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  • Day 14

    Ruedi aus Valdivia

    January 15, 2020 in Chile ⋅ ⛅ 15 °C

    Die erste längere Busfahrt liegt vor uns. Als wir einsteigen, sind wir guten Mutes, handelt es sich doch um einen sauberen und modernen Car. Eigentlich sind war ganz froh, dass wir auf der Fahrt nun Zeit zum Lesen haben. Doch solange es noch hell ist, blicken wir die meiste Zeit lieber aus dem Fenster und bestaunen die Landschaft. Der Weg führt uns von Bariloche durch kaum besiedelte Gegenden, an Seen entlang. Stetig fahren wir bergauf Richtung Anden. Auf einmal fährt aber gar nichts mehr und wir stellen fest, dass wir bei der argentinischen Grenze angelangt sind. Zwei Grenzwächter kommen in den Car und kontrollieren die Pässe. Unsere Pässe wollen sie jedoch nicht sehen. Dann tut sich für eine ganze Weile gar nichts mehr. Etwa zwei Stunden stehen wir im Nirgendwo, können den Car aber auch nicht verlassen. Uns wird klar, dass wir Valdivia erst in der Nacht erreichen werden. Plötzlich kommt Hektik auf. Alle müssen mit ihren Dokumenten den Car verlassen. Wieder einmal Schlange stehen und das Einreiseformular ausfüllen. Dort müssen wir auch bestätigen, dass wir keine frischen Lebensmittel und fremdartigen Getreide nach Chile einführen. Zum Glück wurden wir bereits im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht, da bei einer Widerhandlung hohe Bussen drohen.

    Nach einer kurzen Weiterfahrt kommen wir an die chilenische Grenze. Dort wartet ein Labrador in einer Box schon sehnlichst auf uns – oder besser gesagt auf unser Gepäck. Wieder müssen alle aus dem Bus raus und uns in einem Kabäuschen in eine Schlange stellen. Auch alle Gepäckstücke werden aus dem Bus geschafft und auf einer speziellen Rampe aufgereiht. Nun bietet sich uns eine höchst interessante Vorführung: Bestens trainiert beschnüffelt der Vierbeiner sämtliche Gepäckstücke. Wieder und wieder rennt er durch die Reihen, wuselt um die Rucksäcke, Koffer und Taschen und schnuppert daran. Bei einigen Gepäckstücken verweilt er besonders lange und will sie geradezu anspringen. Diese stellt der Zollbeamte auf die Seite, um sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Begeistert (die Hälfte von uns), aber auch etwas angespannt (Roseline) schauen wir zu und sind auf jeden Fall froh, dass unser Gepäck es nicht in die Auswahl geschafft hat. Weiter geht es, nun wieder bergabwärts. Nach zehn Stunden erreichen wir die chilenische Stadt Valdivia. Aufgrund unserer Verspätung hat sich die Vermieterin unserer Unterkunft schon Sorgen gemacht. Obwohl wir nahe am Einschlafen sind, erklärt sie uns noch in aller Seelenruhe, was wir tags darauf in der Stadt alles unternehmen können.

    Valdivia ist nicht schmuck. Und uns fällt sofort auf, dass es hier nicht wie in Bariloche von Touristen wimmelt. Gerade diese Tatsache gefällt uns. Und je länger wir uns hier aufhalten, desto mehr erkennen wir den Charme des Ortes. Dass Valdivia kaum prächtige alte Gebäude hat, liegt sicher auch am Erdbeben vom 22. Mai 1960. Mit 9,5 auf der Richterskala handelt es sich um das stärkste jemals aufgezeichnete Erdbeben. Beruhigend. Ein darauffolgender Tsunami zerstörte weite Teile der Küste und führte zu zwei Millionen Obdachlosen. Heute ist Valdivia vor allem als Studentenstadt mit mehreren Universitäten bekannt.

    Wir besuchen den Fischmarkt und schauen zu, wie die Robben die Reste der von den Fischhändlern weggeworfenen Fische verzehren. Wir fahren mit einem Microbus (diese Busse sind uns viel sympathischer als jene in Argentinien) nach Fuerte de Niebla ans Meer. Danach erfahren wir auf einer Besichtigung der Brauerei Kunstmann viel Wissenswertes über das Bierbrauen im Allgemeinen, das Reinheitsgebot und die Deutschen Wurzeln dieses Familienunternehmens. Bei der Verkostung erhalten wir noch je einen Humpen Bier – mal schauen, ob er es heil bis in die Schweiz schafft. Wir essen den ersten Ceviche in Südamerika und geniessen dazu einen chilenischen Pisco Sour (ob der chilenische oder der peruanische besser ist, lassen wir an dieser Stelle noch offen). Die Restaurantwahl ist ausgezeichnet. Dies haben wir auch unserem neuen Bekannten zu verdanken.

    Am Vormittag verweilten wir lange in einem gemütlichen Café, um unsere weitere Reise zu planen. Sich auf Destinationen festlegen, Busse raussuchen, Unterkünfte buchen und ein Auto mieten, das braucht viel Zeit. Wir sind aber dankbar, dass dies – zumindest in Argentinien, Uruguay und Chile – online bestens klappt. Während wir fleissig am Planen sind, hören wir aus dem Nichts die Frage «Ghörenech da Schwiizerdütsch?». Wir sind perplex und bejahen. Beim Fragesteller handelt es sich um Rodolfo, dessen Schweizer Vorfahren nach Chile immigrierten. Ruedi, wie er in der Schweiz genannt wird, wuchs in Chile auf, studierte und lebte aber rund ein Jahrzehnt in der Schweiz, wo heute seine Kinder leben. Für uns war es faszinierend, mitten in Valdivia, von einem Valdivianer, der perfekt Schweizerdeutsch sprach, so viel Interessantes über die Stadt, das Land und vor allem auch seine eigene spannende Vita zu erfahren. Auf jeden Fall wird uns die Begegnung mit Ruedi aus Valdivia in bester Erinnerung bleiben.
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