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  • Day 33

    Ein fantasmischer Tag am See

    March 14, 2020 in Paraguay ⋅ ⛅ 38 °C

    San Bernardino

    Der erste von 14 Unterrichtstagen Spanisch liegt hinter uns und wir wollen einen kleinen Ausflug machen, um Land und Leute besser kennen zu lernen.
    Vor den Toren Asuncións liegt das beschauliche San Bernardino am Lago Ypacarai. Obwohl nur ca. 30 km entfernt, ist die Bussfahrt dorthin recht umständlich und dauert mit zweimaligem Umsteigen etwa 1,5 Stunden. San Bernardino ist ein kleiner Ort, der unter den Wohlhabenden der Hauptstadt äußert beliebt ist. Kein Wunder, denn das gepflegte Städtchen bietet eine Atempause vom Verkehr, dem Trubel und der Hitze der Großstadt. Unzählige mehr oder weniger schicke Ferienhäuser reihen sich in den gepflasterten Straßen. Die Gehwege werden von hübschen Büschen, Sträuchern und Bäumen flankiert. Zwischen den Häusern finden sich kleine Restaurants, Cafés, Stores die Abenteuer-Erlebnistage wie Tauchen oder Paragleiten anbieten und der Club Náutico, der mit Pools und Tennisplätzen lockt. An diesem Samstag Vormittag ist es jedoch schon bei unserer Abfahrt in Asuncion auffällig ruhig. Am Busbahnhof sitzen die Frauen vor ihren kleinen Läden und hoffen auf Kundschaft für Snacks, Getränke, Souvenirs, Handyzubehör und vieles andere, doch an potentiellen Käufern mangelt es an diesem Tag. Die Vorwehen von Corona breiten sich auch hier aus.
    Wir steigen in einen der typischen alten Busse, die augenscheinlich schon seit einigen Jahrzehnten im Einsatz sind. Mit uns fahren noch einige Paraguayer. Nach etwa 1 Stunde Busfahrt sollen wir aussteigen. Wir stehen an einer Kreuzung zweier Landstraßen. Sonst ist da nichts, nur ein paar Polizisten, die die passierenden Autos kontrollieren. Es ist heiß, die Sonne burnt our skin red, wir suchen Schutz in einem kleinen Holzverschlag. Überraschenderweise handelt es sich um einen Snackstand, der Chipa anbietet. Wir kaufen eins der Gebäckstücke aus Maismehl und trinken dazu eine kalte Cola. Als wir nachfragen, wann denn der nächste Bus nach San Bernardino komme, bekommen wir die ernüchternde Antwort, dass es heute nur sehr wenige Busse gäbe und niemand genaueres sagen könne. Also warten wir. Unterdessen steigt ein älterer Herr aus einem anderen Bus. Recht aufgewühlt kommt er zu dem Stand und erzählt der Verkäuferin mit großen Gesten etwas, was wir nicht gleich verstehen. Doch ehe wir uns versehen berichtet er uns seine Geschichte erneut. Er habe im Bus eine junge Frau gesehen, die so ein knappes Höschen getragen habe, dass man alles, aber wirklich alles gesehen habe. Das müsse doch nicht sein. Die jungen Leute verstehe er nicht mehr. Noch ehe wir antworten konnten, war der Herr schon kopfschüttelnd weitergegangen.
    1 Stunde später erreichen wir dann endlich unser Ziel: San Bernardino. Wir sind die einzigen, die ausstiegen. Wir laufen eine Gasse hinunter zum See. Hübsch, idyllisch. Ein breites Seeufer, ein Steg, ein gepflegter Gehweg mit Wassersprühanlagen zum Abkühlen. Aber etwas fehlt: Menschen. Erst nach 10 min entdecken wir ein junges paraguayanisches Pärchen, die am Ufer turteln.
    Wir spazieren eine Weile am Ufer des Sees entlang in dem man leider wegen der Wasserverschmutzung nicht baden kann. Alles ist ruhig und friedlich. Kein Lärm, kein Verkehr. Fast wie ein Pueblo Fantasma - fast wie eine Geisterstadt.
    Vom Hunger angetrieben, schlendern wir durch die leeren Straßen auf der Suche nach einem geöffnetem Restaurant. Wir hören Gelächter, vertraute Wörter, vor uns ein weiß-blau kariertes Schild: Restaurant OKTOBERFEST. Der Besitzer und zwei seiner Gäste sitzen auf der Terrasse, trinken Weißbier und tauschen in urbayrisch die neuesten Gerüchte über das Corona Virus in Paraguay aus. Angeblich wolle die Regierung den Konsum von Alkohol verbieten, da dieser für die Produktion von Desinfektionsmittel gebraucht werde. Als ob, denken wir uns! Sollen sich die Leute mit Bier desinfizieren oder wie? Es stellt sich aber letztlich doch als FakeNews heraus. Zwar ist es seltsam so weit weg von Zuhause und hier im gefühlt menschenleersten Ort des Landes in einem bayrischen Restaurant zu sitzen, aber die Käsespätzle und die Kaspressknödel schmecken ausgezeichnet.
    Erst verabschieden sich die zwei älteren deutschen Herren und düsen in einem Chevrolet Camaro ab, dann ziehen auch wir weiter, um den Rückweg nach Asuncion anzutreten. Wir warten und warten. Kein Bus in Sicht. Nach etwa 45 Minuten kritzeln wir auf Juliane Spanischhausaufgaben, die sie zufällig einstecken hatte, in großen Lettern ASU (Asunción) und halten es den vorbeifahrenden Autos entgegen. Allesamt dicke SUV´s. Aber keines hält an. Als wir schon fast den Mut aufgeben wollen, stoppt ein Kleinwagen. Ein junger Paraguayer, José, nimmt uns mit. Wir unterhalten uns gut und gehen sehr sehr positiv aus unserer ersten Tramperfahrung heraus.
    Als wir wieder in Asunción ankommen ist es bereits dunkel, die Straßen sind fast leer.

    MP
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