Hier steige ich in den Zug, der mich in das 80 km entfernte Chaumont bringt und damit wieder auf die via francigena.

    Auch wenn ich mir fest vorgenommen hatte, auf der gesamten Strecke keine anderen Fortbewegungsmittel zu verwenden außer meinen Füßen, habe ich kein schlechtes Gewissen auf der Zugfahrt.

    Die vergangenen drei Tage mit Naomi waren eine schöne Abwechslung vom sonst eher einsamen Pilgerdasein. Sie war eine tolle Reisegefährtin, die trotz heißer Temperaturen, tristen Marschrouten und einem gelegentlich anstrengenden Reisepartner, nie gejammert und mich oft zum Lachen gebracht hat. Gemeinsam nach Saint-Dizier zu laufen war demnach das Mindeste, das ich tun konnte und das kurzzeitige Abkommen von meiner Route ein Preis, den ich mehr als gerne zahle.

    In Chaumont will ich eigentlich nur kurz bei der Kirche vorbeischauen, bevor ich mich auf meinen 3 km langen Marsch vom Stadtzentrum zu meinem Hotel begebe, werde aber von den unfassbaren Schönheit dieser Stadt aus dem Konzept gebracht.

    Die Innenstadt, wo der Zug glücklicherweise hält, ist auf einem Berg gelegen, um die so etwas wie ein Graben verläuft, der ins "Tal" führt. Die Aussicht ist unbeschreiblich und auch die Innenstadt selbst besteht aus vielen kleinen verwinkelten Straßen mit niedrigen, dicht stehenden Häusern, die ihr ein sehr mediterranes Feeling geben. Ich fühle mich, als wäre ich vielleicht am Ende der via francigena in Italien und nicht in Ostfrankreich, und erwische mich dabei, wie ich seit etlichen Minuten mit offenem Mund durch die Gegend laufe.

    Dieses Feeling verschwindet langsam als ich meinem Hotel näher komme. Die Dame an der Rezeption, die dort gleichzeitig die Reinigungskraft ist, teilt mir mit, dass ich am besten mit dem Duschen nicht warten sollte, da es nur bis 21 Uhr möglich sei. Ich folge ihrem Rat und gehe frisch geduscht nur noch zu Burger King für einen Abendschmaus, bevor ich mich anschließend schlafen lege.
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