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  • Day 24

    Salento - Nebelwald im Kaffeedreieck

    September 7, 2016 in Colombia ⋅ ⛅ 15 °C

    Dank seiner klimatischen Bedingungen zählt Kolumbien zu den bedeutendsten Kaffeeproduzenten - umso erstaunlicher, dass der Kaffee, der einem hier üblicherweise vorgesetzt wird, meist eine Beleidigung der Geschmacksnerven darstellt und nach wenig mehr als schwarzes Wasser mit Sand schmeckt. Um das zu ändern, beschloss ich nach Salento zu pilgern, einer pittoresken Kleinstadt inmitten des kolumbianischen Kaffeedreiecks. Durch die zahlreichen Kaffee-Fincas und seine Lage in der Nähe des spektakulären Valle de Cocora hat sich dieses verschlafene Dorf zu einem beliebten Ziel in- und ausländischer Reisender entwickelt.

    Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichte ich Salentos Hauptplatz, von wo mich ein alter US-amerikanischer “Willy“ (bunte Jeeps, die hier seit Jahrzehnten zum Transport von Personen und Kaffeesäcken gleichermaßen verwendet werden) zum tiefenentspannten Yambolombia-Hostel etwas außerhalb des Ortes brachte. Der Rastagelockte Besitzer Gabriel besitzt die Ausstrahlung eines Zen-Meisters und der in Kolumbiens Nationalfarben gehaltene Bungalow mit Bambussäulen fühlte sich vom ersten Moment an wie ein Wohnzimmer bei Freunden in den Bergen. Der Ausblick von dem auf einem Huegel gelegenen Yambolombia auf das Tal ist wie von einer Postkarte. Gabriel hat ausserdem den wohl besten Platz der Welt fuer eine Haengematte gefunden: morgens ragen die Gipfel der Berge ueber den dichten Nebelwolken der Cloud Forests hervor, abends kann man die Sonne bei ihrem allabendlichen Untergang bestaunen, der den bewoelkten Abendhimmel in verschiedenste Rotoene taucht. In dieser Haengmatte machte ich auch die erstaunliche Erkenntnis, dass Ameisen auf (ungesuessten!) Kaffee abfahren und somit meinen Morgenespresso verdarben.

    Auf Empfehlung Gabriels hin verbrachte ich den Vormittag meiner Ankunft im nebenan gelegenen Naturreservat Kasaguada. Der passionierte, witzige Besitzer Carlos bietet in diesem geschuetzten Stueck tropischen Nebelwald gefuehrte Touren an. Diese Fuehrung war eine der tollsten Erfahrungen auf dieser Reise; mit trockenem Humor, philosophischen Ansaetzen und einer beeindruckenden Menge Fachwissen begleitete uns Carlos durch das Reservat. Er erklaerte, wie dieser Wald funktioniert, in einer Lage, wo es keine Jahreszeiten gibt und Tag und Nacht stets unveraendert gleich lang sind. Wie die Flora und Fauna in dieser Region viel staerker auf symbiotischen Beziehungen basiert als in Europa oder Nordamerika; wie sensibel das oekologische Gleichgewicht ist (so kann zum Beispiel eine Zerstoerung des Waldes hier in Zentralkolumbien das Klima in Grosbritannien veraendern); wie unglaublich gut angepasst die Pflanzen in dieser Gegend an die klimatischen Besonderheiten sind; und vieles mehr.

    Dieses Reservat stellt Carlos Lebensprojekt dar; das Herzensstueck ist seine Dschungellodge. Mitten im Wald baut sich ploetzlich eine Konstruktion aus Guadua (der in Kolumbien endemische Bambus) und recycleten Plastikflaschen auf. Das Innere erinnert an eine unglaublich geschmackvoll und gemuetliche Luxussuite einer EcoLodge und bietet von Kueche hin zu Wassertoiletten jeden erdenklichen Komfort. Der Anspruch dieses Projektes ist es, den oekologischen Impact zu minimieren. So werden Abwasser bspw. durch spezielle Bakterienkulturen geklaert; die ganze Konstruktion besteht aus nachwachsenden oder recycleten Materialen; der Aufbau ist so konzipiert, dass die umliegende Flora moeglichst ungestoert drumherumwuchern kann. Dieses Projekt gilt aus Musterbeispiel dafuer, wie Komfort und ein geringer oekologischer Fussabdruck moeglich sein koennen (Carlos lebt auch in einem Bungalow im Reservat). Die ganze Tour war unglaublich informativ und unterhaltsam, eines meiner Highlights auf dieser Reise bislang.

    Den Nachmittag verbrachte ich mit Séfora, einer kreativen Kolumbianerin aus Salento, die im Bus kennen gelernt hatte. Sie zeigte mir das Kunsthandwerk, das sie gemeinsam mit ihrer Mutter anfertigt und verkauft. Salento selbst ist ein relativ verschlafenes Nest, dass zunehmend am Radar von in- und ausländischen Touristen liegt und dementsprechend über eine Vielzahl an Geschäften, Cafés, Restaurants und Tourist Agencies verfügt. Dennoch hat es sich eine gemütliche Atmosphäre bewahrt und an den Straßenrändern erblickt man immer wieder Schnauzbart und Cowboyhut tragende Farmarbeiter, die sich bei einer Tasse Kaffee angeregt unterhalten.

    Der 2. Tag führte mich auf eine Bio-Kaffee-Farm. Vom Steckling bis zur Tasse wurde uns der gesamte Produktionsprozess gezeigt. Gleich zu Beginn wurde allen Teilnehmenden ein kleiner Bastkorb um die Hüfte geschnallt und nach einer kurzen Einführung in das wichtigste Grundwissen über die Kaffeepflanze schickte uns der Guide auf die Felder, und verlangte einen Kilo rote Bohnen (in 10 Minuten) von jedem von uns. Das war wohl der Grund dafür, warum die Tour auf dieser Finca weniger kostete als auf anderen. Nach Ablauf der Zeit konstatierte der Guide trocken, dass er mich hier nicht einstellen würde und warf meine 5 an Kirschen erinnernde Früchte in die Maschine, die das Fruchtfleisch von der Bohne trennt. Ich vermute ja, dass wir hier hinters Licht geführt wurden - die Erntezeit beginnt erst im Oktober. Nach dem Schälen werden die Bohnen getrocknet, die dünne Haut entfernt und die zweitklassigen Bohnen aussortiert. Bemerkenswert fand ich, dass die Farm nach agroökologischen Prinzipien funktioniert: zwischen den Kaffeesträuchern ragen Bananenpalmen, Avocado- und Mangobäume und zahlreiche andere Obstbäume aus dem Boden. Diese Spenden einerseits Schatten (auf über 2000m ist die Sonneneinstrahlung ziemlich stark) und stillen den Hunger allfälliger Insektenschädlinge. Was übrigbleibt wird zur Verpflegung der FarmarbeiterInnen verwendet. Als Dünger wird ausschließlich der aus den Ernteabfällen gewonne Kompost gebracht.

    Am Ende erwartete uns eine frisch aufgebrühte Tasse Kaffee - der Geschmack war ungewöhnlich mild und fruchtig und so war so umgeben von Kaffeesträuchern und Bananenpalmen ein schöner Abschluss der Führung. Im Anschluss wanderte ich mit einigen anderen Gästen zurück nach Salento, um fürs Abendessen einzukaufen - Gabriel hatte eine Lagerfeuer angekündigt, über dem wir unser Abendessen (frisch gefangene Forelle!) brutzeln konnten.

    Der dritte Tag in Salento führte mich ins Valle de Cocora - angeblich einer der spektakulärsten Landschaften in dieser Nation voll wunderbarer Natur. Gemeinsam mit Bastian und Tanja, einem extrem lustig-exzentrischen Pärchen mit unverkennbarem bayrischen Akzent. Ein Willy brachte uns zum Eingang des Tals. Links und rechts von uns bauten sich die majestätischen Anden auf und durch die dichten Nebelwolken ragten Wachspalmen, mit bis zu 60m die größten Palmen der Welt und Kolumbiens Nationalbaum. In dieser Landschaft mit seinem tropischen Cloud Forest herrscht extreme Luftfeuchtigkeit und so begann es prompt zu nieseln, als wir den Pfad entlang in den Wald voranschritten. Die Berge, der wuchernde Dschungel, die klare Luft und die majestätischen Wachspalmen boten eine atemberaubende Kulisse für unsere Wanderung. Immer wieder führte der Pfad über wackelige Hängebrücken mit morschen Holzbohlen. Jedes mal mahnte ein Schild dazu, die Brücken nur einzeln zu betreten. Dem Hund, den die Gruppe hinter uns auf die Wanderung mitgebracht hatte, war das herzlich egal. An drei von fünf Brücken drängelte er sich an mir vorbei um dann mitten auf der Brücke verunsichert stehen zu bleiben und mich dann hilfesuchend anzublicken. Nachdem er sich jedes mal weigerte, die Brücke zu verlassen bis sein Frauchen nachkam, blieb mir nichts anderes übrig, als die Brücke entlang zu schleichen und meine Beine Links und rechts um den Hund zu schlingen.

    Nach etwa zwei Stunden bergauf durch Regen und wunderschönen Regenwald bot uns ein Schild an, hinauf zum Aicama Reservat zu steigen, wo das Casa de los Colibris dazu einlädt, Kolibris bei der Nahrungsaufnahme zu bestaunen. Der Pfad wurde zunehmend steiler und auf Grund des beständigen Regens immer matschiger. Dennoch zauberte mir die wunderschöne Umgebung ein Lächeln ins Gesicht. Nach weiteren 90 Minuten und mehreren hundert Höhenmetern empfing uns das Kolibrihaus mit heißer Schokolade (nachdem es ziemlich kalt und nass war eine willkommene Aufwärmung) und hunderten Kolobris in allen möglichen Farben. Ein kolumbianischer Vogelfreund zeigte mir unterdessen, welche Vögel man in dieser Gegend beobachten kann.

    Nach diesem Stopp stapften wir zur Kreuzung zurück und wählten den Weg zurück ins Tal über die Finca Las Montañas. Der Weg dorthin führte erneut über mehrere hundert Höhenmeter über matschige Terrain, belohnte uns aber mit einem tollen Blick über das in Nebel getauchte Tal. Beim Abstieg zeigten mir Bastian und Tanja ihre “deutsches Essen, das wir nach 14 Monaten in Südamerika“ vermissen. Die Liste umfasste über 150 deutsche Köstlichkeiten (mehr oder weniger) schön aufgegliedert (was für ein Klischee) nach Vorspeisen, Suppen, Aufstriche, Fleischgerichte, Pasta und Desserts. Ich amüsierte mich köstlich über die lebhaften und leidenschaftlichen Schilderungen über den Geschmack und die Zubereitung der Speisen und wunderte mich über die Vielfalt der deutschen Küche, während die beiden beinahe den Pfad vollsabberten.

    (Fortsetzung folgt)
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