Greece
Ákra Asfalí

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    • Day 184

      Inselhopping: Lesbos

      February 27 in Greece ⋅ ☀️ 16 °C

      Lesbos - unser letzter Stopp des Inselhoppings quer durch die Ägäis, bevor es in die Türkei geht, ist für mich ein sehr emotionaler Ort. Er wühlt mich auf und meine Gedanken kreisen sehr viel um das Thema "Flüchtlinge".

      Dass wir zu Beginn auf dieser Insel erstmal nach Skala Eressos aufgebrochen sind, um uns von der "Frauenkommune" einen Eindruck zu verschaffen, ist in den Hintergrund gerückt. Dennoch möchte ich auch diesen Ort würdigen, da er vermutlich einzigartig ist.

      In Skala Eressos habe ich das Gefühl, "hier ist die Welt noch in Ordnung". Egal ob hetero, lesbisch, schwul, trans, binär oder oder, hier wird man so genommen, wie man ist. Der Ort ist bekannt für sein einwöchiges Frauenfestival im September. Und es gibt mir einfach ein gutes Gefühl zu spüren und zu erfahren, dass sich hier viele Frauen entschieden haben zu leben, die einfach ihr Ding machen. Ich fühle mich hier irgendwie frei.

      Luzi und ich haben ganz blauäugig keine Schlafmöglichkeit gebucht, weil wir dachten, ein Hotel hat ganz sicher auf. Aber Pustekuchen! Wir stehen vor verschlossenen Türen und ich bin kurz davor die Nerven zu verlieren, weil ich mich (nach 4 Tagen wild campen und baden in heißen Quellen) endlich wieder duschen möchte und mich wirklich auf ein Bett gefreut habe. Luzi ist entspannt - ganz nach dem Motto "ach, es wird schon eine Lösung geben". Und in der Tat - sie hat recht. Nachdem sie in einer Bar nach einer Schlafmöglichkeit gefragt hat, laufen die Handys heiß im Ort und wir werden in ein Reisebüro geschickt, was sich auf Frauenreisen spezialisiert hat und schwupps di wupps organisiert die Besitzerin den Schlüssel eines eigentlich geschlossenen Hotels und wir haben ein Zimmer 🙃. Der Ort liegt in einer wunderschönen weiten Bucht mit Sandstrand. Die Fahrt hierher war landschaftlich spektakulär. Tolle und abwechslungsreiche Berge. In der Saison muss es noch schöner hier sein, wenn die hölzernen Terrassen der Restaurants und Bars voller Leben sind und Lebensfreude pur versprühen. Wir haben einen schönen Abend im Ohana Saloon bei leckerem Essen, Bier, netten Gesprächen mit Expats und griechischer live Musik.

      Nach diesem schönen Wochenende sind wir wieder in Mytilini und beginnen unsere Arbeit im Hope Project.
      Phillipa und Eric aus Großbritannien, die seit vielen Jahren in Lesbos leben, gründeten das Projekt 2015, nachdem sie zahlreiche Flüchtlinge an der Küste im Meer gerettet hatten. Zu diesem Zeitpunkt gab es kaum Hilfe für die Geflüchteten.
      Von den Geschichten und Erfahrungen der beiden bekomme ich Gänsehaut. Es ist bedrückend und traurig zu hören, wie mit den ankommenden Menschen umgegangen wird und wie sie hier leben. Ganz davon abgesehen, dass sie bereits viele Tote, Sterbende und Verletzte gesehen haben. Zugleich erzählen sie uns auch von der Freude und Erleichterung der Menschen, die diese Überfahrten überleben, und an der Küste Hilfe bekommen.

      Mittlerweile macht sich jede Person strafbar, die Menschen aus dem Meer rettet - quasi als Beihilfe zur Schlepperei. Bis zu zehn Jahren Gefängnisstrafe erhält man dafür. Eric und Philippa droht, sollte das Verfahren jemals eröffnet werden, eine unendlich lange Haftstrafe. Deshalb haben sie sich von der Rettung an der Küste zurück gezogen und konzentrieren sich voll auf ihr Projekt und damit auf die Unterstützung der Menschen aus dem Flüchtlingslager.

      Auch wenn in Moria, das Camp, welches 2020 abbrannte schlechtere Bedingungen herrschten, sieht das aktuelle Lager von außen ziemlich abschreckend aus. Es ist von Mauern mit Stacheldraht umgeben und hat für mich eher einen Gefängnis Charakter.
      Wir arbeiten mit dem Hope Project außerhalb des Lagers, denn alle NGOs, die im Camp sind, müssen krasse Verhaltensregeln unterschreiben und versichern, dass sie nichts nach außen tragen. Eric und Philippa haben sich bewusst dagegen entschieden, da sie sich nicht den Mund verbieten lassen, sondern lautstark auf Missstände hinweisen möchten. Eric schreibt übrigens jede Woche eine Mail an die EU - noch nie kam eine Antwort.
      Die EU scheint die Augen vor den Misständen und beweisbaren Pushbacks, sprich dem offensichtlichen Verstoß gegen internationales Recht zu verschließen. Die griechische Regierung behauptet, es gäbe sie nicht. Dabei finde ich im Internet zahlreiche Videos auf NGO Seiten.

      Im Hope Projekt helfen zahlreiche Menschen verschiedenster Nationen in der Kleiderkammer - unentgeltlich. Doch sie erhalten im Gegenzug eine Wohlfühlzone außerhalb des Camps. Es gibt eine Küche für die Freiwilligen, einen Kunstraum auch für Interessierte aus dem Camp, sowie einen kleinen Trainingsraum und einen Beautysalon. Das gibt den Freiwilligen ein Stück Normalität. Ansonsten sind ihr Alltag und ihre Gedanken nämlich vorallem von einem beherrscht: Warten!

      Warten auf die Eröffnung ihres Asylverfahrens, warten auf die Entscheidung des Asylverfahrens und warten auf eine (vielleicht) bessere Zukunft. Viele Monate können bis dahin vergehen. Eine Familie aus Afghanistan hat sich nach 14 Monaten über die Bewilligung des Asylantrags riesig gefreut. Sie machen sich jetzt auf den Weg nach Finnland.

      Ihre Geschichten, die wir hören sind unvorstellbar für uns. Manche sind seit Jahren auf der Flucht, manche wurden an Grenzen zusammen geschlagen und manche hatten Todesängste in dem Schlauchboot über das Mittelmeer - auch um diese Geschichten aus erster Hand zu erfahren, sind wir hier und es ist heftig und aufwühlend.

      Wir werden von allen herzlich aufgenommen und kommen mit vielen ins Gespräch. Nach Deutschland möchten übrigens die wenigsten von ihnen. Wir essen gemeinsam mit ihnen zu Mittag und vorallem in den ersten Tagen habe ich das Gefühl, dass ein krasser Unterschied zwischen uns herrscht: unser Pass!
      Während wir aus dem Zufall unserer Geburt heraus in der glücklichen Situation sind, reisen zu dürfen, wohin wir möchten, steht diesen Menschen kein Land in Europa einfach offen. Sie müssen hoffen und bangen, dass sie aufgenommen werden. Uns gibt das nicht nur ein gutes Gefühl, es nagt an uns und macht uns sehr nachdenklich und auch demütig. Fast schäme ich mich für meine Priviligien.

      Wir sind auch dankbar, dass es Menschen wie Eric und Philippa gibt, die sich aufopfern und einsetzen für Menschlichkeit und Würde. Trotz aller Anfeindungen (ja, es gibt auch Griech:innen, denen nicht gefällt, dass sie helfen) und Widrigkeiten (korrupte Politik), bleiben sie auf Lesbos - "There is always HOPE" sagen sie und ich ziehe meinen Hut vor ihnen.

      Es fühlt sich schon etwas seltsam an, jetzt in die Türkei zu fahren - von dort sind alle hierher übergesetzt und wir machen uns in die entgegengesetzte Richtung auf.

      Hier noch einige Links:
      Hope Project Greece
      https://www.hopeprojectgreece.org/
      Dokumentation von Push-Backs https://aegeanboatreport.com/
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    You might also know this place by the following names:

    Ákra Asfalí, Akra Asfali

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