Sage-femme en Voyage

April - May 2024
6 Monate als Hebamme in der Zentralafrikanische Republick für und mit Cap Anamur. Read more
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  • Day 2

    Bienvenue à Bossembélé

    April 7 in Central African Republic ⋅ ⛅ 26 °C

    "Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen, aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen – je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt. Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen. " Momo-Michael Ende

    Aus einem Wunsch wurde eine Idee, aus einer Idee wurde ein Plan, aus dem Plan wurde ein Vorstellungsgespräch bei Cap Anamur und nun... bin ich hier! Bossombéle- Zentral Arikanische Republick.
    Nach 30 Stunden Anreise sind wir angekommen. Meine Reisebegleiter sind Olé und Werner. Olé ist als Projektkoorinator neu bei Cap Anamur und reist ebenfalls das erste Mal nach Zentralafrika, Werner ist Kinderarzt und Vorstandsmitglied und bereits viele Jahre für Cap Anamur im Einsatz. In Bossombélé ist er bereits das 9. Mal. Doch wärend die Beiden bereits nach 10 Tagen zuück kehren ist mein Rückflug erst für Ende September geplant. Empfangen werden wir am Flughafen in Bangui von Marius, dem Projektkoordinator vor Ort. Er kommt von der Elfenbeinküste und ist durch eine Reihe von Zufällen bei Cap Anamur gelandet und begleitet das Projekt vor Ort nun schon 10 Jahre. Er regelt unsere Einreiseformalien und erinnert mich mit seiner herzlichen Art und seinem ansteckenden Lachen an meinen Bruder Edmércio.
    Es dauert weitere 3 Stunden Fahrt mit dem Jeep bevor wir bei unserem Zielort ankommen. Unsere Fahrt geht auf teils schlechten Straßen, vorbei an kleinen Dörfern durch wunderschöne Natur bis nach Bossombélé.
    Im Projekt angekommen ist es um 18:00 schon bereits Stock dunkel.
    Es erwarten uns Simone, eine Kinderkrankenschwester aus Deutschland und Fred, ein Arzt aus dem Kongo. Beide haben bereits mehrere Einsätze für Cap Anamur in verschiedenen Teilen der Welt gemacht. Wir sitzen zusammen, essen, trinken, lernen uns kennen. Völlig erschöpft falle ich in dieser ersten Nacht ins Bett und obwohl sich sämtliche Metallfedern in meinen Rücken bohren schlafe ich schnell und gut ein.
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  • Day 9

    C'est la Maternité

    April 14 in Central African Republic ⋅ ☀️ 24 °C

    Die ersten 3 Tage sind voll von neuen Gesichter, Namen und Eindrücken. Die körperliche Anpassung an die neue Situation und die Temperaturen (35-40°C) spüre ich in Form von pochenden Kopfschmerzen, Bauchgrummeln und einem einmaligen, heftigen erbrechen. Seit dem geht es mir gut. Ich bin angekommen. Wir nehmen an vielen Besprechungen Teil von denen ich nur ein Bruchteil verstehe. Simone erklärt mir die Abläufe im Krankenhaus und auch die Aufgaben die nebenher erledigt werden müssen. Nach einer Woche soll mein Einsatz im Kreißsaal beginnen. Ich freue mich auf die Zeit doch ich spüre auch Unsicherheit wenn ich daran denke wie begrenzt unsere Möglichkeiten hier sind und das mein Wort in vielen Fällen das letzte sein wird. Ich habe mir vorgenommen mich zu Beginn mit den Hebammen, den Assistenzärzten und dem Chefarzt der Klinik zu besprechen welche Erwartungen und Wünsche sie an mich haben und was ich anbieten kann.
    Doch dann kommt alles anders als gedacht… Wir sind gerade in einer Besprechung als der Koordinator mich zu einem Notfall in den Kreißsaal schickt. Sofort schlägt mein Herz bis zum Hals. Als ich im Kreißsaal ankomme sind die Assistenzärztin und die 2 Hebammen bereits da. Auf dem Bett liegt eine Frau die gerade in den letzten Zügen eines eklamptischen Krampfanfalls ist. Ihre Augen sind verdreht und schweiß läuft ihr ödematös geschwollenes Gesicht hinunter. „Motorrad, keine Schwangerschaftsvorsorge, 6. Kind, Ultraschall“ sind die Worte die ich aus dem Bericht der Assistenzärztin verstehe. Der Krampfanfall ist vorbei, die Frau bewusstlos. Sie erhält Magnesium und nach einem kurzen Ultraschall mit positiver Herzaktion entscheiden wir uns zu einem Notkaiserschnitt. Unter den gegebenen Bedingungen geht alles zügig von statten doch mir kommen die Minuten wie Stunden vor. In Deutschland sind wird zu 10. wenn ein Kaiserschnitt gemacht wird, hier sind wir zu dritt. Aus dick, grünem Fruchtwasser werden 2 leblose Kinder entwickelt. Sofort versuchen wir die Atemwege frei zu machen und zu Stimmulieren. Es passiert…. Nichts. Der OP ist kalt und der Versorgungspatz der Kinder unter der Lüftung der Klimaanlage. Schnell bringen wir sie in den Kreißsaal. Wir saugen ab, Stimulieren, beatmen. Nach 12 quälend langen Minuten kehrt zögerlich Leben in das kleine Mädchen vor mir. Ihre Schwester ist tot. Mit Sauerstoffsonde legen wir sie der Großmutter auf die Nackte Brust. Ob sie dort sterben oder den Weg ins Leben finden wird wissen wir nicht aber die Wärme und Liebe ihrer Oma wird sie begleiten. 3 Stunden Später gehe ich mit Dr. Fred nochmal nach dem Kind und der Frau schauen. Das Kind ruht noch immer auf der Brust der Oma. Sein Zustand scheint sich langsam ein wenig zu stabilisieren. Die Mama ist immer noch nicht ansprechbar und atmet Schwer. Fred entscheidet sie in unser „Intensivzimmer“ zu verlegen denn ab 21:00Uhr gibt es im Kreißsaal keinen Strom mehr… Es kommen noch 2 weitere Kinder auf die Welt an diesem Abend. Ihr kräftiges schreien gibt mir ein wenig Hoffnung und Frieden für die Nacht.
    2 Tage später. Während sich der Zustand des Kindes langsam verbessert geht es der Mama immer schlechter. Alles was wir tun können um ihr Leben zu retten tun wir. Doch es wird immer deutlicher das jetzt nur noch ein Wunder sie retten kann. Lange kann ich mich in ihrem Krankenzimmer nicht aufhalten da ihres schwere Atmung auch mir die Luft abschnürt. Wenn es für einen Moment ganz ruhig ist höre ich das Piepen des Überwachungsmonitors wenn ich abends im Bett liege. Solange es piepst lebt sie. Um 06:00 morgens bin ich wach. Ich höre Kinder lachen, ein Hahn kräht, der Wind raschelt in den Blättern, das Schluchtsen der Angehörigen. Das Pipsen ist weg. Ich setze mich auf die Terrasse. Als Fred zurück kommt schüttelt er nur den Kopf. Für eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander. Ich vergieße einige Tränen. Dann geht die Sonne auf, das Leben geht weiter und ein neuer Tag beginnt.
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  • Day 9

    Cup du Werner

    April 14 in Central African Republic ⋅ ☀️ 32 °C

    "Die Toten ehren wir am meisten in dem wir leben"

    Seit wir angekommen sind ist das Krankenhaus in Vorbereitung auf den großen "Cup du Werner". Zum 9. Besuch soll zu Ehren des Visepresidents Werner ein großes Fußballturnier veranstaltet werden. Die Angestellten von Cap Anamur gegen die Angestellten des Krankenhauses. Anschließend soll gemeinsam gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert werden.
    Heute ist es endlich so weit. Mich amüsiert die Ernsthaftigkeit mit der sich die Teams auf das Spiel vorbereiten. Da es auch ein Frauenteam gibt werde ich immer wieder gefragt ob ich nicht mitspielen will doch es stellt sich schnell raus das ich auch bei Temperaturen unter 35°C die vermutlich schlechteste Fußballspielerin der Welt bin. Darum werde ich als Fan eingesetzt 😀.
    Um 16:00 geht es los.
    Jeder der sich Zeit machen kann ist da und auch viele Kinder aus dem Dorf sind zum zuschauen gekommen. Wärend bei den Frauen das Team des Krankenhauses gewinnt, gewinnt bei den Männern das Cap Anamur Team. Die gute Stimmung steckt an.
    Zu den Feierlichkeiten im Anschluss ist ein großer Stuhlkreis aufgebaut. Es werden Reden gehalten, der Pokal an die Sieger verliehen, wir essen gemeinsam und im Anschluss werden wir mit zugeordneten Tanzpartnern aufgefordert die Tanzflächen zu eröffnen. Meine Gefühle sind gemischt. Noch heute morgen starb die Mutter des kleinen Mädchens das immer noch in einem kritischen Zustand ist. Eine 7-Jährige stirbt nur eine Stunde vor dem Turnier ganz unerwartet an einer ungeklärten Infektion. Ist es richtig jetzt zu tanzen, zu lachen und sich gut zu fühlen?
    Ist es respektvoll oder abgestumpft?
    Aber wir sind jeden Tag umgeben von solchen Dingen, der Tot gehört dazu "und die Toten ehren wir am meisten, indem wir leben"!
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  • Day 17

    Enfant de mon âme

    April 22 in Central African Republic ⋅ ☁️ 28 °C

    "Solange Sie durchhält..."

    2 Wochen bin ich nun hier und ich fühle mich vom Leben auf den Prüfstand gestellt. Wie sehr will ich das alles hier? Wieviel kann ich aushalten? Ist es das wert?
    In nur 8 Tagen haben wir in der Maternité 6 Kinder und eine Frau sterben sehen. Das macht für die Kinder eine Quote von beinah 50% und auch für die Verhältnisse hier ist das wahnsinnig viel. Die Kinder sterben an Frühgeburtlichkeit, einer vermuteten Lungenfehlbildung, Neugeboreneninektionen und zu kaltem Badewasser. Mit jedem Kind das wir verlieren sinkt meine Frustrstionsgrenze und mit jedem Mal kommt der Gedanke etwas früher "bitte nicht noch eins"! Wer die Geburtshilfe kennt weiß es: ein schwieriger Fall kommt selten allein. Oft sind es Phasen. Phasen die anstrengen und herrausfordern bis hin zu traumatisierend sind und Phasen in denen es gesund und friedlich läuft. In denen jede Geburt ein aufregendes, bewundernswertes Schauspiel der Natur ist. Diese Phase wünsche ich mir.
    Jeden Tag gehe ich nach getaner Arbeit zur Kinderklink wo noch immer das kleine Mädchen der verstorbenen Mama behandelt wird. Ihre Großmutter weicht ihr keine Sekunde von der Seite. Selbst dann nicht als es darum geht ihre eigene Tochter zu beerdigen. Entgegen aller Erwartungen lebt die Kleine und jeden Tag denke: solange sie durchhält schaffe ich das auch.
    Heute wird sie entlassen! Sie ist seit 4 Tagen stabil, trinkt und nimmt zu. Ob oder welche Schäden sie von ihrem schwierigen Start ins Leben davon trägt weiß Keiner. Doch jedes neue Leben ist ein Geschenk.
    Sie geht mit ihrer Großmutter nach Hause. Und ich? Ich bleibe hier!
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  • Day 26

    Fête du travail

    May 1 in Central African Republic ⋅ ⛅ 38 °C

    Was motiviert dich zu deiner Arbeit im Gesundheitswesen?

    1. Foto: Mama Juliette (Hebamme)
    "Unser aller Leben beginnt mit der Geburt. Dabei zu sein wenn Kinder geboren werden ist ein Privileg. Neugeborene und Frauen in der Zeit von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett brauchen unseren besonderen Schutz und ich bin stark genug für diese Arbeit"

    2.Foto: Marius (Projektkoordinator)
    Für Cap Anamur arbeite ich gern weil wir den Menschen hier eine Perspektive geben. Nicht nur den Patienten, auch unseren Mitarbeitern. Außerdem bin ich seit 10 Jahren in dem Projekt, ich kenne das Krankenhaus in und auswendig. An einem Tag bin ich Elektriker, am nächsten Installateur und wieder an einem anderen Verhandel ich mit dem Präsidenten. Auch wenn viele der lokalen Kräfte nicht die beste Ausbildung haben so sind sie doch alle immer bemüht und vor allem sehr herzlich. Ich fühle mich hier einfach wie in einem zweiten Zuhause.

    3.Bild: Prudance (Hebamme)
    "In wenigen Wochen erwarte ich selber mein 4. Kind. Geburten finden jeden Tag statt aber ich weiß aus eigener Erfahrung wie wichtig unsere Arbeit ist. Wenn wir nicht aufpassen können Frauen und Kinder sterben"

    4. Bild: Dr. Fred (Allgemeinmediziner)
    Schon seit ich denken kann habe ich die Ärzte im Krankenhaus, mit ihren weißen Kitteln immer bewundert und schon da habe ich gewusst, irgendwann werde ich auch Arzt.
    Heute behandle ich oft schwer kranke Menschen. Versuche rauszufinden was ihnen fehlt und was sie brauchen... Für die Patienten und ihre Familien sind wir oft die letzte Hoffnung. Das ist eine große Verantwortung, gibt mir aber auch immer das Gefühl etwas nützliches zu tun mit meiner Arbeit."

    5. Bild: Arthur (Assistenzarzt)
    "Wenn man Arzt werden will muss man das sehr wollen denn das Studium und die Arbeit sind sehr hart. Es ist keine Zeit für etwas anderes. Aber ich lerne jeden Tag und ich weiß das ich damit vielen Menschen helfen kann. Außerdem hätte ich sonst den Friseursalon von meinem Vater übernehmen müssen :D"
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