• Es gibt Grenzen...

    April 9, 2024 in Georgia ⋅ ☀️ 12 °C

    Voller Vorfreude und auch sehr emotional haben wir uns der Grenze auf der Hochebene zwischen der Türkei und Georgien genähert. Schließlich war es unsere erste Grenze außerhalb Europas, die wir auf dem Landweg zu überschreiten hatten.

    Wetter und Wind waren mit uns an diesem Radtag. Bei einer tollen Abfahrt bin ich sanft und sicher auf 69,9km/h gekommen. So schnell war ich noch nie im Sattel unterwegs. Geht auch nur, wenn der Straßenbelag perfekt ist - dafür hat Erdogan in den letzten Jahren im ganzen Land fast übermäßig gesorgt....und leider auch für vieles andere, für das er indirekt in der vergangenen Regionalwahl abgestraft wurde.

    Dann sehen wir die Flaggen der Länder in der Ferne, wischen uns heimlich ein paar Abschiedstränen von den Augen und sagen noch einmal teşekkürler Türkiye!

    Die Prozedur an der Grenze ist dagegen sehr ernüchternd. Bürokratiekram halt...und ein Telefonat des Grenzbeamten. Wir sind in der Ägäis mit dem Personalausweis eingereist und wollen auch mit diesem wieder ausreisen. Dieses Privileg ohne Reisepass hier zu reisen verdanken wir dem Pauschaltourismus an der türkischen Riviera. Das ist hier im äußersten Osten, wohl nicht klar und der Grenzbeamte weiß nicht, wie er uns abwickeln soll. Aber es klappt. Die türkische Zollbeamtin kramt dann noch stümperhaft in unseren Taschen herum, so dass sie es auch einfach hätte lassen können.

    Dann rollen wir zur georgischen Seite. Nettigkeit ist sicherlich hier kein Einstellungsgrund bei Grenzbeamt:innen. Und dabei gebe ich mir echt Mühe mit ein paar extra gelernten georgischen Vokabeln. Mit dem Stempel im Pass und dem gechillten Zollbeamten, der uns nach ein paar Standardfragen durchwinkt, sind wir in Georgien, dem kleinen bergigen Land mitten im Kaukasus, eingereist.

    Neues Land, neue Schrift, neue Sprache, neue Mentalität...Nur die frühlingshaft zwitschernden Feldlerchen und der Müll am Straßenrand begleiten uns weiter. Wir waren sehr gespannt, was uns erwartet würde. Georgien eilt der Ruf seiner Gastfreundschaft voraus und wir freuten uns schon auf viele Begegnungen.

    Unser erstes Ziel ist die Hauptstadt Tbilisi, die vier Tagesetappen entfernt liegt. Danach wollen wir noch die Weinregion per Rad erkunden.
    Die Gegend hier oben ist rauh und untouristisch. Es gibt einige größere Orte, wo wir uns verpflegen können, ansonsten kleine Dörfer mit Landwirtschaft. Die schwarze Erde ist bereits umgegraben, aber die Seen sind noch gefroren und es liegt oberhalb von 2000 Metern Schnee. Wir werden durch die Höhe in den Winter zurück katapultiert. Im eisigen Gegenwind fühlen sich Temperaturen um die 5 Grad viel kälter an. Wir packen uns dick ein. Pausen sind nur kurz und mit wärmendem Tee. Es gibt hier nichts zum Einkehren. Wenn wir an Leuten vorbei fahren werden wir kaum gegrüßt. Manche winken zurück - wir haben den Eindruck, dass man Fremden gegenüber in dieser Gegend nicht gerade aufgeschlossen ist. Es ist ein so krasser Unterschied zur Türkei. Dort wurden wir vor zwei Tagen ins Büro einer Tankstelle zu Kaffee vor dem Heizstrahler eingeladen - total durchnässt. Die Männer waren empathisch und haben gesehen, was wir gebraucht haben. Ein paar Menschen sprechen uns dann doch an. Ein Grieche und Armenier. Einen größeren Gegensatz in der Mentalität habe ich durch einen Grenzübertritt noch nie erlebt. Dabei hätte ich es ehrlich gesagt eher umgekehrt erwartet.

    Dazu kommen die Hunde, die mich bei einer Abfahrt fast vom Rad holen - noch nerviger als in der Türkei. Den letzten Stich versetzt uns der Verkehr. Hier gilt das Recht des Stärkeren und Schnelleren und das sind die unzähligen Mercedes Sprinter, die hier als Busse fahren oder der BMW X7. Es gibt keinen Seitenstreifen für uns. Als ein überholendes Taxi mir auf meiner Fahrbahn so knapp entgegen kommt, habe ich einen kleinen Nervenzusammenbruch. Ich schreie die überholenden Auto mit "Abstand, Abstand" an, verschaffe mir Platz bis zur Fahrbahnmitte und verursache schließlich einen kleinen Stau, weil ich niemanden mehr überholen lasse. Die Autofahrer bleiben ziemlich gelassen und schütteln nur den Kopf, keiner steigt aus, um mir eine zu scheuern:))
    Ich bin am Anfang dieses Landes gerade fertig mit ihm, dabei hatte ich so hohe Erwartungen...der Regen lässt uns fast einen ganzen Tag im Zelt in the middle of nowhere ausharren und ich komme wieder runter.

    Wir beschließen schon hier oben die Räder in Tiflis abzustellen und mal eine Radfahrpause einzulegen. Wir wollen dem Land noch eine Chance geben und sind sicher, dass Tiflis ganz anders wird. Die Temperaturen steigen mit den Höhenmetern, die wir abfahren. Es wird endlich grüner und die Sonne schenkt uns Hoffnung.

    (Luzi)
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