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  • Day 11

    Zwischen Tradition und Moderne

    January 29 in Vietnam ⋅ ⛅ 27 °C

    Vietnam scheint irgendwie festzustecken im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, zwischen Kapitalismus und Sozialismus, zwischen Öffnung und Repression. Zwar nach wie vor von der sozialistischen Partei regiert, hat der Kapitalismus längst Überhand genommen. Die traditionellen Märkte werden mit allerlei Billigware geschwemmt, Investitionen in die Infrastruktur verlaufen im Sand und Land und Ressourcen werden grosszügig ins Ausland verkauft. Die Abfallberge häufen sich und die Bevölkerung klagt über zu teure Grundstückspreise, ausländische Spekulanten und fehlende Infrastruktur.

    Meine Eindrücke nach zehn Tagen stimmen mich nicht gerade positiv. Aber von aussen betrachtet scheint vieles nicht rund zu laufen, auch wenn es sich hier um eine sehr subjektive Meinung eines Radreisenden handelt. Gespräche mit Einheimischen bestätigen mein Bild (ein Hoch auf Google Translate), auch wenn ich den einen oder anderen Bias nicht ganz leugnen kann.

    Viele Vietnamesinnen und Vietnamesen haben sich mit dieser Situation so gut es geht arrangiert. Sich zu wehren ist vielen zu gefährlich. Andersdenkende werden auch im Jahr 2024 noch politisch verfolgt und die Zivilgesellschaft unterdrückt. Insbesondere das Gespräch mit einem Guesthouse-Besitzer in einer ländlichen Gegend stimmte mich nachdenklich. Der Mann möchte sich gerne für Nachhaltigkeitsthemen engagieren und zwischen den unterschiedlichen Minderheiten in Vietnam Brücken bauen.

    Die Angst, dabei ins Visier der Polizei zu geraten und schlimmstenfalls im Gefängnis zu landen, hält ihn bisher davon ab, aktiv zu werden. Letztlich hat er eine Familie mit drei Kindern zu versorgen. Deren Wohlergehen für seine Ideen zu riskieren, getraut er sich nicht. Wie ihm ergeht es wohl unzähligen weiteren Vietnamesinnen und Vietnamesen.

    Den absoluten Kulturschock erlebte ich in der Touristenhochburg Nha Trang. Hier reiht sich Wolkenkratzer an Wolkenkratzer. Tausende von Betten stehen in billigen Gasthäusern und Luxushotels bereit, um massenhaft Touristen zu beherbergen. Budgetbewusste können sich an den All-You-Can-Eat-Buffets Fleischberge auf die Teller schaufeln und Partytouristen in den Nachtklubs mit billigem Alkohol besaufen, während sich die gut betuchte Klientel in der Rooftop-Bar bei Champagner und Kaviar vergnügt. Und zwei Kilometer ausserhalb des Stadtzentrums stochern obdachlose Kinder im Abfall auf der Suche nach Essen.

    Vietnam - ein Land der Extreme und der Widersprüche. Es bleibt zu hoffen, dass irgendwann ein Wandel zugelassen wird und stattfinden kann.
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