Canada
Wildwood

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Travelers at this place
    • Day 8

      Neues vom Hitchhiker

      August 22, 2017 in Canada ⋅ 24 °C

      Für mich galt also: Edmonton mal wieder verlassen und zwar auf direktem Wege ;) Mein Ziel waren die Nationalparks der Rocky Mountains, deren geniale Bilder man so oft in Naturdokus o.ä. sieht. Die Frage war nur noch, wie... Der Bus fährt einmal täglich von Mitternacht bis 5 Uhr morgens die 350 km bis zum Nationalpark. Der Zug jeweils von 6.30 Uhr bis 11.30 Uhr. Beides jetzt nicht die Traumreisezeiten, wenn man auch noch eine halbe Stunde von Bus- und Zugbahnhof in Edmonton wegwohnt. Die Tourbusse waren alle schon ausgebucht und ein Taxi hätte mich ja ein Vermögen gekostet. Daher buchte ich eine Tour durch eben diesen NP und einen anderen für den nächsten Tag und machte mich nach dem Frühstück auf, um wiedermal per Anhalter zu fahren. In den folgenden Stunden habe ich diese Entscheidung mehrmals verflucht und dieses Erlebnis möchte ich als Vierteiler erzählen, denn die Geschehnisse hätten so genauso gut auch in einem Blockbuster auftauchen können :)

      An dieser Stelle einmal Werbung in eigener Sache: Wer nochmal mein erstes Tramp-Abenteuer in Costa Rica nachlesen möchte hier der Link:

      http://latinoblog13.auslandsblog.de/2014/04/ (Eintrag 2. April)

      Teil 1

      Obwohl noch etwas Wind wehte, schien die heiße Mittagssonne gnadenlos auf mich herab. Ich war bereits rund sechs Kilometer quer durch Edmonton gelaufen, mit dem Ziel des Highways #16, der mich gen Westen in den Jasper National Park bringen sollte. Die Auffahrt von Downtown aus schien mir ganz praktisch zu sein, da 300 Meter weiter eine Einfahrt Platz zum Anhalten geben würde. Ich holte meinen Block heraus und schrieb in Grün JASPER drauf, so groß, wie es ging. Dann stellte ich meine beiden Rucksäcke gut sichtbar vor mir auf und begann, die Fahrer nacheinander anzulächeln. Wie konnte es nur soweit kommen? Irgendwie war schon auf der Busfahrt von Victoria der Wurm drin und Karma zog ihre Kreise während des ganzen Aufenthaltes im wundervollen Edmonton. Jetzt stand ich hier, wie ein Landstreicher und hoffte, dass irgendeiner dieser netten Vorbeifahrer anhalten würde. In Gedanken versunken passierte dies tatsächlich auch nach 15 Min des Wartens. Ich musste echt weit laufen, weil der Pick-Up erst so spät gehalten hatte. Ich musste auch noch kurz warten, bis der Fahrer, der um die 30 war, den Beifahrersitz von Pfandflaschen, Klamotten und Unrat befreit hatte. Ich öffnete die Tür und wunderte mich, wie so ein "Auto" überhaupt noch fahren konnte! Man konnte wie bei Galileo, die einzelnen Kabel von der Schaltung bis zum Lenkrad zurückverfolgen, die Beifahrertür hatte weder Öffner noch Verkleidung und das ganze Armaturenbrett bastand nur aus Styropor. Ich wollte mich ja dann anschnallen, wenn es nur einen Gurt gegeben hätte. In Deutschland hätte ein Schrottplatzbesitzer wahrscheinlich sogar die Verschrottung verweigert ..."Why don't you stand on the Highway?" war meine freundlich Begrüßung des Fahrers, der neben einem blauen Auge auch einige Beulen und eine Glatze hatte, überall tattöwiert war und dessen bleichen Ärmchen aus seinem dreckigen Achselshirt herausschauten. Nach kurzem Smalltalk während der ersten Kilometer, fragte er dann, ob ich ihm etwas Benzingeld geben könnte. Natürlich, er brauchte das Geld ja schließlich. Dann wurde es etwas dubios, als er mir unbedingt Drogen verhöckern wollte, ein wenig Gras und Pillen. Er glaubte mir nicht, dass ich keine brauchte und nach 20 Minuten, war er "zuhause", also sollte ich aussteigen. Er wiederholte sein charmantes Verkaufsangebot und ich gab ihm dann 30 $, damit er mich gehen lässt. Jetzt stand ich auf dieser Autobahnbrücke (Spruce Grove) und hörte meine fahrgelegenheit davonquietschen.

      Teil 2

      Ich hatte genug, ich konnte wirklich nicht mehr diese Indianermusik hören. Dafür waren die Boxen einfach zu laut. Nach einer guten halbe Stunde Wartezeit, hatte ich den grauen Pick-Up gar nicht über zwei Spuren einscherend an mich vorbeirauschen sehen. Ich hatte einfach weiter jeden einzelnen angelächelt. Der Pick-Up hatte dann gehupt, und ich war wirklich eingestiegen. Dann bekam ich von zwei Indianern, die sehr einsilbig waren, eine tragbare Box in die Hand gedrückt mit den genuschelten Worten "damit du mal gute, kanadische Musik zu Ohren bekommst". Während ich also diese Box hielt, die einen Kriegs- oder Friedensarie nach der anderen trällerte, rauchten der etwa 40-jährige Fahrer und ein Zwanzigjähriger auf dem Beifahrersitz Pfeife - und natürlich Friedenspfeife. Als die eintönige Landschaft so an mir vorbeizog, fragte ich mich ernsthaft, ob es so schlau war, einfach naiv zu irgendwelchen Fremden ins Auto zu steigen und ob ich die ganzen Kilometer noch schaffen könnte. Ich hatte ja bereits ein gebuchtes Hotelzimmer und da Jasper um diese Zeit echt ausgebucht ist, auch ein recht Teures. Stornieren war nicht möglich. Ich erinnterte mcih autoomatisch, an das letzte Mal, als ich per Anhalte gefahren war, damals in Costa Rica, als kein Bus mehr fuhr und ich nach 15 km nicht mehr weiter laufen konnte. Dasselbe ungewisse Gefühl und denselben Respekt davo, ob dich überhaupt nochmal jemand mitnehmen wird. Die Musik verstummte, der Fahrer sagte, wir wären jetzt da, in Wabamun. Er zwang sich zu einem Lächeln und wünschte mir noch "Good luck", bevor er um die Ecke bog. ich war fast schon begeistert, dann auf der anderen Straßenseite eine Tankstelle zu sehen. ich war inzwischen echt durstig.

      Teil 3

      Wie kann man nur seine eigene Frau und Kinder schlagen? Ich musste mich immer und immer wieder diese Frage stellen, weil meine nächste Fahrerin mich genau das auch immer und immer wieder fragte. Sie war gerade - und zwar wirklich genau auf der Fahrt - auf er Flucht vor ihrem Mann, der trinkt und sie schlägt. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal scheiden lasse." Ich wusste leider nicht so recht, wie ich reagieren sollte und hörte ihr nur aufmerksam zu, es tat ihr sichtlich gut, mit jemandem zu reden. Ich saß also im Auto mit einer psychisch-unstabilen auf der Flucht. Ihr tat es echt leid, dass sie mich nur gute 40 Minuten mitnehmen konnte, der nächste Stop war nämlich hier in Wildwood, am Arbeitsplatz des ältesten Sohnes. ich hatte dann aber tatsächlich Verständnis für ihre Situation und war megadankbar, dass mich überhaupt jemand nach 3 Stunden am Highway mitgenommen hatte. Es war inziwschen halb 6, also die Zeit, zu der ich am Zielort sein wollte. Sie hielt an, kaufte sich und mir Wasser - ich wollte zwar keins, aber das juckte sie wohl scheinbar wenig - und entschuldigte sich dann nochmal für die Unordnung. Bevor sie das Wasser holte, nahm sie ihr Portemonnaie, ihre Zigaretten und ihr Handy und sagte ganz trocken: "Ich vertraue dir zwar, aber ich vertraue dir nicht." Meine Recherche im Vorfeld war doch so vielversprechend ausgefallen: "In Kanada als Mutterland der Highways zu Trampen ist kinderleicht, unkompliziert und macht sehr viel Spaß." Dies wurde sogar auf sehr vielen Internetseiten bestätigt. Nur eben scheinbar nicht bei mir. ich musste mich ja fast mehr um meine fahrerin kümmern als sie sich um mich. Man sah förmlich, dass sie in kurzer Zeit ihre wichtigsten Sachen ins Auto geschmissen hat und einfacht los ist. Ih fühlte mich echt schlecht, ich kam mir wie noch ein zusätzlicher Balast vor, aber sie meinte nur, sie hätte ja nicht anhalten müssen, sie fände es toll, wenn junge Menschen genau so reisen und einfach das Leben genießen. In kürzester Zeit kannte ich ihre Lebensgeschichte und hätte durchaus eine Biographie schreiben können, Zeit dafür hätte ich auch noch gehabt...

      Teil 4

      Jetzt wurde es dunkel. Der Elektrotechniker Joe erzählte mir die xte seiner Frauengeschichten, dabei war er nicht mal besonders ansprechend: Er war stark übergewichtig, behaart und hatte nicht mehr viel Haar unter seiner kaputten Cap, nur seine große Hornbrille schien neu zu sein. Ich durfte bereits Natalia aus Russland, Mary-Anne aus Kananda, Sara aus Dubai und seine Ehefrau aus Kasachstan per WhatsApp-Bilder kennenlernen. Dann erzählte er mir von Maria, zu der er jetzt hinfährt und ein paar "schöne Tage" verbingt, wie er sagte. Ich war überaus froh, dass er nach guten zwei Stunden nach der Fahrt mit der Ex-Ehefrau angehalten hatte, und mich fragte, wieso ich so spät noch unterwegs sei. Er bot mir ein gekültes Bier an und machte sich ebenfalls eins auf, dann sprach er mich auf meinen Sonnenbrand an, von dem ich bis dato nichts ahnte. Danach berichtete ich von meinen bisherigen Anhaltererlebnissen an diesem Tag und er lachte ganz dreckig. Mit den Worten "Wir Kanadier sind schon alle ein wenig verrückt" machte er sich einen kanadischen Whisky auf und spülte mit Diet-Pepsi hinterher. Ich hatte so keine Lust mir, dass mich das ehrlicherweise auch nicht weiter störte. "Ich habe eine Regel: Don't drink pure alcohol and drive! Wenn man es mischt, dann geht's!" Achso, das machte natürlich Sinn und war meines Wissens auch mit dem kanadischen Gesetz vereinbar.
      Wir kamen in der Kleinstadt Edson an, was etwa zwei Drittel meiner Strecke entsprach. Er würde ab morgen dort auch arbeiten. Daher fuhren wir zu eingezäunten Garagen und er zeigte mir irgendwelche elektronischen und maschinellen Gerätschaften, von denen ich auf Deutsch schon nichts verstehe. Ich fragte, ob ich gehen solle, aber Joe bestand darauf, mich wenigstens noch an das andere Ende der Stadt zu bringen und dort an der Tankstelle die Trucker zu fragen, ob nicht irgendwer von ihnen noch nach Jasper fahren muss. Leider sagten alle Nein und Joe ließ mich dort stehen, um zu Maria zu fahren. Die Nacht brach herein und ich zählte von da an die Autos und Trucks, die während der nächsten anderthalb Stunden an mir vorbeifuhren: 87 plus zwei Motorräder. Dann war es 22 Uhr und die Tankstelle machte zu. Auf mein neues Schild schrieb ich "Need Company?" Scheinbar brauchten die Kanadier so spät mehr keine Begleitung.

      Fortsetzung folgt...
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    You might also know this place by the following names:

    Wildwood, CAWWO

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