• Ein besonderes Band

    26 février 2022, Portugal ⋅ ⛅ 17 °C

    Ich starte mit zwei Kaffee in den Tag. Es ist noch kühl, aber die Vögel kündigen einen tollen Tag an. In der Gemeinschaftsküche erfolgt ein kurzer Wetterbericht. Dann auf zum Minimarkt. Die Wanderin aus Finnland frühstückt vor dem Laden. Sie hat ein paar Wochen in Lissabon verbracht und ich erfahre, wie ich den halben Tag auf der Rückreise gut nutzen kann. Der Ire kommt hinzu. Ich bestelle mit Händen und Füßen, "sim" und "não" ein Sandwich - aber ohne den "buem" Schinken. Ich bekomme ein kleines Brötchen mit Käse und kaufe lieber noch ein paar Nüsse. 21 Kilometer liegen vor mir. Weit vor 9 Uhr - ich bin früh.

    Es geht über eine Schotterpiste. Sehr gut zu laufen und ich genieße es, Wellen und Gischt zu beobachten ohne schauen zu müssen wo ich hintrete. Ich liebe den Atlantik, die Felsen, die Farben und ich sauge meine Umgebung mit allen Sinnen auf. Doch bald kommt wieder der Sand. Ich arbeite mich vor, froh, dass der Sand nicht trocken ist. Bei den Anstiegen kann ich die Fußstapfen meiner Vorgänger*innen nutzen. Ich erkenne das deutsche Ehepaar, die mir unbekannte Spur und natürlich Caro mit den Stöcken. Ich schwitze, die Sonne ist jetzt schon sehr stark.

    Ich überhole zwei junge Frauen aus Italien. Hinter mir erkenne ich bald den Iren und die Finnin. Auf jedem Camino hast du deine Gruppe...

    Der Ire ist ohne Gepäck unterwegs (ich möchte auch so fit sein in seinem Alter!). Er zieht während einer meiner Fotopause an mir vorbei. Ich stampfe durch den Sand langsam hinter ihm her. Der Fischerweg ist übrigens super für alle die beim Wandern vergessen, auf die Markierung zu achten. Abgesehen davon, dass die Richtung ganz klar ist (links Land, rechts Wasser, immer gerade aus... :) ), ist die Markierung Klasse. Nicht nur der Weg, sondern auch falsche Wege sind gekennzeichnet.

    Heute geht es den ganzen Tag auf der Steilküste lang. Bald erreiche ich einen Wald. Ich nutze einen Baumstamm um Sand auszuleeren (ich habe riesen Respekt vor Blasen). Die Finnin läuft lachend an mir vorbei. Dann kommt Caro!
    "Ich dachte du bist vor mir!"
    Schnell klärt sich, dass es eine weitere Person mit Stöckern geben muss. Wir lachen, tauschen Erlebnisse der letzten Tage aus und reden über alles und nichts. So läuft es sich leicht.

    Bald erreichen wir den Leuchtturm Farol Cabo Sardão. Wir laufen an Lämmern vorbei. Im Ort gibt es einen Minimarkt. Die alte Dame hinter der Theke lächelt und erzählt mir mit strahlenden Augen. Es klingt wie "Du erinnerst mich an...", aber vielleicht warnt sie mich auch vor der Sonne. Die Sprache klingt so schön, aber entweder du kannst es direkt ableiten oder du kommst nie drauf... Ich hätte gern gewusst, was sie sagt.

    Wir kaufen uns Kaffee und Kuchen. Gönnen uns diesen Moment. Die Finnin kommt dazu. Und die beiden Italienerinnen. Wir quatschen und lachen und ich will diesen Moment für immer wahren. Die beiden Italienerinnen sind mit einem Rucksack, einer gebrochener Schulter und einem gebrochenem Arm unterwegs.
    "So, Snowboarding is dangerous?"
    "Sim."
    Eine Katze hüpft bei der Finnin auf den Schoss, schläft ein. Bevor es zu entspannt wird, brechen wir auf.
    "Sorry, but you can't take a cat to the trail!"
    "You have to stay here. Sleeping cat, you know the rule..."
    "Do YOU wan't the cat?"
    Wir albern herum. Dann ziehen Caro und ich weiter. Ich genieße die Zeit, die Landschaft, Caros Gesellschaft. An der Steilküste brüten Störche. Wir machen Mittag, sehen staunend zu.
    Die Kilometer verfliegen. Bald sind 15 km um. Caro gönnt sich noch ein Päuschen. Mein Ziel ist der Schuppen auf dem nächsten Berg, der eine Bar sein könnte. Ich kraxel eine Treppe runter und laufe die Straße hoch. Die Bar- ja, es ist eine! - fest im Blick. Kaffee und Bier, ohne. Schöne Pause.

    Ich komme an einem tollen Fotomotiv vorbei. Eine schräge Minihütte auf einem Felsvorsprung über dem Meer, daneben ein Stuhl. Ich will es fotografieren, aber der knurrende Hund, der mich schon einige Meter begleitet, hält mich doch davon ab.

    Die letzten Meter sind schwer. Heute wurden die Wege zwar immer weniger sandig, aber die Füße sind dick und heiß, die Sonne brennt und vor mir liegen 3 Kilometer Asphalt. Ich komme an Caro vorbei, die eine Pause im Schatten macht. Dann treffe ich Niederländer mit Camper, wir reden eine Weile über das tolle Land. Ich schwöre, dass mein Herz trotzdem in Zeeland (NL) bleibt.

    Dann holt Caro auf. Wir steigen zusammen eine ewig lange Treppe in eine Bucht hinab. Staunen, kühlen Füße, finden Seeanemonen und ich MUSS ins Wasser. Aber nur hüfttief. Die Strömung zerrt so stark, dass ich nur schnell untertauche und wieder festen Boden suche. Ich habe in den letzten Tagen all die Kraft des Wassers gesehen und gehört. Ich habe tiefen Respekt.

    Die Sonne spiegelt sich auf den nassen Felsen. Wunderschön.
    Ein toller Abschluss für einen großartigen Tag - der mit 197 Stufen endet. Das jedenfalls ruft die Portugiesin uns zu, die lachend an uns vorbei springt.

    Caro biegt zum Campingplatz ab. Ich treffe das deutsche Ehepaar im Laden. Draußen rede ich lange mit einem jungen Portugiesen über den Ort, die fehlende Arbeit, Covid und seine Träume. Später sehe ich noch dir Finnin beim Sonnenuntergang und die Italienerinnen bei der Suche nach Essen. Lachen. Verbunden sein und doch getrennt unterwegs. Das ist ein so schönes Band.

    Essen finden ist schwer. Alles ist zu. Die Bar, die ich betrete schließt gerade. Ich bekomme noch ein Sandwich. Es kommt mit Thunfisch. Aber zum Glück war es nicht meins. Kurzerhand wird es zum Nachbartisch getragen, obwohl ich schon fast reingebissen habe... ;)

    Ich betrete mein Zimmer. Es ist warm! Keine ausgekühlten Wände, dicke Decke. Nichts macht mich gerade glücklicher.

    Ein wenig traurig schaue ich auf den Tag. Heute früh lagen zwei riesige Etappen vor mir. Ich war mir noch immer nicht sicher, ob ich sie schaffe. Nun ist morgen schon das Ende erreicht.
    Aber ich bin froh über meine kleine Reise, über den Mut, all die Eindrücke und die tollen Menschen.

    Müde, kaputt. Bereit für den nächsten Tag. Der startet mit Berg, das habe ich schon gesehen...
    En savoir plus