Satellite
Show on map
  • Day 166

    Villa Baviera - ehemals Colonia Dignidad

    April 30, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 13 °C

    Als wir am Nachmittag vom Hof fahren, wissen wir noch immer nicht so genau wohin wir eigentlich wollen. An der Pazifikküste entlang wäre sicherlich schön. Doch davor entscheiden wir uns nochmal ins Landesinneren zu fahren, nach Villa Baviera - von 1961 bis 1988 bekannt unter dem Namen Colonia Dignidad. Zunächst führt die Ruta 5, Teil der Carretera Panamericana, vorbei an weiteren, großflächig abgebrannten Wäldern.

    Die Schranke öffnet sich und wir fahren die letzten zwei Kilometer entlang des noch immer umzäunten Geländes bis ins Dorf. Ab diesem Moment begleitet uns ein merkwürdiges, beklemmendes Gefühlt. Wir werden freundlich auf deutsch begrüßt und bevor es zu spät ist, machen wir uns gleich auf den Weg in das kleine Museum. Neben einigen Gegenständen hängen hauptsächlich Bilder aus der damaligen Zeit an den Wänden. Viele davon offenbar gestellt.

    Durch strömenden Regen rennen wir zurück und da es schon dämmert, beschließen wir eine Nacht zu bleiben. Ganz so schnell wollen wir diese historische Stätte nicht wieder verlassen. Bei deutscher Volksmusik und einem Bier im "Zippelhaus", dem ehemaligen Versammlungssaal, lassen wir uns die Vergangenheit nochmals durch den Kopf gehen. Irgendwie skurril, dass wir heute genau hier in einem Restaurant sitzen. Auf der Speisekarte stehen viele traditionell deutsche Gerichte wie Leberkäs, Schweinshaxe und Kassler mit Rotkohl, Kartoffelpüree oder Knödel. Als Dessert gibt es unter anderem Bienenstich, Frankfurter Kranz oder Apfeltasche. Das lassen wir uns nicht entgehen und es schmeckt ausgezeichnet. Im Dorfladen kaufen wir noch ein Schwarzbrot und Leberwurst.

    Am nächsten Morgen machen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch das Dorf. Währenddessen wird das Festzelt für einen Kindergeburtstag hergerichtet. Einige Mitglieder der ehemaligen Colonia Dignidad leben bis heute hier. Manche Wege sind daher für die Öffentlichkeit gesperrt. Vor vielen Gebäuden stehen Schilder in deutscher und spanischer Sprache. Unter anderem kommen wir an der ehemaligen Schuhsterei, der Schlosserei und der Bäckerei vorbei. Ebenso am Sägewerk, den Lagerhallen und dem ehemaligen Krankenhaus. Immer wieder läuft es uns kalt über den Rücken, wenn wir daran denken, welche Verbrechen an diesem so idyllisch gelegenen Ort stattgefunden haben.

    Wir persönlich werden den Eindruck nicht los, dass ein geeigneter Weg mit all dem umzugehen - im Hinblick auf die Vergangenheit und die Gegenwart, erst noch gefunden werden muss. Zwischen Tourismus und Aufklärung, Sensibilität und Gedenken. Aufarbeitung fehlt. Dass hier Kindergeburtstage, Hochzeiten und Oktoberfest gefeiert werden, erscheint uns bizarr.

    Netflix Doku: "Colonia Dignidad: Eine deutsche Sekte in Chile"
    Read more