• Horst, Niederlande

    10. juli, Nederland ⋅ ☁️ 25 °C

    Ich bin in Holland bei meiner Freundin. Wir haben uns vor 13 Jahren in Asien bei meiner Rucksackreise kennengelernt. Sie ist Jahrgang 1990 und hat Krebs im Endstadium. Es ist unglaublich traurig, und ich bin unglaublich froh, dass ich hier bei ihr sein kann.
    Die Anreise von Eberswalde nach Horst ist kein Zuckerschlecken. Ich bin fünfmal umgestiegen, und es gab diverse Störungen auf der Strecke. Ein Mensch ist einen Zug vor uns auf die Gleise gesprungen, und daher herrschte ein riesiges Chaos. Der Busfahrer vom SEV-Bus, der sich diverse Male verfahren hat, war dann ein bisschen nerviger, aber trotzdem noch alles im grünen Bereich. Aber Ende gut, alles gut – nach zehn Stunden bin ich am Ziel angekommen.
    Da der Weg von Anfang an sehr lange war, habe ich mich tatsächlich relativ wenig an der Verspätung gestört. Ich war auf alle Fälle super froh, als ich bei Marcha angekommen bin, und ich war sehr froh, dass ich einen Rollkoffer hatte und keine schwere Umhängetasche zum Tragen – das hat mich in Berlin total gestresst. Auch wenn man nur zwei Nächte weg ist, hat man irgendwie doch ein paar Kilos im Gepäck – mit Buch, Bodylotion und Co. –, und auf Dauer wird das ganz schön schwer und schneidet in die Schulter ein.
    Ihr geht es leider gar nicht gut, der Tumor ist riesig und bereitet ihr große Schmerzen. Sie nimmt bereits starke Schmerzmittel, aber wenn sie nicht reichen, nimmt sie noch extra Schmerzmittel in Pillenform. Es macht mich sehr traurig, das zu sehen. Natürlich kommen auch viele Gedanken an den Krebs und den Tod meines Vaters hoch. Ich weine viel und denke sehr viel nach.
    Sie hat nicht viel Kraft und Energie. Nach einer Mahlzeit oder einem Gespräch braucht sie viel Ruhe und muss sich hinlegen oder schlafen. Sie ist erst 35. Und sie ist im terminalen Stadium ihrer Krebserkrankung – es gibt keine Heilungschancen, und sie bekommt hohe Dosen Fentanyl.
    Wir machen am nächsten Tag einen Ausflug mit dem Auto. Ich fahre das Auto, und wir haben einen Rollstuhl dabei. Wir trinken was, essen einen Sandwich, essen Eis und sitzen an der Maas. Abends fahre ich mit dem Fahrrad zum Supermarkt und bereite einen Salat zu. Sie muss viel schlafen, und ich habe viel Zeit nachzudenken. Trotz der unschönen Umstände freue ich mich riesig sie zu sehen und wir haben eine sehr schöne Zeit zusammen. Ich bin froh und dankbar, Zeit mit ihr verbringen zu können.
    In Holland fühle ich mich auf alle Fälle pudelwohl. Alle grüßen einen freundlich – sogar in größeren Orten –, und ich erschrecke mich immer, zucke zusammen und denke, ich habe irgendetwas falsch gemacht. Dabei sind die Menschen hier einfach nur freundlich. Alle wohnen in schicken Backsteinhäusern und haben tolle, exotische Pflanzen in ihren Gärten. Und Fahrradfahrer haben mehr Platz auf der Straße als Autofahrer. Hier haben die Fahrradfahrer auch mehr Rechte als die Autofahrer – wenn zwei Fahrradfahrer nebeneinander auf der Straße fahren, muss der Autofahrer auf die Wiese von der Straße abfahren, um die Fahrradfahrer zu überholen. Völlig undenkbar in Deutschland.
    Und sie lacht sich scheckig, weil ich abbremse, bevor ich in die Ortschaft fahre. Hier wird erst nach dem Ortschaftsschild langsamer gefahren – sie würden nie auf die Idee kommen, nach dem Ortseingangsschild einen Blitzer zu platzieren.
    Der Rückweg ist total chillig. Ich werde um 17 Uhr von einem polnischen Papa mit seiner Tochter direkt von ihrem Haus abgeholt und bis nach Finowfurt gefahren, dort hat mir Tommi das Auto auf den Park&Ride Parkplatz gestellt.
    Um Mitternacht liege ich im Bett und kuschel mich an die Kinder ran.
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