• Einfach in den Tag hinein leben...

    4 September, Norway ⋅ ☁️ 17 °C

    ...das ist es, was ich die letzten Tage hier gemacht habe. Ich habe lange geschlafen – nachdem ich beim Warten auf das Nordlicht am ersten Tag bis morgens um 3:00 Uhr draußen war. Es waren zwar wage Schatten von Nordlicht zu sehen, aber nicht so richtig. Lag zum Teil vermutlich auch daran, daß es hier Straßenlaternen und somit eine Menge Umgebungslicht gibt. Dennoch war es eine eigenartig-schöne Atmosphäre – fast wie in einer Sternwarte, in der man in der Mitte der Kuppel steht und den gesamten Nachthimmel um sich herum hat. Auch hier hatte ich das Gefühl, daß über mir eine Kuppel existiert, die “die ganze Hemisphäre” in meinen Gesichtskreis packt.

    Das Wetter ist super – wenn auch für die Jahreszeit und die geografische Lage ziemlich warm: tagüber um die 20º; nachts 12-14ºC. Andererseits macht es das Camperleben einfach: keine Heizung nötig, man steht einfach auf, ohne zu frieren und kann in der aufgehenden Sonne den Kaffee draußen genießen.
    Ich sammele etwas Holz für ein kleines Lagerfeuer, beobachte die Wasservögel. Die Bucht lädt zum Schwimmen gehen ein – oder zum Duschen, aber ich muß schnell feststellen, daß meine Outdoor-Seife nicht salzwasser-tauglich ist. So ein Mist – wie bekomme ich das Zeug jetzt wieder aus den Haaren? Ich will nicht zuviel Trinkwasser verschwenden…. Aber das sind Luxus-Probleme und halten mich nicht davon ab, einfach die Gegend um mich herum zu genießen. Leider kommen die Rentiere nicht mehr zurück.

    Heute habe ich mich dann doch einmal von dem Platz gelöst und bin die gut 5km zum einzigen Lebensmittel-Laden hier in der Gegend gelaufen. Auch wenn es immer an der Straße entlang geht, ist es ein schöner Spaziergang. Die Aussicht auf die Bucht einerseits und die umgebenden Hügel andererseits ist toll und hinter jeder kleinen Kurve anders. Etwas irritiert mich ein Schild “Tourists no entry”. Es ist das zweite Mal, daß ich so ein Schild sehe – das erste war sogar noch deutlicher: “we don’t like tourists” (wir mögen keine Touristen). Da wirkt es irgendwie sarkastisch, wenn kurz dahinter für Ferienhütten geworben wird… Vielleicht fallen hier in der Saison wirklich Scharen an (unvernünftigen) Touristen ein, so daß die Schilder gerechtfertigt sind? Dennoch: ein Schild “Privat – bitte nicht betreten” hätte es doch auch getan, oder? Mir kommt das Schild an der Kirchentür in Jokkmokk in den Sinn: wo sonst ein schnödes “Tür schließen” steht, steht dort: “Stänga dörren – orgeln frysa, tack!” - Bitte schließen Sie die Tür – die Orgeln friert”. Dieses Schild hat auf so viele Gesichter ein Lächeln gezaubert und Jeder hat sorgfältig darauf geachtet, die Tür zu schließen. Aber mir ist das hier in Norwegen schon öfter aufgefallen – die herbe, oft strenge, harte Landschaft scheint sich irgendwie auf die Menschen auszuwirken. Schweden ist in vielerlei (materieller) Hinsicht ärmer als Norwegen, aber ich habe den Eindruck, es ist sanfter, offener. Auch das (Wenige), was vorhanden ist, wird anders und freigiebiger geteilt. Ich hoffe, das bleibt so noch lange erhalten – denn natürlich sind auch die Schweden nicht naiv und steuern gegen, wenn die Regeln nicht eingehalten bzw. ausgenutzt werden.

    Aber zurück zur Landstraße, auf der ich in der Sonne gut vorankomme. Weg von der Bucht gibt es immer mal wieder kleine Bäche und Mini-Wasserfälle mit bräunlichem, aber gut schmeckendem und scheinbar sauberen Süßwasser. Die “schönsten” Quellen sind zwar recht weit weg von meinem Stellplatz, aber an einer Stelle sollte es möglich sein, Wasser zum Duschen und Haare waschen abzufüllen….

    Der kleine Laden mit angeschlossenem Café und Tankstelle ist mäßig sortiert und -bedingt durch die Lage- noch teurer als ohnehin die Geschäfte in Norwegen. Mein Einkauf ist dementsprechend zurückhaltend. Aber einen kleinen Karotten-Kuchen gönne ich mir – er wird nachher die Belohnung für die Wanderung sein.

    Die Sonne wärmt noch etwas, als ich gegen 15:00 Uhr zurück bin, auch wenn langsam Wolken aufziehen. Nach einer kurzen Pause beschließe ich, gleich zu duschen. Das Wasser aus dem Bach ist eiskalt – da werde ich 2 Liter kochendes Wasser aus dem Tank dazugeben müssen… Kurz bevor ich alles fertig vorbereitet habe, kommt doch tatsächlich ein weiteres Wohnmobil aus Deutschland auf den Platz… Muß das sein? Ich wollte zwar ohnehin hinter dem Camper duschen, aber jetzt muß ich noch diskreter sein. Es ist ein allein reisender Camper aus Templin. Er parkt zum Glück mit der Tür zur anderen Seite und läßt sich mit Stuhl und Tisch direkt an der Bucht nieder – sein Wohnmobil schirmt ihn gut zu mir ab. Die Dusche nach der Wanderung in der Sonne tut gut – auch die Haaren (jetzt ohne restliche Seife und Salzrückstände) fühlen sich gut an. Jetzt habe ich mir den Kuchen redlich verdient. Dazu gibt’s Tee. Mein Nachbar hat inzwischen die Satellitenschüssel ausgerichtet. Kurz unterhalten wir uns – dann will er rein und Fußball schauen. Mir soll es recht sein…
    Mit einem kleinen Lagerfeuer nach dem Abendessen lasse ich den Abend bei einem Glas Weinschorle ausklingen.

    Es ist merkwürdig – irgendwie habe ich mich heute ziemlich “international” gefühlt: um 10:00 Uhr schon 20ºC im Camper, dazu Schattenspiele auf dem Wasser und Hahngeschrei in der Ferne lassen mich an Portugal denken (wobei die jetzt ganz andere Probleme haben – meine Gedanken sind bei den Verunglückten in Lissabon. Ich selber bin die Standseilbahn nie gefahren, weiß aber, wo und wie beliebt sie ist). Die Aussicht auf die nur spärlich bewachsenen Hügel und das Blöken der Schafsherde, die abends an Ende der Bucht vorbeizieht, lassen mich an Irland denken.
    Baca lagi