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  • Day 14

    Amazonaskreuzfahrt „Fenix II“

    July 16, 2022 in Brazil ⋅ ⛅ 31 °C

    Die Nacht in Leticia war kurz.
    Eigentlich hatte ich geplant auszuschlafen, aber meine Zimmernachbarn obendrüber scheinen einen frühen Flug zu haben und taub sind Sie noch dazu.
    Der scheiß Wecker klingelt seit 4.30 Uhr munter vor sich hin und keiner bequemt sich da oben auf den Knopf zu drücken. Wenn ich einmal wach bin, dann wird es schwierig wieder in den Schlaf zu finden. Koffer werden da oben gepackt und als die endlich ausgecheckt haben, werden die Zimmernachbarn nebenan wach und fangen an zu packen.

    Also 06.30 Uhr aufstehen und leicht angefressen zum Frühstück. Manch ein schlechter Start in den Tag wird sich später als positive Fügung herausstellen.

    Heute muss ich es schaffen das Ticket für die Rückfahrt nach Manaus zu organisieren. Die wichtigsten Sätze bezüglich der Buchung einer Kabine nach Manaus habe ich in Spanisch und Portugiesisch aufgeschrieben und ich hoffe es klappt irgendwie am Hafen.

    Ich nehme mir vor dem Hotel ein Motortaxi (Tuktuk) und habe mit dem älteren Herren am Steuer viel Glück. Ich erkläre mein Vorhaben an den Hafen nach Tabatinga zu fahren, Ticket buchen und wieder zurück ins Hotel. Wir vereinbaren einen Stundenpreis und er bringt mich überall hin und wartet auf mich.

    Es gibt auch Arschlochtaxifahrer - der Drecksack bei der Ankunft am Flughafen Tabatinga hatte mich gepflegt übers Ihr gehauen. Für eine kurze Fahrt nach Leticia hatte er damals mehr verlangt, als dieser Mann in einer ganzen Stunde. Obendrauf hatte der damalige Fahrer keinen Plan, wie er die Anschrift meiner Dschungelagentur in Leticia finden soll und ist planlos in der Stadt herumgeirrt und musste mehrfach fragen. Ich bin damals einfach irgendwann ausgestiegen und habe Ihm sein überteuerten Preis in die Hände gedrückt. Zum streiten sollte man sich verständigen können und bei dieser Reise werde ich dabei immer den Kürzeren ziehen.

    Mit meinem heutigen Glücksfall-Taxifahrer erstmal zur Bank. Ich brauche eine größere Menge Cash, da die Überfahrt am Hafen bar gezahlt werden muss (Ticketpreis vier Tage/ 3 Nächte inkl. Verpflegung ca 220,- EUR). Gegen 09.30 Uhr kommen wir am Hafen in Tabatinga an. Die meisten Reisenden buchen die Überfahrt am offenen Deck mit Hängematte. Das wäre die günstigere Variante, aber die Decks sind mit Hängematten geflutet und hängen dicht an dicht. Es ist eng, gerne auch laut und außerdem habe ich als Alleinreisender ein Risiko, dass mein Gepäck am Schiffsdeck vollkommen unbeaufsichtigt wäre.

    Also war klar, dass ich mir eine kleine Kabine für die vier Tage nehmen werde. Gemäß den Bildern im Internet handelt es sich um metallene, kleine Löcher (sehen eher wie Gefängnisszellen aus) mit einfachem Bettgestellt, optimalerweise einer kleinen Klimaanlage und sehr einfachen Bad mit Amazonas-Biospühlung. Jeden Tag kommen andere Schiffe von unterschiedlichen Reedereien an und die Ausstattung, Kabinengröße und Preise können sich individuell unterscheiden. Es ist ein bisschen Glückssache, was man letztlich vorfindet.

    Mein Fahrerer unterstützt mich bei der Buchung. Das heutige Schiff legt bereits um 12.00 Uhr in Manaus ab. Wir sollen in einer Stunde reisefertig am Hafen stehen. Mein gesamtes Zeug ist noch im Hotelzimmer, also rapido - rapido.
    Mit dem Tuktuk zurück nach Leticia, schnell Sachen packen, auf dem Rückweg noch ein paar Lebensmittel einkaufen und wieder zurück zum Hafen. Mein Taxifahrer unterstützt mich sehr. Das Ticket muss an irgend einem Schalter abgestempelt werden. Anschließend muss man in ein Büro der Hafenpolizei. Dort werden Reisepass und Ticket geprüft und ein Foto für die Akten geschossen.

    Wir haben alles super hinbekommen - nicht zuletzt Dank meines kolumbianischen Tuktuk-Fahrers. Vielen Dank!
    Wäre ich heute Vormittag nicht so früh von den Nachbarn geweckt worden, wäre das zeitlich nicht möglich gewesen.

    An Bord der „Fenix II“ bekomme ich die Schlüssel für meine Kabine zugeteilt und kann es überhaupt nicht glauben. Wow - das ist ja eine Präsidentensuite :)
    Supergroß, schön eingerichtet und sogar Fernsehen und Bettzeug sind vorhanden. Jackpot! Das ist Luxus pur im Vergleich zu den Wohnklos aus dem Internet. Hier lässt es sich prima aushalten und ich fühle mich wie der größte Glückspilz in ganz Brasilien.

    Unser Schiff ist verhältnismäßig klein bis mittelgroß. Der vordere, untere Ladeteil ist mit einigen Autos, Motorrädern und Stückgut beladen. Es gibt insgesamt drei Decks und am Ende des Schiffes eine kleine Bordbar/ Bordkiosk. Das Bier ist saugünstig und die Musik im Kiosk schallt aus allen Rohren. Die arme Frau darinnen muss stark schwerhörig sein, um das den ganzen Tag zu ertragen. Jetzt verstehe ich auch die Menschen, die Ihren Wecker um 4.30 Uhr nicht hören können … *grins*

    Der Sonnenuntergang ist grandios und mit einem kühlen Bier in der Hand und dem Blick auf die vorbeiziehenden Landschaften des Amazonas könnte es gerade auf keinem Kreuzfahrtschiff der Welt schöner sein.

    Als ich abends in meine Kabine gehen möchte, kommt nochmal ein Angestellter vorbei und möchte mein Ticket sehen. Ich müsste leider die Kabine wechseln. Meine aktuelle Kabine ist für Familien reserviert und in der Nacht werden Passagiere für diese Kabine einsteigen.

    NEEEEIIINNN - die wollen mir meine Präsidentensuite wieder wegnehmen *heul*.
    Ich bekomme eine kleine Kabine nebenan zugeteilt. Diese ist, wir vorab erwartet, spartanisch. Doppelstockbett, kein Bettzeug und das Badezimmer müffelt vor sich hin. Ich werde die sanitären Anlagen auf dem Hauptdeck nutzen und meine Badezimmertür bleibt für den Rest der Reise geschlossen.
    Eine Klimaanlage ist vorhanden, nur die Fernbedienung hierzu fehlt. Jetzt bin ich wieder auf dem Boden der brasilianischen Tatsachen angekommen. Trotzdem ist diese kleine Kabine noch besser, als die Bilder aus dem Internet. Also sollte ich mich nicht beschweren.

    Das Schiff bahnt sich auch während der Nacht den Weg über den Amazonas. Es ist stockdunkel und alle 30 Sekunden leuchtet ein riesiger Suchscheinwerfer das Wasser vor uns ab. Es gibt hier viel Treibgut auf dem Amazonas. Das Schiff sollte bestenfalls in keinen herumtreibenden Baum knallen. Aber die Jungs gleich nebenan auf dem Kommandostand werden das schon machen. Ich kann die Funksprüche aus dem Kommandoraum hören. Ohrenstöpsel rein und meine erste Nacht an Bord schlafe ich erstaunlich gut.

    Den Wecker klingelt um fünf Uhr. In der Lodge ging es um diese Uhrzeit immer zur Sonnenaufgangstour. Es ist noch stockdunkel und das Schiff steuert die Ortschaft „Amatura Filomeno Felix“ an. Beim Näherkommen hören wir auf einmal Feuerwerk, die Ortschaft ist geschmückt und viele Menschen stehen frühmorgens, feiernd auf der Straße. Die Leute starten Feuerwerkskörper aus langen Rohren in den Nachthimmel. Als die Sonne um 06.00 Uhr aufgeht, fangen die Glocken der kleinen Kirche an zu spielen. Die Menschen ziehen in einer Art Parade die Straße hinunter und verschwinden auf die andere Seite des Städtchens. Ich hätte gerne gewusst, wer oder was hier gefeiert wird. Mein Geburtstag ist erst im Oktober - also ich bin’s schonmal nicht ;)

    Unser Schiff hält gefühlt 2-3x täglich in einem neuen kleinen Hafen und Waren und Menschen steigen ein und aus. Wenn der Kapitän in den Hafen einfährt, hupt das Schiffshorn drei Mal laut.
    Ansonsten gibt es auf dem Schiff einen festen Rythmus. Frühstück gegen 06.00 Uhr, Mittag gegen 11.00 Uhr und Abendessen ist für 17.00 Uhr veranschlagt. In meine Präsidentensuite sind gestern Nacht drei Frauen eingezogen - sehr nette Leute und die drei können (fast) nichts dafür, dass mir mein Luxus geraubt wurde ;) Die Kabinengäste dürfen immer schon vor den anderen Gästen zu den Mahlzeiten und haben das frische Buffet für sich alleine. Fühlt sich gegenüber den vielen anderen Passagieren irgendwie nicht fair an.

    Den zweiten Tag der Schiffsreise verbringe ich träge im Bett. Die Toilette ist mein neuer bester Freund geworden. Keine Ahnung, ob es der Kaffee oder der Salat war. Ich habe mir mal wieder etwas eingefangen und bin sehr froh über mein eigenes Badezimmer. Ich habe mein Buch „Der letzte Herr des Waldes“ über das indigene Volk im Südamazonas zu Ende gelesen. Ein sehr bewegendes Buch und klarer Kauftipp für interessierte Leser.

    Ansonsten genieße ich die Fahrt auf dem Amazonas sehr. Ich kann die Nächte an Bord, mit meinen Ohrstöpseln, hervorragend schlafen und fühle mich am nächsten Morgen ausgeruht. Die 4tägige Schiffsreise wird zu meinen Highlights in Brasilien zählen. Ganz besondere Momente auf dem Schiff sind der tägliche Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Die Natur holt seine gesamte Farbpalette heraus und malt den Himmel in die schönsten Farben.
    Nachts leuchtet über uns einen strahlender Nachthimmel. Manchmal kann man am Horizont Wetterleuchten von entfernten Gewittern beobachten. Der Himmel wird immer wieder kurz von Blitzen durchzogen. Am Amazonas gibt es keine Lichtverschmutzung und der Nachthimmel über uns ist mit leuchtenden Sternen geradezu gepflastert.

    Zum Schluss noch eine kurze Information für angehende Schlaumeier: genau genommen fahre ich gerade überhaupt nicht auf dem Amazonas, sondern auf dem Rio Solimões.

    Der Amazonas heißt von der Quelle in den Anden, bis zur peruanischen Staatsgrenze „Amazonas“. Ab der Grenze zu Brasilien (Tabatinga/ Leticia) bis zur Mündung des Rio Negro bei Manaus ändert sich der Name in Rio Solimões. Von Manaus bis zur Atlantik-Mündung in Belem heißt der Fluss dann wieder Amazonas. Mit solch einem Geheimwissen kann man die 1.000.000-Frage bei Günther Jauch locker abrocken 😜
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