culture, jungle and streetfood

January - March 2024
Bikepacking tour through Southeast Asia. Read more
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  • Day 2

    Stopover in Singapur

    January 20 in Singapore ⋅ 🌩️ 26 °C

    Meine Weiterreise nach Vietnam führte mich zunächst nach Singapur. Christchurch verfügt zwar über einen eigenen Flughafen, die Auswahl internationaler Flugverbindungen ist hingegen sehr überschaubar. In meinem Fall bot sich Singapur als Zwischenhalt an. 21 Stunden galt es dort zu überbrücken.

    Aufgrund der Ankunfts- und Abreisezeit lag leider keine Sightseeing Tour drin. Dafür gönnte ich mir ein paar Stunden Erholung im Transit-Hotel. Dieses wurde mir zu einem fürstlichen Entgelt von 30 Singapur Dollar pro Stunde verrechnet. Neun Stunden Schlaf im Acht-Quadratmeterzimmer kosteten mich so fast 200 Franken. So viel werde ich wohl auf der restlichen Reise nie mehr für ein Hotelzimmer bezahlen. Das Geld war es trotzdem Wert.

    Die restliche Zeit schlenderte ich durch den riesigen Flughafen, stöberte in den Buchläden und beobachtete die Touristen aus allen möglichen Ländern. Auf die Tasty Meals aus der Maschine verzichtete ich ebenso wie auf den Kaffee von Ella, dem Roboter Barrista. Dafür gönnte ich mir eine grosse Portion dampfende Nudeln im Restaurant und mehrere starke Espressi in einem der zahlreichen Cafés.

    So verging die Zeit viel schneller als gedacht und der Flieger nach Vietnam hob pünktlich ab. Vietnam, here I come!
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  • Day 3

    Bunt und lebendig: Hôi An

    January 21 in Vietnam ⋅ ⛅ 26 °C

    Das bunte und für seine wunderbar erhaltene Altstadt bekannte Hõi An war meine erste "richtige" Destination und der Startpunkt für meine Radreise durch Südostasien. Während zwei Tagen wohnte ich im Cheerful Hostel in Fussdistanz zum Stadtzentrum.

    Hien, die Gastgeberin sorgte für gute Stimmung, saubere Zimmer und half mir, alles Nötige für die Weiterreise zu besorgen. Am zweiten Tag begleitete sie die ganze Gästeschar höchspersönlich auf die Foodtour durch Hôi Ans Strassen. Zum Schluss waren unsere Bäuche so voll, dass wir sehr zur Enttäuschung von Hien ihrer Restaurantempfehlung für den Abend nur bedingt Folge leisten konnten und die grosszügigen Cao Lâu Portionen zu dritt teilten.

    Nicht nur in kulinarischer Hinsicht war Hôi An ein Volltreffer. Auch die sehenswerte Altstadt mit den alten Handwerksbetrieben, den Versammlungshäusern und Tempeln zog mich in ihren Bann. Die chinesische Architektur, die japanischen Schnitzereien und die vielen bunten Laternen sorgten für eine wunderschöne Kulisse, auch wenn die Innenstadt teilweise etwas museal anmutete.

    Auf den Strassen herrschte ein lebendiges Treiben. Verkäuferinnen mit traditionellen Kegelhüten boten allerlei Früchte und Snacks an. Modisch gekleidete junge Männer wollten mir Massanzüge andrehen und immer wieder musste ich heranbrausenden Mopeds und Rollern aus dem Weg gehen. Asien so wie ich es erwartet hatte: Lärmig, stickig, bunt und voller netter Menschen.

    Leider trübte der Zustand meines Velos meine Freude. In Christchurch liess ich alles auf Vordermann bringen und das Velo flugfertig verpacken. Der Fachmann meinte es mit der Verpackung wohl etwas zu gut. Diverse Fahrradkomponenten demontierte er ohne mein Wissen vollständig, was mich beim Auspacken und Zusammensetzen komplett überforderte. In einer Plastiktüte verstaute der gute Mann mindestens vier verschiedene Schraubenarten und auch die Brems- Licht- und Schaltkabel löste er und wickelte alles irgendwie um den den Rahmen. So "nackt" hatte ich das Velo koch nie gesehen und fühlte mich wie vor einem IKEA-Bausatz ohne Anleitung.

    Irgendwie gelang es mir, mit meinem Multitool, dem 14er- Schraubschlüssel und einer Zange alles wieder zusammenzusetzen. Den Flug nicht überstanden hatte jedoch das vordere Schutzblech und bei der Schaltung funktionierten nur noch die mittleren und tieferen Gänge. Letzteres zu beheben, wollte ich allerdings einem Fachmann überlassen.

    Am meisten genervt hatte mich jedoch der Verlust des Vorder- und Rücklichtes. Weshalb der Mechaniker in Christchurch diese Kabel löste und derart unglücklich um den Rahmen wickelte, entbehrt jeglicher Logik. Zur Überbrückung werde ich nun billig auf dem Markt erstandene Fahrradlichter verwenden und hoffen, dass Veloplus in Emmenbrücke die Lichtanlage nach meiner Rückkehr noch retten kann.
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  • Day 4

    Good Morning, Vietnam!

    January 22 in Vietnam ⋅ ☀️ 27 °C

    Good Morning, Vietnam! Robin Williams' unvergleichliche Ansprache in seiner Rolle als Radiomoderator lag mir seit Tagen in den Ohren. Noch im Flugzeug hatte ich mir den Klassiker angeschaut und nun radelte ich selber durch die Reisfelder.

    Die Gemächlichkeit der Reisbauern liess meinen Puls runterkommen. Das war bitternötig. Der Start in Hôi An war holprig. Schon am Vorabend hatte ich bemerkt, dass mit der Gangschaltung etwas nicht in Ordnung war. Die für flache Strecken wichtigen Gänge blieben nicht drin und die Kette sprang. Aus diesem Grund war das Velo eigentlich in Neuseeland zur Überholung in der Werkstatt. Ich war stinksauer.

    Verzweifelt irrte ich am morgen früh in Hôi An umher. Doch es gab keinen einigermassen westlich daherkommenden Bikeshop. So hielt ich notgedrungen bei einem Velomech, der seine Werkstatt im Innenhof eingerichtet hatte. Der alte Mann war gerade dabei, eine Felge mit dem Hammer zu bearbeiten. Ein Tourenvelo hatte er wohl noch nie zu Gesicht bekommen. Die meisten Fahrräder in Vietnam sind einfache Eingänger mit Rücktritt.

    Ich war skeptisch, überliess dem Alten aber das Rad zur Begutachtung. Nach kurzem Zögern griff er zu seinem Werkzeug und begann zu schrauben. Während der Mann vor dem Velo kauerte, recherchierte ich sicherheitshalber schon mal im Internet. Schlimmstenfalls musste ich mir einen Transport ins eine Stunde entfernte Da Nang organisieren und dort mein Glück versuchen.

    Nach etwa zwanzig Minuten stand der Velomech triumphierend vor mir. Offenbar konnte er die Schaltprobleme beheben. Das laute Knacken war weg. Nur die höchsten drei Gänge funktionierten nicht einwandfrei. Ich liess es dabei und drückte dem Mann ein paar Scheine in die Hand. Da es bereits Mittag war, musste ich unbedingt los.

    Die Bewegung tat mir gut und das Velo fuhr sich passabel. Überall winkten mir die Menschen von weitem her zu. Kinder kreischten vergnügt, als sie mich auf dem Velo herannahen sahen. Oh wie hatte ich das Radfahren vermisst. Die verkehrsarme Strasse und die Fahrt entlang der Reisfelder waren wie Balsam für die Seele. Allmählich rückte der Ärger in den Hintergrund.

    Nach fast einhundert Kilometer erreichte ich noch vor der Dämmerung Bính Dông. Mein Etappenziel war ein schmuckloser Ort inmitten grosser Industrieanlagen. Im einzigen Hotel fand ich ein Zimmer und verkroch mich direkt nach dem Abendessen ins Bett.
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  • Day 5

    Überleben auf Vietnams Strassen

    January 23 in Vietnam ⋅ 🌧 22 °C

    Klingel, Trillerpfeife und Langenscheidts "Ohne Wörter Buch" - die heilige Dreifaltigkeit im Radfahrerdasein auf Vietnams Strassen.

    Den Langenscheidt führe ich seit dem Abflug aus der Schweiz mit. Die Trillerpfeife habe ich mir in Christchurch zugelegt, als ich in einem Radreiseforum darüber gelesen hatte. In Hôi An kam nun noch eine laute Klingel hinzu. Dies nachdem Hien, meine Gastgeberin, beim Testen der bisherigen Klingel nur ungläubig den Kopf schüttelte. Seither bin ich also gerüstet, um gegen die Heerscharen von Motorradfahrern, Ochsenfuhrwerken und Hunde zu bestehen.

    Die Verkehrsregeln sind einfach: den Blick nach vorne, links und rechts richten und permanent klingeln. So wissen die Verkehrsteilnehmer, dass sich von hinten jemand nähert. Ansonsten gibt es nicht viel zu beachten. Ob die Ampeln nun rot oder grün leuchten, kümmert offensichtlich niemanden. Trotzdem oder vielleicht gerade wegen der wenigen Regeln scheinen alle viel achtsamer unterwegs zu sein. Ich fühle mich als Radfahrer in diesem ganzen Chaos jedenfalls viel sicherer, als auf gewissen Highways in Neuseeland. Einzig an die lauten Lastwagenhörner muss ich mich noch gewöhnen.

    Kläffende, nach frischen Velofahrer-Wädli lechzende Strassenhunde sind das viel grössere Übel. Die Trillerpfeife musste ich noch nicht oft einsetzen. Ob die Hunde deswegen von mir abliessen, bleibt zu hoffen. Ansonsten werde ich mich auf dem Markt nach drastischeren Mitteln wie Pfefferspray umsehen.

    Die meisten Hunde tummelten sich bislang vor allem an Kreuzungen, am Rande von Siedlungen sowie in der Nähe von Abfallhalden. Auf Nebenstrassen fährt es sich entspannter, dafür verteidigen Hofhunde lautstark ihr Revier, was mich manchmal fast vom Velo springen lässt. Ebenso scheinen die Strassenhunde an stark befahrenen Highways weniger aggressiv zu sein. Tagsüber dösen zudem die meisten friedlich im Schatten von Büschen und Bäumen. Erst in der Nacht ziehen sie in Rudeln umher und raufen sich auf der Strasse, teilweise auch in der Innenstadt.

    Da ich bekanntlich über keinen starken Magen verfüge, hüte ich mich vor irgendwelchen kulinarischen Besonderheiten. Ungeschältes Gemüse und Früchte sind ein No Go. Ebenso versuche ich Fleischspeisen bestmöglich zu umgehen, was in Vietnam in Orten ohne buddhistischen Klöster schwierig ist. Hier kommt der Langenscheidt zum Einsatz. Gerade auf dem Land ist die Analphabenrate hoch. Mit den Bildern kann ich erklären, was ich essen möchte und was definitiv nicht geht.

    Das hat bisher ganz gut funktioniert. Die Suppe erhielt ich ohne Kuhpansen und der fettige Schweinebauch landete auch nicht im Teller. Meine derzeitige Leibspeise ist übrigens Morning Glory. Das ist eine Art Spinat, welche zusammen mit Knoblauch gebraten wird und sehr lecker schmeckt. Bánh Mì, die vietnamesische Sandwich-Variante habe ich mir erst einmal im Restaurant bestellt. An den Strassenständen werden die beliebten Brötchen zwar überall feilgeboten, aber die Fleischfüllung sah jedes Mal unappetitlich aus.

    Es scheint, dass meine diesbezügliche Experimentierfreude im fortschreitenden Alter abnimmt. Oder vielleicht sind es auch die noch immer sehr präsenten Erfahrungen aus der Südamerikareise mit Martina, welche mich vor erneuten Streetfood-Eskapaden abhalten.
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  • Day 6

    Bauwahn und leere Versprechungen

    January 24 in Vietnam ⋅ 🌬 24 °C

    Immer wieder radle ich auf meiner Reise in Vietnam durch weitläufige Gebiete mit Baubrachen und halbfertigen Häusern. Ganze Wälder wurden dafür gerodet, Feuchtgebiete trockengelegt und Hügel versetzt.

    Teilweise ziehen sich solche Flächen über zehn bis zwanzig Kilometer hin und als Durchreisender fühle ich mich wie in einem Science-Fiction-Streifen. Quartierstrasse reiht sich an Quartierstrasse, die Stromkästen stehen bereit. Ja sogar Strassenbeleuchtung, Strassenschilder und Parkanlagen gibt es. Und natürlich steckengerade Prachtboulevards, vierspurige Kreisel und riesige Reklametafeln. Nur die Menschen fehlen. Dafür werden die Baustellen von Vieh und Strassenhunden bevölkert.

    Das ganze wirkt surreal und ist die Folge eines fast grenzenlosen Baubooms, fehlenden Gesetzen, leeren Versprechungen, Geldgier, Korruption und einem absolut gedankenlosen Umgang mit der Natur. Einige wenige, die profitieren. Und wenn das Geld ausgeht, ist das Schlammassel bereits angerichtet. Solche "Entwicklungsgebiete" finden sich überall in Vietnam - leider😥.
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  • Day 7

    Reisen 2.0

    January 25 in Vietnam ⋅ ⛅ 25 °C

    Nach einigen Tagen auf Vietnams Strassen, muss ich meinen Lobgesang auf den Langenscheidt und Co. revidieren. Der Langenscheidt mag zwar noch hie und da hilfreich sein und entlockt vor allem älteren Marktdamen immer ein Schmunzeln. Auch Kleinkinder können sich stundenlang mit dem Betrachten der farbigen Bilder beschäftigen. Die Zukunft gehört allerdings ganz klar intelligenten Übersetzungsdiensten mit Vorlesefunktion, insbesondere in Ländern mit einer hohen Analphabetenrate (gerade in ländlichen Gebieten).

    Als sehr Alltagstauglich erwies sich Google Translate. Nie und nimmer hätte ich anhand der Langenscheidt-Bilder den beiden Jungs vom Veloladen erklären können, was es alles zu tun gibt an meinem Rad. Und auch der alte Mann mit dem grauen Star hätte wohl nie erfahren, warum ich ausgerechnet mit dem Velo zu seinem Stammcafé angebraust kam.

    In der Hafenstadt Quy Nhon durfte ich zudem hautnah miterleben, wie dieses digitale Gadget zur Völkerverständigung beiträgt. Wayne, ein irischer Backpacker, welcher im selben Homestay wie ich abgestiegen war, zog sich zwei Tage vor meiner Ankunft bei seiner morgendlichen Joggingrunde am Strand einen komplizierten Knöchelbruch zu. Seither trug er einen ordentlichen Gips und war in seiner Mobilität stark eingeschränkt. Eine vorzeitige Rückreise nach Irland kam für ihn nicht in Frage, weshalb er seinen Aktionsradius lieber auf knapp 50 Meter einschränkte. Das war die Distanz zwischen seinem Zimmer und dem nächstgelegenen Streetfood-Laden.

    Der kleine Streetfood-Stand wurde von einer herzlichen Familie betrieben. Vom Grossvater bis zum Enkelkind waren alle im Betrieb involviert. Sei es als Anwerber für neue Gäste, Grilleur, Köchin oder Tellerwäscher. Und allesamt hatten sie sich zum Ziel gesetzt, dem armen Wayne den Alltag zu erleichtern. So wurde er quasi als neues Familienmitglied aufgenommen und täglich mit Frühstück, Mittag- und Abendessen versorgt. Die Grossmutter achtete zudem penibel darauf, dass er sein Bein hochlagerte und der Sohn begleitete ihn zu den Arztkontrollen ins Spital.

    Wayne wurde vollumfänglich in den Tagesablauf integriert. Er half beim rüsten, spielte mit den Enkelkinder, schaute mit den anderen Gästen Fussball im TV und trank mit den Männern Bier und Schnaps. Die Kommunikation lief neben Händen und Füssen ausschliesslich über Google Translate. Wahnsinn, oder?

    Ein Hoch auf Google Translate? Nicht ganz. Mein Coiffeurbesuch ging nämlich ziemlich in die Hosen. Entweder hatte der gute Friseur meinen Wunsch grosszügig überlesen oder Google hat "ein wenig schneiden" falsch übersetzt. Jedenfalls begann alles ganz harmlos und der Laden schien ziemlich in Ordnung zu sein. Als ich dann aber vom Spiegel weggedreht wurde, ging das Malheur los. Ohne Kammaufsatz begann der Mann meinen Kopf zu schoren und mir schwante böses.

    Den Salon verliess ich dann eine halbe Stunde später mit einer vietnamesischen Eigenkreation. So etwas zwischen Granit-Xhaka-Fussballerfrisur und Bürstenschnitt à la Kim Jong-un. Das musste ich erst einmal verdauen und schloss mich deshalb der abendlichen Bierrunde von Wayne an. Immerhin wachsen die Haare schnell nach. Beim Radfahren trage ich zudem einen Helm und sonst halt jetzt das Baseballcap. Und Martina sieht mich zum Glück erst Mitte Februar wieder live🤣
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  • Day 9

    Immer die Küste runter

    January 27 in Vietnam ⋅ ☁️ 25 °C

    Von Da Nang bis nach Phan Thiet führt mich meine Route immer der Küste entlang nach Süden. Dabei profitiere ich vom Rückenwind und radle ohne grosse Anstrengung einhundert Kilometer pro Tag. Einzelne Abschnitte führen über die CT.01, die vietnamesische Variante einer Autobahn. Hauptsächlich fahre ich jedoch entlang der Nationalstrasse und versuche auch dieser so gut wie möglich auf Nebenstrassen auszuweichen.

    Die Etappen sind kurzweilig und unterhaltsam. Ich mache oft Pause, lasse mir irgendwo eine Kokosnuss öffnen, besorge mir einen Eiskaffee oder kaufe eine Banane bei einer Markthändlerin. Das sorgt für lustige und heitere Begegnungen mit allerlei Menschen.

    In Vietnam ist es überall laut. Wenn mal kein Bau- oder Motorenlärm zu hören ist, so dröhnt ganz sicher irgendwo aus einem Lautsprecher vietnamesischer Schlager. Und wenn es ganz dick kommt, ist bereits eine Karaoke-Party im Gange. Noch nie mussten meine Ohren so viele schiefe Töne ertragen. Dies scheint allerdings niemanden ausser mir zu stören. Karaoke gehört in Vietnam wohl schon fast zum Kulturgut.

    So geniesse ich die wenigen ruhigen Momente ganz besonders und lasse mich von türkisblauen Meer, den verträumten Buchten und dem traditionellen Leben auf dem Land verzaubern. Bis ich ein paar Minuten später ruckzuck wieder ins Hier und Jetzt zurückgeholt werde, wenn der nächste laut hupende Lastwagen herangebraust kommt.
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  • Day 11

    Zwischen Tradition und Moderne

    January 29 in Vietnam ⋅ ⛅ 27 °C

    Vietnam scheint irgendwie festzustecken im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, zwischen Kapitalismus und Sozialismus, zwischen Öffnung und Repression. Zwar nach wie vor von der sozialistischen Partei regiert, hat der Kapitalismus längst Überhand genommen. Die traditionellen Märkte werden mit allerlei Billigware geschwemmt, Investitionen in die Infrastruktur verlaufen im Sand und Land und Ressourcen werden grosszügig ins Ausland verkauft. Die Abfallberge häufen sich und die Bevölkerung klagt über zu teure Grundstückspreise, ausländische Spekulanten und fehlende Infrastruktur.

    Meine Eindrücke nach zehn Tagen stimmen mich nicht gerade positiv. Aber von aussen betrachtet scheint vieles nicht rund zu laufen, auch wenn es sich hier um eine sehr subjektive Meinung eines Radreisenden handelt. Gespräche mit Einheimischen bestätigen mein Bild (ein Hoch auf Google Translate), auch wenn ich den einen oder anderen Bias nicht ganz leugnen kann.

    Viele Vietnamesinnen und Vietnamesen haben sich mit dieser Situation so gut es geht arrangiert. Sich zu wehren ist vielen zu gefährlich. Andersdenkende werden auch im Jahr 2024 noch politisch verfolgt und die Zivilgesellschaft unterdrückt. Insbesondere das Gespräch mit einem Guesthouse-Besitzer in einer ländlichen Gegend stimmte mich nachdenklich. Der Mann möchte sich gerne für Nachhaltigkeitsthemen engagieren und zwischen den unterschiedlichen Minderheiten in Vietnam Brücken bauen.

    Die Angst, dabei ins Visier der Polizei zu geraten und schlimmstenfalls im Gefängnis zu landen, hält ihn bisher davon ab, aktiv zu werden. Letztlich hat er eine Familie mit drei Kindern zu versorgen. Deren Wohlergehen für seine Ideen zu riskieren, getraut er sich nicht. Wie ihm ergeht es wohl unzähligen weiteren Vietnamesinnen und Vietnamesen.

    Den absoluten Kulturschock erlebte ich in der Touristenhochburg Nha Trang. Hier reiht sich Wolkenkratzer an Wolkenkratzer. Tausende von Betten stehen in billigen Gasthäusern und Luxushotels bereit, um massenhaft Touristen zu beherbergen. Budgetbewusste können sich an den All-You-Can-Eat-Buffets Fleischberge auf die Teller schaufeln und Partytouristen in den Nachtklubs mit billigem Alkohol besaufen, während sich die gut betuchte Klientel in der Rooftop-Bar bei Champagner und Kaviar vergnügt. Und zwei Kilometer ausserhalb des Stadtzentrums stochern obdachlose Kinder im Abfall auf der Suche nach Essen.

    Vietnam - ein Land der Extreme und der Widersprüche. Es bleibt zu hoffen, dass irgendwann ein Wandel zugelassen wird und stattfinden kann.
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  • Day 13

    Begegnungen unterwegs

    January 31 in Vietnam ⋅ ⛅ 27 °C

    Was jede Reise auszeichnet, sind die vielen unvergesslichen, manchmal fröhlichen und ab und zu auch traurigen Begegnungen. Ist man so wie ich mit dem Velo unterwegs, bricht das Eis zu den Menschen noch viel schneller. Denn wer mit dem Velo unterwegs ist, gehört zu den Exoten unter den Touristen. Das ist auch für die Lokalbevölkerung spannend.

    Zudem ist Vietnam dicht besiedelt. Ich bin also fast nie alleine. Wenn ich durch die weitläufigen Reisfelder radle, drehen sich die Menschen nach mir um. Komme ich an Schulen vorbei, springen mir die Schüler hinterher. Kleinkinder in den Vorgärten klatschen und juchzen, sobald ich ihnen entgegenkomme. Ja sogar die Soldaten in den Kasernen winken mir zu und aus allen Ecken höre ich ein freundliches "Hello". Das macht das Reisen sehr angenehm und ich fühle mich überall willkommen.

    Besonders aufregend wird es, wenn ich für ein kaltes Getränk oder eine Kokosnuss anhalte. Sofort kommt Google Translate zum Einsatz und es entsteht eine rege Konversation. "Woher kommst du?", "wie lange bleibst du?", "was gefällt dir an Vietnam?", "wo ist deine Frau?", "wie alt bist du?" - das ist nur eine kleine Auswahl der Fragen, die ich täglich irgendwelchen Leuten beantworte. Meistens stossen dann weitere Passantinnen hinzu und Bekannte werden extra herbeigerufen.

    Solche Happenings gipfeln dann in einem obligaten Fotoshooting und zum Abschied erhalte ich meistens irgendetwas geschenkt: Früchte, Gemüse und Wasser als Proviant, Feuchttücher, um mir den Schweiss von der Stirn zu wischen oder an regnerischen Tagen auch mal eine mit Herzen verzierte Regenpelerine. Vor Karaoke konnte ich mich bisher erfolgreich drücken und beim offerierten Schnaps winke ich spätestens nach dem dritten Glas auch ab.

    Manchmal ergeben sich etwas persönlichere Gespräche. Zum Beispiel mit der Besitzerin eines Restaurants, einem Taxifahrer oder mit jungen vietnamesischen Pärchen, die in denselben Homestays übernachten, wie ich. In diesen geschlossenen Runden kommen auch gesellschaftliche und politische Themen zur Sprache, was ich natürlich sehr interessant finde.

    Eher selten sehe ich unterwegs andere Ausländer. Das hat einerseits mit meiner Route und andererseits mit meinen Übernachtungsorten zu tun, welche zumeist abseits der üblichen Touripfade liegen. Wenn ich dann doch auf Touris treffe, ergeben sich schnell Gespräche. Auf englisch, französisch und deutsch werden Restauranttips, Strassenberichte und Wettervorhersagen ausgetauscht oder auch mal ein Notfallkontakt weitergegeben.

    Insbesondere Radreisende scheinen aktuell dünn gesäht zu sein, weshalb ich jedes Aufeinandertreffen gleich doppelt geniesse. Nur zweimal bin ich in Vietnam anderen Radfahrern begegnet. Shan, ein spindeldürrer Inder Mitte zwanzig, fuhr mir auf einem Highway ausserhalb von Tuy Hòa entgegen. Er ist in indischen Bikepacker-Kreisen ein kleiner Insta-Star und schon seit Monaten unterwegs. Seine Reise führte ihn von Indien auf dem Seeweg nach Thailand, dann nach Kambodscha und Vietnam und als nächstes steht Laos auf seiner Route.

    Kurz vor Vīnh Hy traf ich zudem auf Dung, als dieser unter einem Baum gerade Mittagsrast hielt. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und Knieproblemen, radelt Dung mit einem einfachen Elektrovelo von Ho-Chi-Minh-City nach Hanoi. Das sind fast 1'700 Kilometer, die der ältere Herr ganz ohne Begleitung fährt. Dungs Etappen sind vollumfänglich auf die Akkuleistung ausgelegt. Alle 50 bis 60 Kilometer muss er den Akku mehrere Stunden aufladen, bevor er weiterradeln kann. Sowohl Shan als auch Dung gebührt mein grösster Respekt 💪🚲.
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  • Day 14

    Wüstensand und trockene Kehle

    February 1 in Vietnam ⋅ ☁️ 31 °C

    Ich war vorgewarnt und wollte es trotzdem nicht so richtig glauben: Sanddünen in Vietnam. Wie kann es sein, dass sich das Landschaftsbild kurz nach Nha Trang vom üppigen grün so rasch in ockerfarbene Steppe und später sogar Wüste verwandeln soll? Sicherheitshalber besorgte ich mir dennoch eine zusätzliche Flasche Wasser und einen Bund Bananen. Wenn es tatsächlich so trocken und heiss sein sollte, gibt es wohl auch weniger Verpflegungsmöglichkeiten. Mit einem Hungerrast irgendwo unter der sengenden Sonne zu stranden, wollte ich unbedingt vermeiden.

    Tatsächlich änderte sich die Landschaft allmählich. Zuerst verschwanden die Wolkenkratzer und Hotelanlagen, dann die dichtbesiedelte Agglomeration. Nun säumten nicht mehr Reisfelder und Fischfarmen die Strasse, sondern Weinreben und Drachenfrucht-Plantagen. In Meeresnähe entdeckte ich weitläufige Salzfelder. Je weiter ich nach Süden fuhr, desto heisser und trockener wurde es. Ich war froh, dass es entgegen meiner Befürchtungen immer noch überall kalte Getränke und Snacks zu kaufen gab.

    Jede Stunde legte ich einen kurzen Halt ein, liess mir eine Kokosnuss öffnen oder einen Eiskaffee einschenken. In der Mittagshitze verzog ich mich für eine Weile in den Schatten und döste in einer Hängematte vor mich hin. So liess sich die Temperatur einigermassen aushalten.

    Etwa sechzig Kilometer südlich von Phan Rang war sie dann da, die Wüste. Die Landschaft erinnerte mich nun plötzlich an das südliche Marokko und die Gegend rund um Zagora. Natürlich ohne die typischen Berberhäuser und die Dattelpalmen. Die Strassenschulter war nun voller Sand und bei viel Gegenverkehr musste ich Mund und Nase mit einem Tuch schützen, um nicht die staubige Luft einzuatmen. Ich fühlte mich wie ein Kamel und jeder Deziliter Wasser, den ich mir die Kehle runterschüttete, drang gefühlte fünf Minuten später wieder aus meinen Poren.

    In der Nähe der ersten Dünen gab es wieder touristische Infrastruktur. Ein halbes dutzend Veranstalter bot halsbrecherische Fahrten mit Sandbuggies und Offroadern an. Ich musste laut lachen. Als Werbesujets standen tatsächlich zwei ausgestopfte Kamele unter einem Vordach. Bei der berühmten roten Düne machte ich einen längeren Halt und stapfte barfuss die Düne hoch. Diese Kurzschlussaktion war an Dämmlichkeit kaum zu überbieten. Schon nach hundert Metern musste ich umkehren, um mir die Fusssohlen im heissen Sand nicht gänzlich zu versengen.

    Zurück auf dem Velo war es nun nicht mehr weit. Mũi Né, die vietnamesische Version von Rimini, lag in Sichtweite und bis nach Phan Thiết war es noch ein Katzensprung. Phan Thiết war gleichzeitig auch meine letzte Destination am südchinesischen Meer. Schon am nächsten Tag würde mich ein Shuttle nach Vĩnh Long bringen. Von dort aus würde ich gleichentags meine Tour im Mekongdelta fortsetzen und nach Kambodscha einreisen. Auf Grossstadtverkehr in Ho-Chi-Minh-City hatte ich keine Lust. Mir reichte das alltägliche Rambazamba in Phan Thiết.

    Zudem wollte ich mich an den Zeitplan halten, um nicht während dem Tết Nguyên Đán in Vietnam festzusitzen.
    Während den Feierlichkeiten zum vietnamesichen neuen Jahr herrscht eine Woche lang Ausnahmezustand. Viele Läden und Restaurants sind geschlossen, Hotels ausgebucht und auf den Strassen ist noch mehr Verkehr als sonst. Deshalb: Auf nach Kambodscha!
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