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  • Day 42

    Delhi (01.04. - 05.04.)

    April 5, 2016 in India ⋅ ⛅ 32 °C

    Nachdem es in Shimla richtig angenehm und in Chandigarh auch nicht schlecht war, wurden wir in Delhi schnell wieder daran erinnert, dass es jetzt steil auf den Sommer zu geht. Am Connaught Place, dem belebtesten Kreisel und gleichzeitig Einkaufsmeile, zeigte eine große Anzeige 15% Luftfeuchtigkeit und sage und schreibe 46,7°C. Wir hätten beide nicht gedacht, dass der Unterschied zwischen 30 und 40 Grad so riesig ist. Man kann sich die Temperatur leicht verdeutlichen: Wenn man in Deutschland im Sommer an einem oder mehreren großen Autos vorbei geht, zum Beispiel auf einem Parkplatz, erfasst einen manchmal ein Schwall heißer Luft und lässt einem keine Luft zum Armen. So ist das hier die ganze Zeit, nur dass dazu noch die typischen Gerüche einer indischen Metropole dazu kommen.

    Nunja, zurück zum Tagesablauf. Wir kamen also Freitag hier an und weil's zeitlich noch passte, haben wir das Rote Fort besucht (Nummer 2 auf meiner Liste der Civilization-Wunder, die ich besuchen will). Lustigerweise hatten sie genau an dem Tag die Eintrittsgebühr verdoppelt, dankesehr. Auf meine Frage, ob das ein Aprilscherz sei, bekam ich natürlich nur ein Kopfwackeln... Das Fort selbst ist zwar anders als die Forts in Rajasthan, weil es sehr weitläufig ist, aber leider lange nicht so spektakulär. Schließlich liegt es mitten in der Stadt und nicht auf einem riesen Felsen oder so. Auch haben die Briten nach der Eroberung Delhis die größten Schätze entweder geraubt oder vernichtet, im Audioguide hieß es ständig "Zu Ihrer linken würden sie jetzt XY sehen... Aber das ist leider kaputt". Schade.
    Da unsere Tour mit Dils Firma am Samstag zu ende war, hatten wir uns selbst um eine Unterkunft gekümmert und das war eine gute Idee. Unser Hotel war genauso ausgestattet wie die davor, kostete aber nur zwei Drittel und lag auch noch besser. Und zwar war es fast direkt am Main Bazaar, der belebtesten Straße für Leute, die sich den Connaught Place nicht leisten können. So belebt, dass Satvinder sich mit dem Auto nicht ganz rein traute und wir das letzte Stück zu Fuß gehen mussten, was mit Gepäck und den Temperaturen nicht so angenehm war.
    Am Samstag stand dann die Sightseeing-Tour auf dem Programm. Das hier war ja jetzt schon unser dritter Aufenthalt in Delhi und endlich sahen wir auch mal was von der Stadt.    Los ging es mit der Jama Masjid Moschee gegenüber dem Roten Fort und einer der größten Moscheen Asiens. Cool. 13€ für 20 Minuten bei glühender Hitze über den Hof der Moschee laufen. Na gut, dass da mehrere zehntausend Menschen rein passen, ist schon eindrucksvoll, aber ein Blick von außen hätte es wohl getan. Als nächstes stand dann das Gebäude auf dem Plan, das als Vorlage fürs Taj Mahal hergehalten haben soll. Dort hätten wir auch nochmal für rund eine halbe Stunde 13€ bezahlen müssen. Da wir aber jetzt mehr auf unser Budget achten müssen, gingen wir nicht hin und sagten Satvinder auch, warum. Nach kurzem Überlegen hatte er dann sofort einen neuen Plan parat: Zuerst ging's zum India Gate, einem Triumphbogen ähnlich dem in Mumbai. Danach zum Präsidentenpalast, wo auch zum Beispiel das Verteidigungsministerium ist und dann kam der beste Punkt des Tages: Der Besuch des größten Sikh-Tempels in Delhi.
    Wie sich herausstellte, war nicht nur Dil kein Hindu, sondern Satvinder auch nicht. Er ist einer von rund 2 Millionen Sikhs und hatte große Freude daran, uns in "seinen" Tempel einzuladen und uns seine Religion näher zu bringen.
    Als wir rein kamen, mussten wir uns zuerst ein Kopftuch umbinden (die Sikhs sind schließlich auch die mit den hübschen Turbanen). Dann mussten wir unsere Schuhe abgeben und uns anschließend Füße und Hände waschen. Rituell gereinigt gingen wir in den Tempel und hörten zusammen mit hunderten anderen erstmal ein paar Minuten im Schneidersitz einem Gebet zu. Draußen liefen wir eine Runde um ein riesiges Becken, was wohl auch wieder förderlich für unser Seelenheil sein sollte. Auf dem Weg zurück zum Tempel sagte Satvinder auf einmal, dass wir stehen bleiben sollten.

    Drinnen hatte jemand nach einem Gebet einer speziellen Form gefragt, die jeder Sikh sofort erkennt und bei der alle Besucher des Tempels, egal ob drinnen oder draußen, inne halten müssen. So nahm die gesamte Gemeinde für ein paar Minuten teil am Wunsch dieser einen Person und betete mit für ihr Anliegen.
    Danach kam der beste Teil des Besuchs. Der Sikhismus ist nicht nur die einzige Religion,  die niemanden jemals nach Geld fragen wird, es geht sogar noch weiter: In den meisten großen Tempeln gibt es eine Kantine, in der jeder etwas zu essen bekommt. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Arm, reich, schwarz, weiß, grün, jung, alt, egal. Alle sitzen zusammen in langen Bahnen auf dem Boden und essen ein Dal (was ziemlich genau wie Linsensuppe geschmeckt hat) mit Chapati. Bedient wird man von freiwilligen Helfern, zu denen Satvinder auch manchmal gehört, zum Beispiel wenn seine Kunden den ganzen Tag etwas zu tun haben. Da wir mit ihm da waren, hatten wir auch die Möglichkeit, in die Küche zu schauen. Dort stehen Woks mit einem Durchmesser von zwei Metern und einem großen Feuer drunter, eine Chapati-Maschine, die die von einer Armee von Frauen ausgerollten Fladen fertig backt und ausspuckt und natürlich riesige Säcke mit Kartoffeln, Zwiebeln, Mehl und so weiter.
    Nach dem Mahl verließen wir den Tempel und waren um eine schöne Erfahrung reicher. Im größten und heiligsten Sikh-Tempel in Amritsar werden wohl übrigens täglich bis zu 100000 Menschen kostenfrei mit Essen versorgt. Finanziert wird das alles aus Spenden.

    Da es draußen, wie bereits erwähnt, über 40 Grad warm war, beschlossen wir, uns erst einmal ins Hotel zurückzuziehen. Wir verabschiedeten uns von Satvinder und ließen den Abend ausklingen.

    Die nächsten Tage verliefen recht ereignislos, da ich durch die typische Reisekrankheit ans Bett gefesselt war. Anscheinend bleibt das bei so einem Trip nicht aus, selbst wenn man alle hygienischen Tipps beachtet. Pech gehabt. Wir mussten unsere ursprünglich für Montag geplante Abreise Richtung Varanasi also auf Dienstag Nacht verschieben.

    Delhi ist, genau wie Mumbai, eine Stadt, die Indien sehr gut widerspiegelt. Einerseits hat man diese kulturellen Schätze an jeder Ecke, man fühlt die Herzlichkeit der Leute wie zum Beispiel im Tempel und sieht wie entspannt die Menschen hier sind. Andererseits stinkt's, das Trinkwasser ist schlecht und man sieht die klare Einteilung aller Bewohner in ihre Gruppen: Am Main Bazaar tummeln sich die untersten aller Händler und Dienstleister und versuchen dir Schuhe, Klamotten, Plastikplunder, Rasuren und Henna für wenige hundert Rupien anzudrehen. Dazwischen laufen und schlafen unzählige Hunde, Kühe und Bettler, die sich alle längst ihrem Schicksal ergeben haben.
    Ein paar hundert Meter weiter liegt der Connaught Place, wo die etwas besser betuchten Inder ihre Geschäfte erledigen. Neben lokalen Bars findet man dort auch McDonald's und KFC sowie große indische Ketten. Auch hier versuchen Straßenhändler ihr Glück und Menschen schlafen auf dem Boden, aber längst nicht so viele wie am Bazaar. Außerdem ist es deutlich sauberer und nicht so hektisch.
    Und dann gelangten wir irgendwann zur Kailash Colony und wenn wir es nicht besser gewusst hätten, hätten wir nicht erraten können, dass wir noch in Indien waren: Männer mit Sneakern und Shorts, Frauen mit knappen Hosen, Bars, in denen ein Bier 699 Rupien  (10€!) kostet und künstlich begrünte Flächen zwischen den Straßenseiten. Wer hier sein Geld ausgibt, hat's geschafft.
    (In Delhi gibt's natürlich auch Slums, aber davon können wir nicht berichten, weil wir nicht dort waren.)
    Und all diese Missstände und Unterschiede scheinen niemanden zu stören. Jeder gehört zu seiner Kaste, ist davon überzeugt, in diesem Leben gesellschaftlich nicht weiter aufsteigen zu können und macht eben das Beste draus. Warum sollte man gemeinschaftlich etwas gegen das Leid der Armen tun? Die sind schließlich nicht ohne Grund in diese Kaste geboren worden und werden schon irgendwie klar kommen.

    Achja, an Ghandis letzter Ruhestätte waren wir noch. Von seiner Botschaft scheint 70 Jahre nach seinem Tod nichts mehr übrig zu sein.

    Wir müssen so schnell nicht mehr in eine indische Metropole.

    Bild 1: Rotes Fort
    Bild 2: Gedenkstätte für Mahatma Ghandi
    Bild 3: Der Sikh-Tempel mit dem Becken links im Bild
    Bild 4: Die Küche im Tempel
    Bild 5: Der Saal, in dem jeder auf dem Boden sitzend, sein kostenloses Gericht zu sich nimmt
    Bild 6: Der sehr belebte Main Bazaar
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