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  • Day 16

    Der Chile Speedrun?

    October 31, 2022 in Chile ⋅ ☀️ 19 °C

    Ist eine Woche Chile nicht viel zu wenig Zeit?
    Wenn ich in Hostels anderen Reisenden erzählt habe, dass ich nur eine Woche in Chile bin, habe ich im ersten Moment immer einen fragenden Blick bekommen. Das ist verständlich. Wenn man das Land Chile in all seinen Facetten sehen möchte, reichen wahrscheinlich nicht mal 2 Monate.
    Als ich dann aber, kurz nachdem ich den fragenden Blick bekommen habe, erzählte, dass Chile für mich nur ein Zwischenstopp ist, erntete ich Verständnis. Ich hatte nämlich das Privileg eine Woche alleine in Südamerika verbringen zu dürfen, bevor ich mit Tim die Mittelamerikaetappe meiner Reise beginne. Ich treffe Tim in Kuba und von dort geht es nach Mexico, Panama, Costa Rica und Nicaragua.
    Meine Wahl für mein Zwischenstoppland fiel auf Chile - seien wir ehrlich - weil die Flüge von Montevideo nach Santiago de Chile und von Santiago nach Havana am günstigsten waren. Es nur darauf zu reduzieren wäre aber auch nur die halbe Wahrheit. Meine Fam und einige Freunde waren auch schon in Chile und somit hatte ich eine Premiumberatung für meinen Zwischenstop, welche mir die Woche schmackhaft machte.

    Durch die ausführliche Beratung (Danke nochmal!) erfuhr ich aber auch schnell, dass es sich keinesfalls lohnen würde, die komplette Woche in Santiago zu verbringen. Aus diesem Grund buchte ich mich nur 2 Nächte in Santiago in einem Hostel ein, um dann weiter in die wunderschönen Küstenstädte Valparaiso, Viña del Mar und Concon weiterzureisen.

    Ich sitze übrigens aktuell im Flugzeug nach Panama um von dort dann nach Kuba weiterzufliegen (insg. 10h). Ich bemühe mich diesen Beitrag noch am Flughafen in Panama online zu bekommen. Wir haben ziemlich krasse Stories über Internet, Strom und sogar über die aktuelle Verpflegungslage in Kuba gehört, weshalb ich euch den Beitrag nicht noch zwei weitere Wochen vorenthalten möchte. Es ist aktuell 3 Uhr nachts und ich habe einen vollen Arbeitstag hinter mir, weshalb ich hoffe, dass meine Gedanken halbwegs Sinn ergeben.

    2 Nächte Santiago
    Für meine ersten zwei Nächte in Santiago hatte ich das bisher schönste Hostel meiner Reise (Eco-Hostel Tambo Verde). Große Betten, extrem sauber, ein tolles Frühstück (welches ich erst nach einem Horrorfrühstück in meinem darauffolgenden Hostel schätzen lernte), leise und super liebe Menschen.
    Es lag fußläufig an schönen Vierteln Santiagos und das nutze ich auch aus. Ich kam sehr spät in der ersten Nacht in Santiago an und machte an meinem einzigen vollen Tag in Santiago wieder eine Free Walking Tour, um so viel wie möglich über die Stadt zu lernen, wie es meine kurze Zeit zuließ. Ich lernte dort seeehr viel über die Lokalitäten der Stadt, Mythen über satanistische Orgien von Katholiken und wie das ganze mit den vielen Erdbeben in Chile zu tun hat. Das beste der Tour war aber mal wieder der Kontakt zu den anderen Teilnehmern. Ich lerne vor allem einen DJ aus Montreal kennen (Francois), mit welchem ich mich befreundete und ihn auch später in den Küstenstädten wiedergetroffen habe. Dazu später mehr.
    Am zweiten Abend in Santiago trafen Francois und ich uns nochmal und gingen essen. Da mit dem Essen der eine oder andere Pisco Sour einher ging, entschieden wir uns dann noch, den !Montag Abend! mit dem Versuch abzuschließen, feiern zu gehen.
    Wir gingen in den wohl angesagtesten House/Techno Club. Dort angekommen, waren mit uns noch 3-4 andere Leute in dem voll ausgeleuchteten, für 300 Personen ausgelegten, Laden. Davon ließen wir uns aber nicht unterkriegen. Da wir beide an Musik interessiert sind, analysierten wir die Fähigkeiten des DJs und tranken weiter. Dazu wussten wir, dass die Parties in Südamerika eigentlich erst gegen 1 Uhr morgens beginnen und wir betraten den Club gegen Mitternacht. …und tatsächlich, es füllte sich leicht. Als wir dann so gegen 3 gingen, waren ca. 40 Leute im Club, was natürlich nicht viel ist. Dennoch tanzten alle und die Stimmung war gut (und der DJ hat auch echt was drauf gehabt, auch wenn die Musikrichtung nicht 100%ig meins war).

    Am nächsten Morgen ging es dann für mich mit dem Bus ca. 2h nach Valparaiso. Die Busse kosten zwischen fünf und zehn Euro für eine 2h-Fahrt und die Fahrt ist übers Land.

    5 Nächte Valparaiso
    Auf meiner Fahrt nach Valparaiso und nach Ankunft in meinem Hostel in Valparaiso realisierte ich zum ersten Mal richtig, dass ich alleine reiste. Mein Hostel war sehr unpersönlich und ich teilte mir mein Zimmer eigentlich jede Nacht mit einem neuen Chilenen, der in der Regel kein Wort mit mir sprach.
    Dazu kam, dass ich von dem alleine sein, aber auch von der Ungewissheit wie ich meine Zeit nach der Reise verbringen würde, ein wenig gestresst war. Nach solch sehr sozialen Begegnungen wie der Hochzeit und dem Trubel einer Großstadt wie Santiago, dann auf einmal mit seinen eigenen Gedanken und Gefühlen allein zu sein, sorgt schonmal für Schwankungen. Auf der anderen Seite schien die Sonne, ich hatte schon einige Optionen im Kopf wo für mich die Reise karrieretechnisch hingehen sollte und wollte mir die Möglichkeit der tollen Erfahrungen nicht von einschränkenden Gedanken kaputt machen lassen. So ging es für mich gefühlsmäßig in den ersten 2 Tagen in Valparaiso auf und ab.
    Auch mit der Gruppe mit der ich in Valparaiso eine Free Walking Tour gemacht habe bin ich nicht 100%ig warm geworden, was wahrscheinlich an meinem mentalen hin- und her lag. Die Leute waren nämlich echt schon viel in der Welt und in Südamerika herumgekommen, kamen teilweise auch aus der Tech- oder Marketingwelt und waren sehr aufgeschlossen. Ich entschloss mich dennoch mich auf mich selbst zu konzentrieren und mich ein wenig von der Gruppe abzukapseln.
    Ich habe mich am dritten Tag dann aber gut gefangen und bin in Concon surfen gegangen. Dadurch, dass ich echt ein paar Wellen gecatcht habe und ich im Alleine-Reisen-Modus angekommen war, ging es mir deutlich besser.

    Bei dem Alleine-Reisen-Modus sollte es aber nicht lange bleiben. Erstens lernte ich eine Chilenin kennen, die mir im laufe der nächsten Tage ein paar tolle Strände zeigte und mich ein wenig mehr in die lokale Barkultur einführte.
    Zweitens kam Francois mit seinem Papa nach Valparaiso und wir gingen zusammen surfen. Bei unserem gemeinsamen surfen, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine 2-Meter Welle alleine gestanden, was mich ziemlich happy macht. Das 2-Meter Maß kommt übrigens von Francois der am Strand stand und mich gesehen hat. Angefühlt hat sich die Welle wie eine 3-Meter Welle. Man steht ja auf dem Brett, das wiederum auf der 2 Meter Welle ist, weshalb das viel höher wirkt (typisches Anfängerding die Wellen dann höher einzuschätzen).

    In diesen letzten Tagen in den drei Küstenstädten besuchten Francois und ich auch einen DJ, den wir im Club in Santiago kennengelernt hatten, bei einem seiner gigs und übernehmen den dann eigentlich. Er spielte auf einem Künstlermarkt und Francois hat dann mal seinen Stick mit seiner Musik angesteckt und ein bisschen den Markt abgefackelt (und mich auch ein paar Songs mixen lassen).

    Eine weitere überraschende Erfahrung war folgende: Nach einem kleinen Barabend, sind Aline und ich an der Promenade von Viña entlanggelaufen. Auf einmal hörte man gequälte Schreie. Die kamen aber nicht von Menschen, sondern Walrössern, die auf den Steinen vor der Küste lagen. Die Schreie hören sich für uns gequält an, die klingen aber normal so. …oder die müssen mal zur Gruppentherapie oder so.

    Noch ein tierisches Phänomen kann man beim Auf-Die-Wellen-Warten beim Surfen beobachten. Manchmal gibt es nämlich nicht weit von einem entfernt (manchmal ca. 10m) ein Platschen im Wasser. Das sind keine Haie (zum Glück), sondern Vögel, die nach Fischen tauchen. Die Vögel (ich weiß leider nicht welche - sie haben einen Riesen Schnabel und sind weiß - würde mich über eine Recherche freuen - ich kann nämlich nicht, ich sitze im Flugzeug) begeben sich aus 30m Höhe in einen Sturzflug und donnern ins Wasser um einen Fisch zu schnappen. Das hat mir ein Riesen Lächeln aufs Gesicht gezaubert, sowas begeistert mich.

    Valparaiso, Viña del Mar und Concon sind übrigens voller Kunst und alter europäischer Baukunst. Durch die große natürliche Bucht in Valparaiso, bot die Bucht europäischen Kolonialisten Schutz vor Unwetter auf ihrer Reise entlang der südamerikanischen Küsten. So geschah es, dass sie sich dort nach und nach ansiedelten. Man sieht in der Altstadt viele Holzhäuser mit alten europäischen Bauarten. Französische Architektur, neben deutscher, neben, spanischer, neben italienischer. Diese alte Bauweise wird unterstützt durch wirklich atemberaubende Straßenkunst.
    Ich muss echt sagen, dass mir nicht zu viel versprochen wurde bei den drei Städten (vor allem Valparaiso und der Surfstrand in Concon).

    Zwei facts noch zum Ende hin:
    - Abtreibung ist in Chile verboten, weshalb Frauen die abtreiben wollen sich mit einer Pillenflut zuschütten um das Kind hormonell loszuwerden, wobei manche sterben. Total krank. (Thema hat keinen persönlichen Anlass - keine Angst Mama und Papa)
    - In Chile ist das Trinkgeld von 10% einfach immer mit auf der Rechnung und man muss aktiv sagen, dass man es nicht geben will. Dieser Opt-Out-Weg ist viel schlauer und ich habe bisher IMMER die 10% gegeben.

    Meine letzte Nacht und mein letzter Tag in Santiago sind nicht der Rede wert. Ich musste viel am Computer machen, was liegengeblieben war, die Kubareise vorbereiten und noch einige Besorgungen machen. Eine Beobachtung die ich bezüglich des „Arbeitens“ am Computer in Südamerika mache ist, dass es deutlich mehr Aufwand benötigt um die selbe Menge Arbeit zu erledigen, für die man in Deutschland deutlich kürzer gebraucht hätte. Das hängt vor allem mit dem äußerst schlechten Internet zusammen, aber auch mit dem vielen hin- und her- reisen und den unruhigen Orten an denen man arbeiten kann. Deshalb bin ich gerade umso dankbarer, dass zwischen mir und meiner Sitznachbarin im Flugzeug ein Platz freigeblieben ist, obwohl das komplette restliche Flugzeug ausgebucht ist. So kann ich freier schreiben und jetzt besser schlafen.

    Letztendlich kann ich die Frage ob sich Chile für eine Woche lohnt mit „Ja“ beantworten. Ich habe tolle Leute kennengelernt, wunderschöne Orte gesehen, Zeit für mich gehabt und mein Spanisch verbessert. Vor allem aber, habe ich Lust bekommen nach Chile zurückzukommen und das Land noch besser kennenzulernen.
    Ich freue mich tierisch auf die Zeit mit Tim und bin sehr gespannt auf Kuba. Liebe Grüße in die Heimat, ich vermisse euch.
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