• Übern Tizi-n-Test nach Tinmel

    12 февраля 2023 г., Марокко ⋅ ☁️ 5 °C

    Heute nutzen wir das schöne Wetter, um über den Hohen Atlas zu gelangen. Leicht wehmütig lassen wir die milde Sous-Ebene hinter uns und schrauben uns langsam hoch zum Tizi-n-Test, angeblich einem der schönsten Pässe Marokko's. Auf halbem Weg genießen wir einen café berbère, einen wirklich schmackhaften Gewürzkaffee - mit schönster Aussicht.
    Die Straße wird danach immer schmaler und zuoberst etwas abenteuerlich, lohnt aber mit grandiosem Weitblick über halb Süd-Marokko (das heute allerdings im Dunst liegt). Umso eindrucksvoller die abenteuerliche Strassenführung in der Südflanke. Und schon wieder staune ich über den verrückten Kerl (me ipsum), der diesen Pass vor gut 13 Jahren von Marrakesch nach Taroudant per Rad erklommen hat.

    Auf der Nordseite des Passes liegt dann der erste Schnee; nun erklärt sich, weshalb am heutigen Sonntag soviel Ausflügler mit Autos, Motorrädern und gar Velos passaufwärts unterwegs sind. Einige Kurven abwärts und wir stecken plötzlich in einem grandiosen Stau fest. Die eh schon schmale Passtrasse ist einseitig zugeparkt, vorm Popcorn-Stand will ein Auto wenden, Töffs drängen durch die Kolonnen, ein Taxi stellt sich quer vor uns in eine Lücke, überall Gedränge und Stimmengewirr und nun steckt auch noch ein Car in der entgegen kommenden Schlange. Gefühlt 150 selbsternannte "Polizisten" wollen mit und gegeneinander den Knoten entwirren, wobei jeder mit eigener Kreativität und Priorität vorgeht. Ein Marokkaner stellt sich breit grinsend neben mein Seitenfenster und meint bloss: ça c'est le maroc!! Immerhin in weitgehender Gelassenheit ... und irgendwann geht der Knoten tatsächlich auf.

    Derweil tummeln sich neben der Straße unzählige Menschen, vom Kleinkind bis zur Großmutter; Familien breiten ihre PicNic-Decken auf Schneeflecken und unter Bäumen; musizierende, trommelnde und tanzende Gruppen bringen den Talkessel beinahe zum Kochen.

    Nach diesem grandiosen Schnee-Festival ziehen wir auf fast wieder leerer Strasse talabwärts und erfreuen uns an der schnell grünenden Landschaft, an den ersten blühenden Mandelbäumen und an den wasserführenden Bächen.

    Bei Tin Mel zweigen wir links ab, denn in diesem kleinen Berber-Dorf steht die älteste Moschee Marokko's aus dem 12.Jahrhundert, Tin Mal. Von hier aus hatte sich die Almohaden-Dynastie über ganz Marokko und auf die iberische Halbinsel ausgebreitet. Was von diesem eindrücklichen Bau noch übrig war, wurde inwendig schön renoviert und konnte ich damals auf meiner Radtour besichtigen. Leider ist die gesamte Anlage nun aber infolge Aussenrenovation bis Frühjahr 2024 geschlossen.

    Der sehr authentische, lebendige und einladende Ort bietet sich uns dennoch zur Übernachtung an. Plötzlich sind wir wieder mittendrin: auf dem Parkplatz nebenan spielen zwölf junge Männer eifrig Fußball. Und kurz nach Sonnenuntergang hält ein alter Ford-Transit mit quietschenden Bremsen direkt hinter uns: bestimmt etwa dreissig Kinder und Jugendliche entspringen diesem Gefährt, stehen im Kreis und trommeln, singen und tanzen erneut. Da ist sie also wieder, die Freude über den ersten Schnee.
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