Jakobsweg 2022

September - October 2022
Dieser Weg ist für mich etwas Besonderes. Vor zwei Jahren machte mein Leben eine Vollbremsung. Ein Gehirntumor zwang mich mit 55 Jahren nochmals das geradeaus Laufen zu lernen. Heute ist fast alles wieder gut und es wird Zeit, Danke zu sagen. Read more
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  • Day 10

    Ein etwas anderer Tag

    October 3, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 12 °C

    Das Ziel heute heißt O Cebreiro, ein kleines Museumsdorf ziemlich weit oben auf einem Berg. Zunächst laufe ich entlang einer Landstraße. Ich finde mein Tempo und meinen Tritt. Dabei komme ich gut voran. Die ersten vier KM vergehen wie im Flug. Ich nähere mich einem kleinen Geschäft mit Rosenkränzen. Der freundliche Ladenbesitzer erinnert mich an einen Schamanen. Seltsame Vorstellung, ein Schamane, der Rosenkränze verkauft. Ich entscheide mich gleich für drei, einen für mich und zwei zum Verschenken. Ich fasse mich gleichzeitig an den Kopf, Rosenkränze kaufen? Hm, eigentlich untypisch für mich. Der Mann sieht mich sehr intensiv an und segnet sich. Wieder wundere ich mich, segnet man nicht den Menschen, der gegenüber steht? Was hat er in mir gesehen, dass er sich segnen muss? Bevor ich etwas fragen kann, sagt er auf Englisch zu mir "Gehe heute den Camino spazieren, gehe langsam und beachte die anderen Menschen nicht. Meide sie." Ohne nachzufragen mache ich mich wieder auf den Weg.
    Ich versuche mehrmals, wieder mein Tempo aufzunehmen. Es gelingt mir nicht. Ich akzeptiere das langsame Gehen. Ich bin entschleunigt. Dann ist das heute eben so. Wie aus dem Nichts falle ich plötzlich in eine tiefe Meditation. Mir werden Dinge klar, die zuvor nur in meinem Unterbewusstsein geschlummert haben. Eine äußerst seltsame Erfahrung.
    Trotz allen mache ich auf dem Weg das eine oder andere Foto. Besondere Bedeutung hat für mich die Wegmarkierung „Galicien". Endlich Galicien! Hier fühle ich mich auf dem Camino zu Hause. Vielleicht, weil die Landschaft mich so sehr an meine zweite Heimat, die Abruzzen, erinnert. Zwar sind die Berge hier nicht so hoch wie dort, aber die Gegend hat viel von ihrer Ursprünglichkeit bewahrt. Gleichwohl hat sich im Vergleich zum Jahr 2008 einiges weiterentwickelt. Leben ist schließlich Bewegung und Veränderung.
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  • Day 10

    O Cebreiro

    October 3, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 17 °C

    Das Dorf O Cebreiro war bereits zur Zeit der Römer bekannt als Zugang ins Zentrum Galiciens. Die dort zu findenden und auf die Kelten zurückzuführenden Häuser nennt man Pallozas. Ihre typische runde oder ovale Bauweise und ihre strohgedeckten Dächer sind bis in die heutige Zeit erhalten geblieben. Zwei der verbliebenen vier Pallozas werden als Volkskundemuseum genutzt, die übrigen zwei dienen als Pilgerherberge.

    O Cebreiro ist bereits seit Jahrhunderten eine wichtige Station auf dem Jakobsweg. Schon im Jahr 836 wurde hier ein Hospital für Pilger errichtet. Bis heute hat es seine lebendige Ausstrahlung bewahrt. Was früher ein Wallfahrtsort erster Güte war, ist heute ein restauriertes und im Sommer gut besuchtes Touristenziel. Legendär: Die Blutlegende des Ortes und der galicische Gral. An diese Legende erinnert in der Kirche Santa María la Real ein Kelch aus dem 14. Jahrhundert. Während einer Messe soll sich in diesem Kelch Wein in Blut verwandelt haben, als ein wenig glaubensfester Mönch den einzigen anwesenden Pilger angeblich als Esel bezeichnete, weil dieser trotz des schlechten Wetters den langen Weg zur Klosterkirche auf sich genommen hatte, nur um "ein Stück Brot und ein bisschen Wein zu sehen".
    Kelch und Hostie sind heute Teil des galicischen Wappens.
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  • Day 11

    O Cebreiro - Tricastela

    October 4, 2022 in Spain ⋅ 🌙 12 °C

    Heute gibt es nichts Besonderes zu berichten. Wir entscheiden uns für den älteren, ruhigeren und schönen Weg bergauf durch den Wald nach Linares. Der Camino führt uns heute auf Schotterwegen oder schmalen Flurstraßen hinauf zur Passhöhe von San Roque. Über Hospital da Condensa geht es nochmal steil auf den 1337 m hohen Alto do Poio, dem höchsten Punkt des galicischen Jakobsweges. Es ist eine sehr schöne Wanderung durch die galicische Bergwelt. Manchmal frage ich mich doch, was ich hier so mache? Immer dann, wenn es wieder sehr steil und gerade nach oben geht. Aber nach etwa 6/7 KM empfinde ich es nur noch als schön. Diese Gegend erinnert mich an eine Welt voller Kobolde, Hexen und Feen, irgendwie unwirklich. Mich wundert es nicht, dass sich hier Kelten vor langer Zeit sehr wohl gefühlt haben. Nach ca. 23 KM kommen wir dann in Tricastela an. Dort erwartet mich schon mein Mann, der mir aus Deutschland nachgereist ist und uns auf den weiteren 132 KM bis nach Santiago begleiten wird. Ich freue mich auf die gemeinsamen Wandertage.Read more

  • Day 11

    Tricastela

    October 4, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 25 °C

    Der Ortsname bezieht sich auf drei Burgen, von denen allerdings keine Reste erhalten geblieben sind. Die Gründung erfolgte im 9. Jahrhundert. Viel mehr gibt es über den Ort nicht zu berichten. Trotzdem ist es ein sehr schöner Ort. Mit einer engen Gasse und mehreren schönen Restaurants. Die Dorfkirche, in der abends eine Pilgermesse stattfindet, ist gut besucht.Read more

  • Day 12

    Tricastela - Sarria

    October 5, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 12 °C

    Von Triacastela über San Xil verläuft der Weg in Richtung Sarria entlang einer Kette kleiner Ortschaften mit jakobeischer Tradition. Es ist ein Weg ohne Highlights und doch wunderschön zu gehen. Die hügelige Landschaft ist geprägt von Kuh- und Pferdeweiden sowie von Wäldern mit unterschiedlichen Baumarten. Es erscheint alles so friedlich.

    Der alternative Weg von Samos zweigt in der Umgebung des Flusses Sarria nach Süden ab. Er bietet auch herrliche Landschaften sowie zahlreiche Beispiele für die volkstümliche galicische Architektur. Der Weg führt zum Kloster Samos, einem der ältesten in der westlichen Welt (6. Jahrhundert). Da wir ihn aber schon im Jahr 2008 gegangen sind und der Weg ab Samos nach Sarria alles andere als schön ist, entscheiden wir uns diesmal für die kürzere Streckenführung.
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  • Day 12

    Sarria

    October 5, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 15 °C

    Sarria existierte bereits zu vorrömischer Zeit als Festung des iberischen Stamms der Seurros. Neu gegründet wurde die Stadt im 13. Jahrhundert durch König Alfonso IX. Durch ihre Lage am Jakobsweg erfuhr sie einen spürbaren Aufschwung. Insbesondere wurde hierdurch der Bau zahlreicher Kirchen begünstigt.Read more

  • Day 13

    Sarria - Portomarín

    October 6, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 12 °C

    Für Liliana und mich, die schon ca. 210 KM in den Beinen haben, beginnt die heutige Tageswanderung anders als gewohnt. Es herrscht Trubel wohin man sieht. Es ist ein richtiger Schock. Man geht eingereiht wie an einer Perlenkette zusammen mit einer Schar von Pilgern. Die Erklärung ist einfach. Sarria liegt 110 KM von Santiago entfernt. Wer hier startet, erfüllt die Mindestvoraussetzung, um am Pilgerzielort die sog. Compostela-Urkunde zu erhalten. Insbesondere die Spanier - auch spanische Schulklassen - wählen deshalb Sarria als Ausgangspunkt ihrer Pilgerreise. Es herrscht ein Gedränge wie auf Pützchens Markt.

    Der heutige Abschnitt heißt die neuen Pilger mit einer reizvollen Landschaft im Herzen Galiciens willkommen. Wir passieren Weiler, Bäche, mittelalterliche Brücken und Überreste der römischen Epoche. Kurz vor Portomarín treffen wir auf den Rio Mino, der in den 60er-Jahren aufgestaut wurde. Anders als im Jahr 2008 ist allerdings von einem Stausee nichts zu sehen. Das Becken ist nahezu ausgetrocknet. Der Fluss selbst ist eher als Bachlauf einzustufen. Liegt es an dem diesjährigen trockenen Sommer? Die Ursachen bleiben uns verborgen.
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  • Day 13

    Portomarín

    October 6, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 23 °C

    Portomarín, die wichtige Pilgerstation auf dem Jakobsweg an einer Brücke über den Fluss Miño, wurde in den 1960er-Jahren komplett demontiert und auf dem Hügel nebenan neu aufgebaut. Unter den umgesetzten Gebäuden befindet sich eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Der Río Miño bildet ein traditionelles Hindernis für Menschen und Waren. Daher errichteten schon die Römer bei Portomarín eine Brücke, die im Mittelalter durch eine neue ersetzt wurde. Der Ort erlebte zwischen den 10. und dem 12. Jahrhundert seine Blütezeit. Gleich drei Ritterorden hatten hier ihren Sitz: Der Johanniterorden, der Santiagoorden und der Templerorden. Wer heute durch die gepflasterten Straßen entlang der schmucken, gut restaurierten Häuser läuft, wird sich der Umsiedlung des Ortes kaum bewusst. 1960 ging der ursprüngliche Ort in den Fluten des neu errichteten Stausees Embalse de Belesar unter.Read more

  • Day 14

    Portomarin -Palas de Rei

    October 7, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 13 °C

    Heute starten wir mit einem ausgiebigen Frühstück in der Ferienwohnung. Welch ein Luxus - im Schlafanzug frühstücken. Anschließend holt uns der Wanderalltag - diesmal mit dichtem und nassem Nebel - wieder ein.
    Ein langer, allmählicher Anstieg führt uns wieder aus dem Miño-Tal heraus. Wir kommen auf eine kleine Hochebene, die mich landschaftlich etwas an die Lüneburger Heide erinnert. Moderne Ortschaften und kleine landwirtschaftliche Siedlungen säumen ebenso unseren Weg wie Täler, Flüsse und Bäche. Ein ständiger Begleiter ist hier - der Viehzucht sei Dank - eine gute Landluft. Unser Etappenziel lautet Palas de Rei.
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  • Day 15

    Palas de Rei- Melide

    October 8, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 14 °C

    Los geht es heute für uns noch im Dunkeln. Wir starten - so der Plan - vor den Mitpilgern und hoffen, hierdurch den Weg für uns alleine zu haben. Ein Blick aus unserem Fenster zeigt, dass es noch sehr ruhig auf den Straßen ist. Aber wie heißt es so schön: Willst Du Gott zum Lachen bingen, erzähle ihm von deinen Plänen. Schon nach wenigen Minuten laufen wir auf eine ganze Schulklasse auf, die ebenfalls früh auf den Beinen ist. Die Schülerinnen und Schüler nehmen die Breite des Weges vollständig in Anspruch. Sie unterhalten sich so laut und intensiv miteinander, dass unsere Bitten, uns vorbei zu lassen, ungehört bleiben. Nach mehreren vergeblichen Überholversuchen geben wir schließlich auf. Zu unserem Glück entdecken wir gleich zu Beginn der Etappe eine sehr nette Frühstücksbar mit einladenen Sitzgelegenheiten. Wir sind uns sofort einig, hier einen ersten Zwischenstopp einzulegen und uns ein gutes Frühstück zu gönnen. Der Duft von gebratenen Eiern mit Speck liegt bereits in unserer Nase. Gesagt - getan. Der Schulklasse gehen wir so elegant aus dem Weg. Ihren Vorsprung durch unsere eingelegte Pause werden wir nicht mehr einholen. Und das ist auch gut so. Bereits am frühen Nachmittag erreichen wir ganz entspannt unser heutiges Ziel: Melide.Read more