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  • Day 7

    Reisen 2.0

    January 25 in Vietnam ⋅ ⛅ 25 °C

    Nach einigen Tagen auf Vietnams Strassen, muss ich meinen Lobgesang auf den Langenscheidt und Co. revidieren. Der Langenscheidt mag zwar noch hie und da hilfreich sein und entlockt vor allem älteren Marktdamen immer ein Schmunzeln. Auch Kleinkinder können sich stundenlang mit dem Betrachten der farbigen Bilder beschäftigen. Die Zukunft gehört allerdings ganz klar intelligenten Übersetzungsdiensten mit Vorlesefunktion, insbesondere in Ländern mit einer hohen Analphabetenrate (gerade in ländlichen Gebieten).

    Als sehr Alltagstauglich erwies sich Google Translate. Nie und nimmer hätte ich anhand der Langenscheidt-Bilder den beiden Jungs vom Veloladen erklären können, was es alles zu tun gibt an meinem Rad. Und auch der alte Mann mit dem grauen Star hätte wohl nie erfahren, warum ich ausgerechnet mit dem Velo zu seinem Stammcafé angebraust kam.

    In der Hafenstadt Quy Nhon durfte ich zudem hautnah miterleben, wie dieses digitale Gadget zur Völkerverständigung beiträgt. Wayne, ein irischer Backpacker, welcher im selben Homestay wie ich abgestiegen war, zog sich zwei Tage vor meiner Ankunft bei seiner morgendlichen Joggingrunde am Strand einen komplizierten Knöchelbruch zu. Seither trug er einen ordentlichen Gips und war in seiner Mobilität stark eingeschränkt. Eine vorzeitige Rückreise nach Irland kam für ihn nicht in Frage, weshalb er seinen Aktionsradius lieber auf knapp 50 Meter einschränkte. Das war die Distanz zwischen seinem Zimmer und dem nächstgelegenen Streetfood-Laden.

    Der kleine Streetfood-Stand wurde von einer herzlichen Familie betrieben. Vom Grossvater bis zum Enkelkind waren alle im Betrieb involviert. Sei es als Anwerber für neue Gäste, Grilleur, Köchin oder Tellerwäscher. Und allesamt hatten sie sich zum Ziel gesetzt, dem armen Wayne den Alltag zu erleichtern. So wurde er quasi als neues Familienmitglied aufgenommen und täglich mit Frühstück, Mittag- und Abendessen versorgt. Die Grossmutter achtete zudem penibel darauf, dass er sein Bein hochlagerte und der Sohn begleitete ihn zu den Arztkontrollen ins Spital.

    Wayne wurde vollumfänglich in den Tagesablauf integriert. Er half beim rüsten, spielte mit den Enkelkinder, schaute mit den anderen Gästen Fussball im TV und trank mit den Männern Bier und Schnaps. Die Kommunikation lief neben Händen und Füssen ausschliesslich über Google Translate. Wahnsinn, oder?

    Ein Hoch auf Google Translate? Nicht ganz. Mein Coiffeurbesuch ging nämlich ziemlich in die Hosen. Entweder hatte der gute Friseur meinen Wunsch grosszügig überlesen oder Google hat "ein wenig schneiden" falsch übersetzt. Jedenfalls begann alles ganz harmlos und der Laden schien ziemlich in Ordnung zu sein. Als ich dann aber vom Spiegel weggedreht wurde, ging das Malheur los. Ohne Kammaufsatz begann der Mann meinen Kopf zu schoren und mir schwante böses.

    Den Salon verliess ich dann eine halbe Stunde später mit einer vietnamesischen Eigenkreation. So etwas zwischen Granit-Xhaka-Fussballerfrisur und Bürstenschnitt à la Kim Jong-un. Das musste ich erst einmal verdauen und schloss mich deshalb der abendlichen Bierrunde von Wayne an. Immerhin wachsen die Haare schnell nach. Beim Radfahren trage ich zudem einen Helm und sonst halt jetzt das Baseballcap. Und Martina sieht mich zum Glück erst Mitte Februar wieder live🤣
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