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  • Day 5

    Den Moment nutzen

    February 27, 2022 in Portugal ⋅ ⛅ 18 °C

    "Quero um café e um croissant, por favor."
    "Quer comer aqui?"
    Ich nicke müde. Ich bin müde, hatte wenig Schlaf. Frühstück mit dem Iren. Langsam los. Heute ist mein letzer Tag auf der Rota Vicentina. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, könnte noch weiterlaufen bis ganz runter zum Kapp. 20 Kilometer, ich gehe extra langsam.

    Ein plätschernder Bachlauf, zwei Mal hoch und runter, Tritte suchen, dann bin ich warm. Ich laufe am hinteren Zaun eines Tiergeländes lang. Lamas, Strauße, Zebras... Es bleibt sandig und warm. In einem Pinienwäldchen leere ich wiedermal Sand aus den Schuhen.

    Heute gibt es ein paar Buchten, aber keine Strandpassagen. Nach 8 Kilometern steige ich in eine Bucht ohne Fussspuren hinab. Der Pfad den ich nutze wird von einem kleinen Wasserfall umspült. Glitschig. Nicht fallen! Und noch nicht an den Aufstieg denken. Pause im Sand ganz allein vor den tosenden Wellen. Allein im Atlantik "schwimmen", Check. Ich mache noch gefühlt 200 Fotos. Jemand steigt hinab, auf einem noch schlechteren Pfad. Ich sorge mich ein wenig. Dann erkenne ich den Iren an seiner Kleidung und entspanne mich. Der weiß was er tut.

    Aufstieg. Der sonnendurchflutete Nebel der Gischt über saftigem Grün auf dem Hang. Ich suche lange nach dem Wort, das meine Stimmung dazu beschreibt: Mystisch. Weiter über Sand und Felsen. Dann knicke ich um. Das nie richtig verheilte, instabile Sprunggelenk. Ich habe schon drauf gewartet. Ich laufe den Schmerz raus und noch während ich mich ärgere, knicke ich erneut weg. Auf einem Abstieg im Gebüsch. Ich falle nach vorn, schlage mir die Knie auf, ein Ast ratscht mir den Arm auf. Der Fuß wird sofort heiß, Adrenalin schießt ein. Mir ist schlecht und schwarz vor Augen. Mühsam geht es mit Steigung aus dem engen Gebüsch heraus. Ich setze mich auf die Klippe, stille das Blut und stelle erleichtert fest, dass alles gut ist.

    Ich trote zwei Wanderern hinter her. Sie folgen dem Weg. Ich folge ihnen. Mir folgt der Ire. Und bald lachen wir alle über den mühseligem Umweg auf heißem Asphalt, den wir nehmen, statt an der Küste abzukürzen. Smalltalk, Politik, Ukraine. Dann zieht er von danen. Er will den Abendbus kriegen.

    Meine Laune hellt sich auf als ich die Bar auf der Klippe entdecke. Ich setze mich auf eine Mauer, lehne mich an die warmen Steine, schlüpfe aus den Schuhen und genieße Kaffee und Kaltgetränk. Der Kellner kommt aus dem Osten - Sachsen, dann Mecklenburg, hilft bei Freunden aus. Ich starre auf den Horizont, bestelle nach. Irgendwann gebe ich mir einen Ruck, doch der Kellner mahnt zu bleiben.
    "Es wird nicht schöner. Bleib noch. Schuhe wieder aus, was möchtest du essen?"

    Und er hat Recht. Nach tollem Essen mache ich mich um 4 Uhr auf den Weg. 8 Kilometer zu gehen. Weniger Fotos, den Sonnenuntergang im Kopf. Die Hitze ist verschwunden, die Sonntagsausflügler auch. Nach 2 Kilometern verabschiede ich mich vom Meer und steige in ein Fußtal hinab. Der Weg auf Asphalt, das Tal in wunderschönes Abendlicht gehüllt. Camper rasen an mir vorbei, suchen gute Plätze für die Nacht. Eine junge Frau mit Rad schlägt ihr Zelt auf, verborgen vor dem Verkehr, aber nicht vor mir. Schafe stehen auf der Straße. Ich genieße jeden Schritt. Mit den letzten Sonnenstrahlen erreiche ich mein Ziel.

    Ich habe mich auf ein ruhiges Bier gefreut, darauf andere wieder zu sehen. Aber alles ist laut und durcheinander. Karneval. Ich checke ein, gehe noch eine Pizza essen, beende den Abend früh im kalten Zimmer. Es kann nicht alles Highlight sein.
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