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  • Day 13

    R(h)ein-Tour: hier mal rein - dort mal r

    April 23, 2019 in South Africa ⋅ 🌙 17 °C

    Der Tag fängt gut an. Nicht nur, weil wir alle kurz nach 06:xx h bereits unabgestimmt auf sind, sondern weil die Anzeige vom Tafelberg auf Olaf seinem handy ‚OPEN‘ anzeigt. Hurra… - wir freuen uns darauf den Table Mountain via Gondel zu erobern. Nach gemütlichem Frühstück kommt Carol vorbei und sammelt die Schlüssel vom Haus ein. Ohne dass sie sich das Haus anschaut, meint sie: alles ok! So starten wir und sind 30 Min später zum 3. Mal an der Talstation vom Tafelberg. Schönes Wetter, Sonne – Carol hat allen den Rat gegeben eine Jacke anzuziehen. Oben bläst immer kräftig der Wind. So auch heute. Leider schon wieder – oder noch immer – so stark, dass mittlerweile vor Ort von ‚open‘ auf ‚closed‘ geschaltet wurde. Für den ganzen Tag. Das ist wohl der Grund warum nahezu niemand hier an der Talstation steht und rauf will. Ein kleiner – ganz kleiner Trost – ist die Tatsache, dass der Tafelberg am oberen Rand in Wolken gehüllt ist. So dicht, dass man mit Sicherheit die Stadt, die dem Berg zu Füßen liegt nicht sehen könnte.
    OK – 3 vergebliche Versuche ;-((( Wir haben ‚verloren‘! Zum Glück gab’s gestern den Heli-Flug, bei dem wir dem Table Mountain nahe waren…
    Es ist aber keine Zeit Trübsal zu blasen. Haben wir doch hier in Kapstadt ca die Hälfte unserer Strecke – und Zeit – hinter uns. D.h. wir haben auch noch die Hälfte vor uns. Und hier 3 x übernachtet. Diese Zeit gilt es nun auf der restlichen Strecke einzuholen. Sorgt uns aber nicht. Die Garden Route und Kapstadt hatten auf dichtestem Raum die meisten Wegpunkte – von insgesamt 89 Wegpunkten liegen nur noch ca 24 vor uns. Übersetzt bedeutet das, wir haben nicht mehr so viel Aufenthaltszeit auf der Reststrecke und werden/können mehr fahren, um die Zeit/km wieder aufzuholen.
    Ein wenig Wehmut beschleicht uns schon als wir Cape Town hinter uns lassen. Eine tolle Stadt, tolle Menschen – nicht umsonst trägt sie den Titel eine der lebenswertesten Städte der Welt und die lebenswerteste des afrikanischen Kontinents zu sein. Ein Schmelztiegel von arm und reich, schwarz und weiß und aller anderen Nationen dieser Welt. Von der erwähnten hohen Kriminalität einmal abgesehen, scheint man hier recht gut miteinander auszukommen. Die Leute lachen einen oft grundlos an, scheinen fast immer gute Laune zu haben, stellen sich gerne für Gemeinschaftsfotos zur Verfügung, tanzen oft ohne erkennbaren Grund auf Straße und/oder Bürgersteig. Ausserdem haben wir den Eindruck diese Menschen hier sind herzensgut. Auch hier trifft zu: es ist nicht schlimm arm unter Armen zu sein, es ist nur schlimm arm unter Reichen zu sein. Wobei wir beim Geld sind. Wir/ich bin in sehr, sehr hohem Maße vom hiesigen (gesamten) Preisniveau überrascht und erstaunt. Unterkünfte, Restaurants, Supermärkte, Tankstellen – überall sind die Preise gefühlt 25-35% günstiger als bei uns in Deutschland. Bei durchschnittlich deutlich besserer Qualität. Wir bekommen hier Quartiere, die wir uns in Deutschland nicht nur nicht leisten würden – wir könnten/wollten sie uns wahrscheinlich auch nicht leisten. An der Restaurantqualität könnten sich viele in Deutschland ein Beispiel nehmen. An der Qualität der Speisen, des Services und der Preise. Hätte ich hier in diesem Ausmaß niemals erwartet. Carol – die Vermieterin der letzten 3 Nächte – erzählte, dass sie auf ihrer Europareise nach Spanien geschockt über all die vorgenannten Dinge waren. Da sie mit hiesiger Kenntnis nach Spanien sind…. Und ich kann nun sehr viel besser alle diejenigen verstehen, die schon einmal hier waren und nie aufgehört haben, von Südafrika zu schwärmen. Und immer davon reden, wieder hierher kommen zu wollen. Und es teilweise ja auch tun… Unser Olaf ist ganz hin und weg von seinen/unseren Erlebnissen hier. Er überlegt wirklich ganz ernsthaft mal für 3-6 Monate hierher zu kommen. Er ist Rentner und hat keinerlei Verantwortung mehr für Rind und Kind. Er könnte mit der Zahnbürste hierher kommen, von der Rente und ein wenig vom Ersparten leben und/oder nach einem Job zu schauen – damit er Kontakt zu Menschen bekommt, mit denen er kommunizieren muß. Er will nämlich auf Teufel komm‘ heraus englisch lernen. Es ätzt ihn an, dass er nicht alles versteht. Dabei ist er sehr viel besser, als er in Deutschland noch dachte. Er versteht fast alles und hat auch den Mut, zu versuchen sich mitzuteilen. Und das klappt erstaunlich gut. Aber er will perfekt werden. Deshalb diese Idee hierher zu kommen. Er ist ein Tausendsassa. Macht aus einem Zentner Stahlwolle ein Auto (wenn ein Schrottplatz in der Nähe ist ;-)))) hat ebay-Handelstalent und weiß seine Stärken in harte Währung umzusetzen. Er kann nicht ruhig sitzen und auch nicht ruhig sein. Er ist von Haus aus auf alles neugierig – und damit ist nicht die Neugierde lästiger Nachbarn gemeint. Sondern die Neugierde auf ‚Neues‘… Sollte er das tatsächlich umsetzen (was ich nicht für ausgeschlossen halte) bin ich vom Gelingen seines Vorhabens überzeugt.
    Im übrigen hat ihn Jürgen gestern zum zweitbesten, nichtafrikanischen Linksfahrer südlich der Sahara gekürt – nachdem Jürgen sich selber zum ‚besten Fahrer südlich der Sahara‘ ernannt hat. Der Applaus dazu blieb aber weitgehend aus … ;-)))
    Diese beiden besten Fahrer kutschieren aktuell 268,6687 Jahre Erfahrung durch Südafrika. Das ist die Alterssumme von uns vieren zum Bergfest (zeitliche Mitte) unserer Tour. Das heißt, gestern waren wir 4 durchschnittlich 67,167 Jahre als. In der Range von Ende 62 bis Mitte 76 Jahre. Und es klappt mit uns vieren wirklich hervorragend. Wir sind zu einem richtig guten team geworden, das das Prinzip der Musketiere lebt: alle für einen – und einer für alle!!!
    Und nun fahren wir heute alle noch mal die Wegpunkte im Wine Valley ab, an denen wir vor 3 Tagen wegen der Quartierwahl vorbei gefahren sind. Nach Stellenbosch, Franschhoek und vielen guten und großen Weingüternamen, die wir auch in Deutschland kennen. Der südafrikanische Wein hat mittlerweile weltweit eine sehr positive Anerkennung. Immerhin wurde vor weit mehr als 300 Jahren von Europäern der erste Wein hier angebaut und immer weiter veredelt. Der Plan – und Fritz‘ Wunsch – für heute ist eine R(h)ein Tour: hier mal rein – da mal rein… Und dafür haben sich die hiesigen Winzer auch was tolles einfallen lassen. Die Wine Tram Route. Eine Eisenbahnlinie vom Ende des vorletzten oder Anfang des letzten Jahrhunderts, die über 70 Jahre lang vergessen war und vor sich hin rostete/dümmpelte wurde wieder reaktiviert. Mit wunderschönen, alt-historisch renovierten doppelstöckigen Zügen/Waggons in Kombination mit ähnlich designten Bahn-Bussen fährt man hier im Valley alle bekannten Weingüter an/ab. Ca 8 verschiedene Touren mit jeweils 3-5 Stopps an den Weingütern. Mit jeweils 1 h Aufenthalt und einer weingutspezifischen Auswahl von jeweils 3 unterschiedlichen Pauschalen für Wein, Essen und ‚Gesang‘. Nach dieser h nimmt man einfach den nächsten Zug oder Bus zum nächsten Weingut … und dann den nächsten zum nächsten usw.
    … wenn man wieder am Ausgangspunkt ankommt, sollte man meiner Einschätzung nach nicht mehr fahren müssen, sondern bereits ein festes Quartier haben. Und das nicht nur des angekündigten gutes Essens wegen… Und die Preise dafür waren fast ein Hohn – im positiven Sinne. Pro Weingut zwischen 4 und 7 € für jeweils hochwertiger Weinprobe und guten Essenskleinigkeiten! Uns schlagen 2 Herzen in der Brust. Einerseits lockt uns das Angebot – andererseits hinken wir bereits ein paar Tage hinterher. Wir diskutieren demokratisch und stimmen ab. Ich hatte vorher gesagt, dass ich meine Stimme bei Stimmen-Gleichheit zurück ziehe: weil ich kein Weintrinker bin und dadurch eine Mehrheit entstehen kann.
    Mit 2:1 Stimmen wird für die Alternative mit Weiterfahrt gestimmt. Die Alternative ist ein exclusives und hoch bewertetes Restaurant: Noop in Paarl. Dort werden wir von vielen gut ausgebildeten Kellnern, mit weissen Tischdecken und Stoff-Servietten vornehm eingedeckten Tischen empfangen. Und von Tafeln mit den Tagesempfehlungen oder der ausgesprochen guten Speise- und Weinkarte. Und was sich als gut bis sehr gut bis nach Deutschland durchgesprochen hat, hält in Südafrika natürlich auch sein Versprechen. Mehr als hochzufrieden ‚speisen‘ wir fürstlich und lassen uns die Weinempfehlung kredenzen. Sogar ich - der erklärte Nicht-Weintrinker – ‚kaut‘ den erlesenen Tropfen wie Biene es mich gelehrt hat: nicht in langen, tiefen Zügen wie ich Bier trinke – sondern in vielen kleinen Genuß-Schlucken. Ein kalter Chardonnay – in genau der richtigen Temperatur. Es war zwar nicht nur ein aufwendiger lunch, sondern auch ein preisangemessener. Für hiesiges Preisniveau. In Deutschland reicht das noch nicht mal für 2 Personen im guten Mittelklasse-Restaurant.
    Dann geht’s weiter. Der ‚beste Fahrer südlich der Sahara‘ übernimmt das Steuer und kann die nächsten Stunden nach Navi fahren. Ihm redet auch keiner rein – die anderen befinden sich nämlich im Fresskoma. Und schlafen oder dösen. Gut, viel gegessen und mit reichlich Wein bestens abgelöscht fordert seinen Müdigkeits-Tribut. Und dem können wir ja nachkommen. Weil wir noch knapp 300 km fahren wollen.
    Vorher kümmern Olaf und ich uns aber gemeinsam um die Unterkunft für die Nacht. Die Gegend die vor uns liegt ist nämlich verdammt dünn besiedelt und wir rechnen mit mehr Such-Aufwand als sonst. Ich suche die Unterkünfte auf dem iPad und Olaf ermittelt auf dem iPhone die km und Zeit bis dorthin. In diesem Tandem kommen wir relativ schnell wieder zu einem airbnb-Quartier. Das preiswerteste bisher und wir erwarten auch das am wenigsten gute. Und behalten Recht. Aber ‚nicht gut‘ bedeutet nicht automatisch ‚schlecht‘. Alles ist sauber. Wir haben 3 Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, Küche, Bad. Alt aber sauber. So reicht es uns für heute auch. Morgen peilen wir nämlich evtl schon Namibia an.
    Und an dieser Stelle für alle Mitleser und Follower: für Namibia haben wir keine Datenkarte. D.h. evtl verschwinden wir für ein paar Tage vom ‚Findpenguin-Bildschirm‘. Holen das aber wieder nach, sobald wir wieder zurück in Südafrika sind. Sorgt und grämt Euch nicht: wir kommen wieder!
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