• Mondfrau
сент. – окт. 2022

Jakobsweg 2022

Dieser Weg ist für mich etwas Besonderes. Vor zwei Jahren machte mein Leben eine Vollbremsung. Ein Gehirntumor zwang mich mit 55 Jahren nochmals das geradeaus Laufen zu lernen. Heute ist fast alles wieder gut und es wird Zeit, Danke zu sagen. Читать далее
  • Начало поездки
    24 сентября 2022 г.

    Jakobsweg 2022

    24 июля 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 23 °C

    Nun geht sie los, meine Reise nach Santiago de Compostela. Dort wartet der Jakobsweg bereits auf Liliana und mich. Mein lieber Mann musste leider zu Hause bleiben, aber er kommt am 4.10. nach. Ich freue mich jetzt schon darauf. Das Flughafengebäude in Frankfurt-Hahn ist völlig überfüllt. Hier kann niemand umfallen, so eng stehen die Menschen - die meisten ohne Maske - zusammen. Erst mit dem Betreten des Fliegers kommt die Schutzmaske bei den meisten Mitreisenden zum Einsatz. Dabei ist es hier im Flugzeug nicht annähernd so voll wie im Wartebereich. Nun ja, das muss jeder selber wissen. Lustig zu sehen, wer alles so nach Santiago fliegt. Ein junger Mann ohne Schuhe, eine Frau in lila und rosa Glitzer-Jogginganzug mit ganz viel bling-bling. Ein älterer Herr im Anzug und Wanderstiefeln, eine Dame mit Hut und viel zu viel Schminke. Zwei gut gelaunte Familien mit Plastiktüten und fröhlichen Kindern. Sie alle wollen nicht nur nach Santiago fliegen, sondern auch pilgern. Wie dies das Mädel im Disco-Outfit und Trolli machen möchte, ist mir schleierhaft. Aber vielleicht sehen wir sie ja auf dem Weg. Sie möchte auch morgen mit dem Zug nach Leon fahren und dann los wandern. Ich komme mir schon mit meiner Outdoor-Kleidung und Rucksack sehr exotisch vor. Ich glaube, es wird eine interessante Zeit. Diesmal scheint sich wirklich eine bunte Vielfalt auf den Weg zu machen. Lachen muss ich, als ein Mann (Macho, Macho…) sich zu einer Gruppe junger Frauen stellt und ihnen oberlehrerhaft erklärt, dass Frauen nicht gemeinsam pilgern können. Wenn Männer gemeinsam gehen, sei es ein Miteinander, bei Frauen immer nur ein Gezicke und ein Gegeneinander. Sie würden nicht als Freundinnen den Weg zu Ende gehen können. Deshalb bietet er ihnen an, sich ihm anzuschließen. So sei die Rangordnung klar geregelt. Er gebe den Ton an und es bliebe kein Raum für Streitigkeiten. Die Gruppe junger Frauen sehen ihn mit großen ungläubigen Augen an. Mir steht unter meiner Maske auch der Mund offen. Leider kann ich das Gespräch nicht weiter verfolgen, weil mich jemand anderes um Hilfe bittet. Schade, aber je nach dem, wo die Einzelnen starten, sehen wir bestimmt den einen oder anderen noch einmal wieder.Читать далее

  • Aus dem Nähkästchen

    25 сентября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 16 °C

    Heute fahren wir gefühlt den ganzen Tag Zug. Die Fahrt führt uns über vier Stunden von Santiago nach Leon. Ich bin überrascht, wie traumhaft schön Galicien auch abseits der Pilgerpfade ist. Um die gesamte Region kennenzulernen setzt sich bei mir der Gedanke fest, diese Gegend losgelöst vom Jakobsweg als Ziel für einen gesonderten Wanderurlaub ins Auge zu fassen. In Leon nehmen wir ein Taxi zu unserer Unterkunft in Virgen del Camino. Dort startet morgen früh unsere eigentliche Pilgerreise. Wir lassen unsere Rucksäcke im Hotel und brechen zu Fuß zu einer Erkundungstour zurück ins sieben Kilometer entfernte Leon auf. Zunächst folgen wir einer sechsspurigen Schnellstraße - alles andere als prickelnd. Schön, dass mein Handy schon bald eine alternative Strecke über kleine Schotterwege durch Felder und Gärten anzeigt. Diese Wegvariante stößt bei Liliana allerdings auf wenig Gegenliebe. Sie ist verunsichert und fragt jeden, der uns entgegen kommt, nochmals nach dem "richtigen" Weg. Zumeist erhält sie den Rat, zurück zur Schnellstraße zu gehen. Ich stelle mich stur und bleibe den Schotterwegen treu. Liliana folgt mir und ich höre sie schimpfen "Was soll ich in dieser Walachei? Da hätte ich auch in Valviano wandern können!" Dazu muss man wissen, dass Valviano eine sehr ländlich geprägte Region in den Abruzzen und ihre italienische Heimat ist.
    Zum Glück erreichen wir dann doch Leon. Liliana ist von der Stadt begeistert und möchte gleich 1-2 Tage dort bleiben. Als erstes steht der Besuch der zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert erbauten Kathedrale an. Hierfür wird ein Eintritt von 7,00 Euro fällig. Ein stolzer Preis, aber es lohnt ein Rundgang durch dieses frühgotische Bauwerk. Neben dem Eintritt investiert Liliana noch zwei Euro für eine ganze Batterie von elektrischen Kerzen für alle engen Freunde und Verwandten. Wat mut, dat mut.
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  • Der Weg sorgt für dich

    26 сентября 2022 г., Испания ⋅ 🌙 11 °C

    Die Entfernung von Virgen del Camino nach Hospital de Orbigo entlang einer Schnellstraße beträgt 21 KM. Ich entscheide mich für eine alternative Route durch das Hügelland, dem Camino Paramico. Dieser ist landschaftlich sehr reizvoll und ursprünglich, aber 10 KM länger. Wir treffen freundliche und gesprächige Landwirte. Gesprächsbarrieren werden durch Gestik und Improvisation überwunden. Man fühlt sich wie in einem Pantominen-Theater. Die Einheimischen warnen uns vor imaginären Bahnübergängen, gefährlichen Tieren und Sümpfen sowie vor morschen und nicht nutzbaren Sitzbänken.
    Außer den tollen Menschen, die wir treffen, erfreuen wir uns an Früchten am Wegesrand. So essen wir süße Feigen, Brombeeren, Trauben, Äpfel und Birnen.
    Hospital de Orbigo ist ein kleines Dorf. Es entstand um das 12. Jahrhundert und wurde von Rittern des Johanniterordens als Pilgerhospiz gegründet. Älter als das Dorf selbst ist eine ab dem 10./11. Jahrhundert auf römischen Fundamenten errichtete 20-bogige Brücke über den Rio Orbigo. Berühmt wurde die Brücke durch den Lanzenkampf des Ritters Suero de Quinones. Im Heiligen Jahr 1434 gelobte der Edelmann, 15 Tage vor und nach dem 25. Juli, also dem Tag Santiagos, mit neun Genossen gegen jeden über die Brücke kommenden Ritter zu kämpfen. Durch die edle Tat wollte er sich von einer Halsfessel befreien, die er jeden Donnerstag als Zeichen seiner unglücklichen Liebe für eine Edeldame anlegte. Don Suero und seine wackeren Freunde besiegten der Legende nach 166 Ritter. So konnte er sich von seiner Liebesfessel befreien.
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  • Hospita Orbigo nach Astorga

    27 сентября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 7 °C

    Nach einer guten Nacht geht es heute weiter bis nach Astorga. Im Vergleich zu gestern stehen allerdings nicht 31 KM, sondern lediglich 18 KM mit rund 250 Höhenmetern auf dem Programm. Wir wählen wieder den Weg fernab der Autostraße. Wir treffen zahlreiche Pilger aus vielen Ländern und Kontinenten. Es ist ein fröhliches Hallo verbunden mit dem Wunsch "Buen Camino". Auch auf dieser Etappe können wir uns wieder mit Früchten vom Wegesrand stärken. Überrascht werden wir von einem von Pilgern für Pilger organisierten Picknick. Es gibt Früchte, Wurst, Käse, Getränke, Kuchen, Eier und noch vieles mehr. Gegen eine kleine Spende kann sich hier jeder bedienen. Die Atmosphäre ist herzlich und es bahnen sich interessante Gespräche zwischen den Pilgern an. Das letzte Stück nach Astorga gesellt sich ein Holländer zu uns. Wir gehen dieses Teilstück gemeinsam, tauschen unserer bisherigen Erfahrungen sowie Erwartungen an den Weg aus. Ich schätze diese - wenn auch nur kurzen - Begegnungen mit anderen Pilgern sehr.

    Astorga ist eine kleine sehenswerte Stadt am Rande der Berge von León. Sie ist eine der ältesten Städte der Region, die während der Herrschaft der Römer auf der iberischen Halbinsel als Asturica Augusta bekannt war. Zu dieser Zeit war Astorga der nördlichste Endpunkt der römischen Straße Via de la Plata, die von Mérida im Süden nach Astorga führte und deren gesamte Wegstrecke von 470 KM gepflastert war. Auch wir nutzen auf unserem heutigen Weg ein Teilstück dieser alten Römerstraße und spüren so ein bisschen den Hauch der Geschichte. Unsere Straßenbauer sollten sich einmal ein Beispiel nehmen an der Nachhaltigkeit des damaligen Straßenbaus.

    Unser Hotel liegt in Sichtweite zum Palacio Episcopal (Bischofspalast). Er wurde nach den Plänen des Katalanen Antoni Gaudi errichtet und beherbergt heute das Museo de los Caminos mit Ausstellungsstücken zur Geschichte des Jakobswegs. Morgen geht es weiter nach Foncebadón. Mal sehen, was uns auf diesem Weg erwartet.
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  • Astorga - Foncebadón

    28 сентября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 13 °C

    Die Strecke von Astorga nach Foncebadón ist unspektakulär. Der Wanderweg führt entlang einer wenig befahrenen Straße.

    Im Vergleich zu unserer Pilgertour im Jahr 2008 hat sich Foncebadón sehr verändert. Der frühere Charme ist nach meinem Gefühl verloren gegangen. Damals war zu spüren, wie einige Wenige aus idealistischen Motiven heraus versuchten, das vergessene Bergdorf erneut aufzubauen und die verfallenen Häuser wieder durch viel Handarbeit instand zu setzen. Obwohl fließendes Wasser und Elektrizität teilweise noch fehlten, wurde Gastfreundschaft groß geschrieben. Heute gibt es eine Betonstraße sowie viele neu gebaute Herbergen. Foncebadón ist eine Beispiel für die Kommerzialisierung des Jakobsweges.Читать далее

  • Foncebadón - Molinaseca

    29 сентября 2022 г., Испания ⋅ ☁️ 15 °C

    Auf dieser Etappe überqueren wir den höchsten Punkt des Camino francés und können am Cruz de Ferro, symbolosiert durch einen Stein, eine Seelenlast ablegen. Danach geht es hinab nach Molinaseca und morgen geht es weiter in den Templerort Ponferrada.

    Heute steigt der Weg an bis zum höchsten Punkt des Caminos (1.515 m). Wir wandern bei starkem Regen und Windböen von 75 h/KM . Die Temperatur liegt bei 8 Grad. Dabei passieren wir das legendäre Cruz de Ferro, das einer der symbolträchtigsten Orte des Jakobsweges ist.
    Das eiserne Gipfelkreuz erhebt sich über einem gewaltigen Steinhaufen, zu dem seit Jahrhunderten Pilger Steine hinzufügen, die sie von zu Hause mitgebracht haben. Das Ablegen der Steine soll das Ablegen seelischer Lasten symbolisieren. Danach folgt ein langer und nicht ganz einfacher Abstieg nach Molinaseca. Viele glatt gelaufene Felsplatten und rutschige Steine pflastern den sehr steil verlaufenden Weg. Heute bei Regen ist er noch rutschiger und die Pilger helfen sich mit Menschenketten gegenseitig, die schwierigen Passagen zu überwinden. Liliana und ich verlassen auf einem Teilstück den markierten Weg und nutzen stattdessen die Straße. Uns kommt der eigentliche Weg auch vor dem Hintergrund der Wetterverhältnisse zu steil, rutschig und gefährlich vor.
    Trotz dieser vorsichtigen Herangehensweise kommt Liliana auf dem nassen Asphalt zu Fall. Sie stürzt böse und hat Schmerzen im Brustkorb. Sie glaubt, sich eine Rippe gebrochen zu haben. Sollte es ihr morgen nicht besser gehen, wird sie sich mit einem Taxi zu dem nächstgelegenen Pilgerkrankenhaus bringen lassen. Hoffen wir das Beste!
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  • Ponferrada

    30 сентября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 9 °C

    Der heutige Morgen beginnt hektisch. Wir haben verschlafen. Ein Blick auf mein Handy sagt mir, dass wir bereits Viertel vor neun haben. Grundsätzlich kein Problem, aber unsere Rucksackabholung ist für 8:00 h vereinbart. Ich stürze noch im Schlafanzug mit sehr eilig in den Rucksack geworfenen Klamotten zwei Etage abwärts zur Rezeption. Dort ist jedoch niemand. Auch die Außentür ist verschlossen. Der Rucksack-Transportservice ist offensichtlich noch nicht hier gewesen. Schnell hole ich auch Lilianas Rucksack nach unten. Ich höre ein Auto vorfahren, den an der Eingangstür klopfenden Fahrer und sodann ein sich wieder entfernendes Auto. Hm, alles etwas seltsam. Als ich oben aus dem Fenster schaue, sehe ich den Wagen zurückkommen. Ich renne abermals die Treppe herunter und schließe die Tür auf. Und richtig, es ist unser Transportservice. Unsere Rucksäcke können also wie geplant zu unserer neuen Unterkunft auf den Weg gehen. Glück gehabt!
    Dennoch bleiben Fragen. Wo ist das Hotelpersonal? Wie sieht es mit dem von uns gebuchten Frühstück aus? Ich stoße auf einen Zettel an der Wand. Danach werden wir gebeten, uns in der Küche ein Frühstück selbst zusammenzustellen. Wenn das so gewollt ist, dann ans Werk!
    Das Frühstück bringt uns auf die Beine. Dennoch klagt Liliana, die eine unruhige Nacht hatte, über Schmerzen im Bereich des Oberbauchs. Zudem ist ihr Knie angeschwollen. Sie möchte aber unbedingt weiterlaufen. Tapfer, tapfer.
    Mir macht die Kälte heute morgen wenig aus. Ich freue mich, dass die Sonne scheint und dass der Regen von gestern sich verzogen hat. Meine Gedanken kreisen um vergangene Zeiten, insbesonderer um die letzten zwei bis drei Jahre, in denen ich einen unglaublichen Wandel durchgemacht habe. Einen Wandel, um den ich sehr froh bin. Die diesjährige Pilgerreise ist für mich kein Weg, um mich selbst zu finden. Er ist ein Weg, weil ich mich selbst gefunden habe! Mit dem Weg möchte ich alte Dinge entgültig loslassen. Frieden schließen mit dem, was sich nicht mehr ändern lässt. Loslassen von Dingen, die schwer gewogen haben, um die ich heute aber dankbar bin, sie erlebt zu haben. Alles, alles war sinnvoll. Ich wäre ohne das Erlebte nicht das oder die, die ich heute bin. Ich habe heute viele gute Momente. Jeden Tag treffe ich Gesichter, die mir schon etliche Male zugelächelt haben. Jeden Tag sehe ich in strahlende Augen. Wir haben alle das selbe Ziel. Wir gehen alle jeden Tag die selben Schritte, auf dem selben Weg. Wir schauen alle in die selbe Richtung und haben dieses unglaubliche Gemeinschaftsgefühl. #camino.
    In Ponferrada suchen wir nach dem Einchecken im Hotel zunächst einmal das städtische Gesundheitszentrum auf. Liliana lässt sich dort untersuchen. Alle sind sehr freundlich und sehr bemüht, ihr zu helfen. Sie geben ihr grünes Licht, den Weg fortzusetzen. Ihre Rippen sind zum Glück nur geprellt. Sie soll sich allerdings schonen 🙈🤷🏻‍♀️ Wir entscheiden deshalb, dass sie morgen einen Tag mit dem Wandern aussetzt und mit dem Bus zum nächsten Etappenziel fährt. Ich selbst werde alleine losziehen und freue mich auf 24 KM in Richtung Berge. Heute aber genießen wir erst einmal Ponferrada, den alten Templer-Stützpunkt auf dem Jakobsweg.
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  • Ponferrada

    30 сентября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 19 °C

    Die Burg des Templerordens in Ponferrada ist ein erhabener Bau. Dort ist die Templer-Bibliothek mit dem Zentrum für historische Forschungen und Studien von Ponferrada mit knapp 1400 Bänden untergebracht, zu denen auch Faksimile-Bücher der Werke Leonardo Da Vincis zählen.
    Zunächst gab es eine iberische Burg und später eine römische Zitadelle. Zu Beginn des 12. Jh. nahmen die Templer die Festung ein und verstärkten und erweiterten sie, so dass sie als bewohnbarer Palast und zum Schutz der Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela diente. Der Bau hat einen unregelmäßig viereckigen Grundriss. Besonders hervorzuheben ist der Eingang, der über den Graben über eine Zugbrücke erfolgt, sowie weiter vorne die beiden Festungstürme mit Zinnen, die über einen Bogen miteinander verbunden sind. Die zwölf Originaltürme bildeten die Formen der Sternbilder nach.
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  • Villafranca del Bierzo

    1 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 6 °C

    Ich pilgere heute alleine, da Liliana einen "Bus-Tag" einlegt und in Ponferrada einen Friseur aufsuchen möchte. Ich habe einen guten Lauf und erreiche einen Durchschnitt von 5h/KM. Die Obstbäume am Wegesrand ignoriere ich und verzichte - anders als in den Vortagen mit Liliana - auf "Obst-to-go" aus fremden Gärten. Ich genieße die Weinbaulandschaft und schließe mich eine Zeit lang einem älteren Ehepaar aus den USA (Montana) an. Sie erzählen mir von ihren Langzeitwanderungen und Langstreckenradtouren durch Amerika mit Zelt und Kochgeschirr. Hier auf dem Jakobsweg schätzen sie die Infrastruktur mit der Möglichkeit, jeden Abend in einer Herberge übenachten zu können. Zudem sind sie - ebenso wie ich - von dem Spirit des Weges fasziniert. Im nächsten Jahr planen sie, sich erneut auf den Weg nach Santiago zu machen. Vielleicht sieht man sich dann ja wieder. :-)
    Für die restliche Tagesetappe ziehe ich mein Tempo nochmals an. Irgendwann habe ich alle Pilger überholt und weit hinter mir gelassen. Es ist nun hier sehr einsam und still. Nach rund fünf Stunden erreiche ich Villafranca. Am Ortseingang befindet sich die romanische Iglesia de Santiago aus dem 12. Jahrhundert. An einer Seite dieser Kirche stößt man auf die Pforte der Vergebung, wo früher erkrankte Pilger, die ihren Weg nicht bis Santiago de Compostela fortsetzen konnten, einen Sünden-Ablass erhielten. Das größte zivile Gebäude ist das Castillo Palacio de Los Marqueses, ein Burgpalast der Markgrafen von Villafranca. Wappen und Schilde der verschiedenen Adelsverbindungen der Markgrafen zieren das Gebäude.
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  • Grüne Maronen kann man essen

    2 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 9 °C

    Heute gönne ich mir ein ausgiebiges Frühstück und nehme mir hierfür viel Zeit. Es ist schließlich Sonntag. Der Weg, den ich heute gehen möchte, ist eine Alternative zum Jakobsweg Villafranca-O Cebreiro. Er nennt sich Camino duro, der harte Weg. Im Mittelalter wurde er vor allem in Zeiten genutzt, in denen die Route durch das Tal wegen der oft Hochwasser führenden Flüsse unpassierbar war. Der Name macht der Etappe alle Ehre. Schon der erste Anstieg ist eine enorme Herausforderung. Kurz überlege ich, ob es sinnvoll ist, auf allen Vieren hinauf zu kraxeln. Letztlich helfen mir meine Stöcke, die Steigungen zu meistern. Ich gewinne schnell an Höhe und werde immer wieder mit tollen Aussichten belohnt. Lange Zeit bin ich hier oben ganz alleine unterwegs. Aber an den Spuren kann ich erkennen, dass kurz vor mir schon jemand diesen Weg gewählt hat. Aufkommende Gedanken an Wildschweine, Schlangen und wilde Hunde versuche ich zu verdrängen. Ich frage mich, ob hier auch Bären anzutreffen sind. Ich erinnere mich an ein Hotel und eine Bar im Dorf mit dem Namen "Al Oso", also "Zum Bären". In einem Zwiegespräch überzeuge ich mich selbst, dass diese Namensgebungen lediglich mit lang vergangenen Zeiten zusammenhängen.
    Der Weg ist mit gelben Pfeilen recht gut markiert. Dennoch ist etwas Orientierungssinn erforderlich. Man spürt, dass diese Wegvariante nicht mehr ganz so gut gepflegt wird. Nach einer Weile erreiche ich einen Esskastanienwald. Ich treffe auf Einheimische, die die nächste Maronen-Ernte vorbereiten. Sie grüßen freundlich und wünschen einen guten Weg. Gedankenverloren laufe ich weiter und muss schon bald feststellen, dass der Weg abrupt endet. Ich gehe ein Stück zurück, um nachzuschauen, ob ich eine Abzweigung verpasst habe. Ich finde einen abzweigenden Pfad, der aber weder mit einem gelben Pfeil noch mit einer Muschel gekennzeichnet ist. Auch mein Handy-Navi hilft mir an dieser Stelle nicht weiter. Ein älterer Herr kommt auf mich zu und spricht mich an. Obwohl er kein Deutsch und ich kein Spanisch spreche, kommt es zu einer kleinen Unterhaltung. Er gibt mir zu verstehen, dass hier früher viele Pilger durchgezogen seien. Heute wählten die Pilger meist jedoch die bequemere und die schneller zum nächsten Etappenziel führende Talroute. Er hilft meiner Orientierung auf die Sprünge, so dass ich ich dem Camino duro weiter folgen kann.
    Vorher führt er mich jedoch in die Geheimnisse der Maronen ein. Er zeigt mir, wie man grüne Kastanien schält. Es müssen genau drei Schalen entfernt werden, dann kann man sie essen. Er versichert, dass sie im grünen Zustand aufgrund ihrer wertvollen Inhaltsstoffen besonders gesund seien. Wir schälen eine Zeit lang gemeinsam die Maronen und verzehren sie sogleich. Dann beginnt er wieder mit einem Gemisch aus Spanisch, Italienisch und Englisch zu erzählen. Danach habe man zeitweise nur braune Maronen geerntet. Man habe sich jetzt aber wieder an Rezepte der Großeltern erinnert und verwende grüne Maronen zum Backen von Brot und zur Zubereitung von süßen und herzhaften Speisen. Wir verabschieden uns, nicht ohne dass er mir noch eine Wegzehrung von geschälten Maronen mitgibt.
    In meinem Hotel angekommen, treffe ich leider Liliana nicht an. Sie wollte die Strecke mit dem Taxi zurücklegen. Ich gehe auf mein Zimmer, dusche, wasche meine Wäsche und mache mich stadtfein. Telefonisch erfahre ich von Liliana, dass sie kein Taxi bekommen hat und deshalb zu Fuß auf der Talroute unterwegs ist. Ich entscheide kurzerhand, ihr entgegen zu gehen. So komme auch ich noch in den "Genuss" der heute gängigen Wegvariante durch das Tal. Lustig sind die Gesichter der entgegen kommenden Pilger. So mancher fragt mich, ob ich noch in die richtige Richtung laufe. Ich sage nein, aber manchmal muss man eben auch mal gegen den Strom schwimmen.
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  • Ein etwas anderer Tag

    3 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 12 °C

    Das Ziel heute heißt O Cebreiro, ein kleines Museumsdorf ziemlich weit oben auf einem Berg. Zunächst laufe ich entlang einer Landstraße. Ich finde mein Tempo und meinen Tritt. Dabei komme ich gut voran. Die ersten vier KM vergehen wie im Flug. Ich nähere mich einem kleinen Geschäft mit Rosenkränzen. Der freundliche Ladenbesitzer erinnert mich an einen Schamanen. Seltsame Vorstellung, ein Schamane, der Rosenkränze verkauft. Ich entscheide mich gleich für drei, einen für mich und zwei zum Verschenken. Ich fasse mich gleichzeitig an den Kopf, Rosenkränze kaufen? Hm, eigentlich untypisch für mich. Der Mann sieht mich sehr intensiv an und segnet sich. Wieder wundere ich mich, segnet man nicht den Menschen, der gegenüber steht? Was hat er in mir gesehen, dass er sich segnen muss? Bevor ich etwas fragen kann, sagt er auf Englisch zu mir "Gehe heute den Camino spazieren, gehe langsam und beachte die anderen Menschen nicht. Meide sie." Ohne nachzufragen mache ich mich wieder auf den Weg.
    Ich versuche mehrmals, wieder mein Tempo aufzunehmen. Es gelingt mir nicht. Ich akzeptiere das langsame Gehen. Ich bin entschleunigt. Dann ist das heute eben so. Wie aus dem Nichts falle ich plötzlich in eine tiefe Meditation. Mir werden Dinge klar, die zuvor nur in meinem Unterbewusstsein geschlummert haben. Eine äußerst seltsame Erfahrung.
    Trotz allen mache ich auf dem Weg das eine oder andere Foto. Besondere Bedeutung hat für mich die Wegmarkierung „Galicien". Endlich Galicien! Hier fühle ich mich auf dem Camino zu Hause. Vielleicht, weil die Landschaft mich so sehr an meine zweite Heimat, die Abruzzen, erinnert. Zwar sind die Berge hier nicht so hoch wie dort, aber die Gegend hat viel von ihrer Ursprünglichkeit bewahrt. Gleichwohl hat sich im Vergleich zum Jahr 2008 einiges weiterentwickelt. Leben ist schließlich Bewegung und Veränderung.
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  • O Cebreiro

    3 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 17 °C

    Das Dorf O Cebreiro war bereits zur Zeit der Römer bekannt als Zugang ins Zentrum Galiciens. Die dort zu findenden und auf die Kelten zurückzuführenden Häuser nennt man Pallozas. Ihre typische runde oder ovale Bauweise und ihre strohgedeckten Dächer sind bis in die heutige Zeit erhalten geblieben. Zwei der verbliebenen vier Pallozas werden als Volkskundemuseum genutzt, die übrigen zwei dienen als Pilgerherberge.

    O Cebreiro ist bereits seit Jahrhunderten eine wichtige Station auf dem Jakobsweg. Schon im Jahr 836 wurde hier ein Hospital für Pilger errichtet. Bis heute hat es seine lebendige Ausstrahlung bewahrt. Was früher ein Wallfahrtsort erster Güte war, ist heute ein restauriertes und im Sommer gut besuchtes Touristenziel. Legendär: Die Blutlegende des Ortes und der galicische Gral. An diese Legende erinnert in der Kirche Santa María la Real ein Kelch aus dem 14. Jahrhundert. Während einer Messe soll sich in diesem Kelch Wein in Blut verwandelt haben, als ein wenig glaubensfester Mönch den einzigen anwesenden Pilger angeblich als Esel bezeichnete, weil dieser trotz des schlechten Wetters den langen Weg zur Klosterkirche auf sich genommen hatte, nur um "ein Stück Brot und ein bisschen Wein zu sehen".
    Kelch und Hostie sind heute Teil des galicischen Wappens.
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  • O Cebreiro - Tricastela

    4 октября 2022 г., Испания ⋅ 🌙 12 °C

    Heute gibt es nichts Besonderes zu berichten. Wir entscheiden uns für den älteren, ruhigeren und schönen Weg bergauf durch den Wald nach Linares. Der Camino führt uns heute auf Schotterwegen oder schmalen Flurstraßen hinauf zur Passhöhe von San Roque. Über Hospital da Condensa geht es nochmal steil auf den 1337 m hohen Alto do Poio, dem höchsten Punkt des galicischen Jakobsweges. Es ist eine sehr schöne Wanderung durch die galicische Bergwelt. Manchmal frage ich mich doch, was ich hier so mache? Immer dann, wenn es wieder sehr steil und gerade nach oben geht. Aber nach etwa 6/7 KM empfinde ich es nur noch als schön. Diese Gegend erinnert mich an eine Welt voller Kobolde, Hexen und Feen, irgendwie unwirklich. Mich wundert es nicht, dass sich hier Kelten vor langer Zeit sehr wohl gefühlt haben. Nach ca. 23 KM kommen wir dann in Tricastela an. Dort erwartet mich schon mein Mann, der mir aus Deutschland nachgereist ist und uns auf den weiteren 132 KM bis nach Santiago begleiten wird. Ich freue mich auf die gemeinsamen Wandertage.Читать далее

  • Tricastela

    4 октября 2022 г., Испания ⋅ ☀️ 25 °C

    Der Ortsname bezieht sich auf drei Burgen, von denen allerdings keine Reste erhalten geblieben sind. Die Gründung erfolgte im 9. Jahrhundert. Viel mehr gibt es über den Ort nicht zu berichten. Trotzdem ist es ein sehr schöner Ort. Mit einer engen Gasse und mehreren schönen Restaurants. Die Dorfkirche, in der abends eine Pilgermesse stattfindet, ist gut besucht.Читать далее

  • Tricastela - Sarria

    5 октября 2022 г., Испания ⋅ ☀️ 12 °C

    Von Triacastela über San Xil verläuft der Weg in Richtung Sarria entlang einer Kette kleiner Ortschaften mit jakobeischer Tradition. Es ist ein Weg ohne Highlights und doch wunderschön zu gehen. Die hügelige Landschaft ist geprägt von Kuh- und Pferdeweiden sowie von Wäldern mit unterschiedlichen Baumarten. Es erscheint alles so friedlich.

    Der alternative Weg von Samos zweigt in der Umgebung des Flusses Sarria nach Süden ab. Er bietet auch herrliche Landschaften sowie zahlreiche Beispiele für die volkstümliche galicische Architektur. Der Weg führt zum Kloster Samos, einem der ältesten in der westlichen Welt (6. Jahrhundert). Da wir ihn aber schon im Jahr 2008 gegangen sind und der Weg ab Samos nach Sarria alles andere als schön ist, entscheiden wir uns diesmal für die kürzere Streckenführung.
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  • Sarria

    5 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 15 °C

    Sarria existierte bereits zu vorrömischer Zeit als Festung des iberischen Stamms der Seurros. Neu gegründet wurde die Stadt im 13. Jahrhundert durch König Alfonso IX. Durch ihre Lage am Jakobsweg erfuhr sie einen spürbaren Aufschwung. Insbesondere wurde hierdurch der Bau zahlreicher Kirchen begünstigt.Читать далее

  • Sarria - Portomarín

    6 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 12 °C

    Für Liliana und mich, die schon ca. 210 KM in den Beinen haben, beginnt die heutige Tageswanderung anders als gewohnt. Es herrscht Trubel wohin man sieht. Es ist ein richtiger Schock. Man geht eingereiht wie an einer Perlenkette zusammen mit einer Schar von Pilgern. Die Erklärung ist einfach. Sarria liegt 110 KM von Santiago entfernt. Wer hier startet, erfüllt die Mindestvoraussetzung, um am Pilgerzielort die sog. Compostela-Urkunde zu erhalten. Insbesondere die Spanier - auch spanische Schulklassen - wählen deshalb Sarria als Ausgangspunkt ihrer Pilgerreise. Es herrscht ein Gedränge wie auf Pützchens Markt.

    Der heutige Abschnitt heißt die neuen Pilger mit einer reizvollen Landschaft im Herzen Galiciens willkommen. Wir passieren Weiler, Bäche, mittelalterliche Brücken und Überreste der römischen Epoche. Kurz vor Portomarín treffen wir auf den Rio Mino, der in den 60er-Jahren aufgestaut wurde. Anders als im Jahr 2008 ist allerdings von einem Stausee nichts zu sehen. Das Becken ist nahezu ausgetrocknet. Der Fluss selbst ist eher als Bachlauf einzustufen. Liegt es an dem diesjährigen trockenen Sommer? Die Ursachen bleiben uns verborgen.
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  • Portomarín

    6 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 23 °C

    Portomarín, die wichtige Pilgerstation auf dem Jakobsweg an einer Brücke über den Fluss Miño, wurde in den 1960er-Jahren komplett demontiert und auf dem Hügel nebenan neu aufgebaut. Unter den umgesetzten Gebäuden befindet sich eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Der Río Miño bildet ein traditionelles Hindernis für Menschen und Waren. Daher errichteten schon die Römer bei Portomarín eine Brücke, die im Mittelalter durch eine neue ersetzt wurde. Der Ort erlebte zwischen den 10. und dem 12. Jahrhundert seine Blütezeit. Gleich drei Ritterorden hatten hier ihren Sitz: Der Johanniterorden, der Santiagoorden und der Templerorden. Wer heute durch die gepflasterten Straßen entlang der schmucken, gut restaurierten Häuser läuft, wird sich der Umsiedlung des Ortes kaum bewusst. 1960 ging der ursprüngliche Ort in den Fluten des neu errichteten Stausees Embalse de Belesar unter.Читать далее

  • Portomarin -Palas de Rei

    7 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 13 °C

    Heute starten wir mit einem ausgiebigen Frühstück in der Ferienwohnung. Welch ein Luxus - im Schlafanzug frühstücken. Anschließend holt uns der Wanderalltag - diesmal mit dichtem und nassem Nebel - wieder ein.
    Ein langer, allmählicher Anstieg führt uns wieder aus dem Miño-Tal heraus. Wir kommen auf eine kleine Hochebene, die mich landschaftlich etwas an die Lüneburger Heide erinnert. Moderne Ortschaften und kleine landwirtschaftliche Siedlungen säumen ebenso unseren Weg wie Täler, Flüsse und Bäche. Ein ständiger Begleiter ist hier - der Viehzucht sei Dank - eine gute Landluft. Unser Etappenziel lautet Palas de Rei.
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  • Palas de Rei- Melide

    8 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 14 °C

    Los geht es heute für uns noch im Dunkeln. Wir starten - so der Plan - vor den Mitpilgern und hoffen, hierdurch den Weg für uns alleine zu haben. Ein Blick aus unserem Fenster zeigt, dass es noch sehr ruhig auf den Straßen ist. Aber wie heißt es so schön: Willst Du Gott zum Lachen bingen, erzähle ihm von deinen Plänen. Schon nach wenigen Minuten laufen wir auf eine ganze Schulklasse auf, die ebenfalls früh auf den Beinen ist. Die Schülerinnen und Schüler nehmen die Breite des Weges vollständig in Anspruch. Sie unterhalten sich so laut und intensiv miteinander, dass unsere Bitten, uns vorbei zu lassen, ungehört bleiben. Nach mehreren vergeblichen Überholversuchen geben wir schließlich auf. Zu unserem Glück entdecken wir gleich zu Beginn der Etappe eine sehr nette Frühstücksbar mit einladenen Sitzgelegenheiten. Wir sind uns sofort einig, hier einen ersten Zwischenstopp einzulegen und uns ein gutes Frühstück zu gönnen. Der Duft von gebratenen Eiern mit Speck liegt bereits in unserer Nase. Gesagt - getan. Der Schulklasse gehen wir so elegant aus dem Weg. Ihren Vorsprung durch unsere eingelegte Pause werden wir nicht mehr einholen. Und das ist auch gut so. Bereits am frühen Nachmittag erreichen wir ganz entspannt unser heutiges Ziel: Melide.Читать далее

  • Melide- Arzua

    9 октября 2022 г., Испания ⋅ ☁️ 16 °C

    Und wieder geht es im Dunklen los. So früh morgens hat man die besten Chancen, einigermaßen ohne überfüllte Wege voranzukommen. Immer wieder weichen wir von der eigentlich Strecke ab, weil wir einsame Wege suchen. Wir wandern zunächst entlang von Eukalyptus-Plantagen. Oh, wie gut das riecht. Einfach herrlich. Die kleinen Ortschaften scheinen in einen Dornröschenschlaf gefallen zu sein. Gefühlt unternehmen wir eine Zeitreise um 100 Jahre zurück. Immer wieder laufen uns Kühe auf der Straße entgegen, Hühner sind auf Entdeckungsreise und eine Gans geht mit mir bei Fuß spazieren. Bauern suchen ihre Hunde und eine Bäuerin verkauft vor der Tür Obst und selbstgebackenen Kuchen. Ein Landwirt versucht mir gleich seinen ganzen Hof zu verkaufen. Er ist schon alt und es gibt niemanden, der in die Hofbewirtschaftung bei ihm einsteigen will. Wir beobachten die Landarbeiter bei ihrer Arbeit. Handarbeit und Muskelkraft sind hier anstelle von Maschinenkraft und PS angesagt.
    Je mehr wir uns Santiago nähern, umso mehr sieht man Menschen am Rande ihrer Kräfte. Eine Frau tut mir so leid, dass ich sie anspreche. Sie ist Französin und lässt sich von mir helfen. Ich habe ihr ein paar Punkte gedrückt und ihrem Mann gezeigt, was er abends und morgens zur Unterstützung seiner Frau machen kann. Er probiert es gleich aus. Ihre Schmerzen sind zwar nicht weg, aber es geht ihr anschließend etwas besser. Vielleicht sind solche Hilfestellungen auf den letzten 41 KM eine Aufgabe für mich.
    Arzua selbst ist eine weniger reizvolle Stadt. Aber kulinarisch ein Höhepunkt. Hier gibt es Käse, Wein und besondere Rindergerichte. Wir probieren ziemlich alles durch. Jetzt liegen wir mit dicken Bäuchen im Bett und können nicht schlafen. Aber das musste mal so sein.
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  • Azua- O Pedrouzo

    10 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 11 °C

    So früh und so dunkel wie heute sind wir bisher auf unserer Pilgerreise noch nicht gestartet. Zudem regnet es. Der Einstieg in die Wanderung fällt mir diesmal richtig schwer. Seit meiner Gehirnoperation gibt es Dinge, mit denen ich jeden Tag zu kämpfen habe. Ich brauche meine Augen, um mein Gleichgewicht zu halten. Durch die Dunkelheit und die Reflexionen des Wassers auf den Steinen und den Blättern bekommt mein Gehirn Informationen, die es nicht verarbeiten kann. Ich gehe wie auf einem Schiff auf hoher See und und schaukele vor mich hin. Irgendwann ist mir einfach nur noch schlecht. Eigentlich habe ich vor, mich auf dem Pilgerweg mit meinen Handicaps auszusöhnen oder mich mit ihnen zumindest zu arrangieren. Diese zwei Stunden in Dunkelheit und Regen zeigen mir aber, dass es bis zur Aussöhnung wohlmöglich noch ein weiter Weg ist. Ich habe zuerst geflucht und geschimpft, mich dann fast übergeben und noch mehr geschimpft. Schließlich beschließe ich, die Probleme zu ignorieren und einfach weiter zu torkeln. Machem Mitpilger vermittele ich heute wahrscheinlich den Eindruck, bereits am frühen Morgen zu tief ins Glas geschaut zu haben. Endlich wird es hell und auch der Regen hört auf. Es geht mir sofort besser.
    Auf dem weiteren Weg stoßen wir wieder auf das französische Paar. Beide gehen zwar langsam, sind aber gut gelaunt und zuversichtlich, die letzten Kilimeter bis Santiago zu schaffen. Sie drücken mir die Hände und bedanken sich überschwänglich. Er erzählt mir, dass er meine Anweisungen befolgt und seine Frau mehrfach entsprechend behandelt habe. Die erzielte Besserung grenze an ein Wunder. Diese frohen Worte beschwingen mich und tragen mich noch etwas durch den Tag.

    Landschaftlich bleibt es bäuerlich und hügelreich. Wir laufen über Stunden durch Eukalyptuswälder. Zum Ort selbst gibt es nicht viel zu sagen. Es ist eben ein Ort, der wahrscheinlich ohne die Pilger nicht existieren würde.
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  • Letzte Etappe nach Santiago.

    11 октября 2022 г., Испания ⋅ ☁️ 16 °C

    Der Weg ist das Ziel, sagt man. Aber heute ist unser Ziel auch Santiago de Compostela. Dahin geht es jetzt schnellen Schrittes. Zu schnell, denke ich. Liliana ist ebenso anzusehen, dass wir zu flott unterwegs sind. Wir waren nie von der langsamen Truppe und hatten immer - selbst bergauf - ein nettes Tempo mit einem Stundendurchschnitt von 5 KM/h. Aber heute übernimmt Herbert die Führung. Er, der dachte, sein Herz halte die Belastung nicht aus und zudem bei unserem Start befürchtete, uns durch seine fehlende Kondition unnötig aufzuhalten, ist einfach nicht zu bremsen. Er rennt so schnell nach Santiago, als wenn es morgen kein Santiago mehr geben würde. Liliana und ich hecheln hinterher. Wir versuchen, Schritt zu halten. Andere Pilger, mit denen wir ins Gespräch gekommen sind, geben nach kurzer Zeit auf. Sie können das Tempo nicht mithalten. Mehrmals versuchen wir, ihn zu stoppen. Erfolglos. So gestaltet sich unser letzter Tag ganz anders als vorgestellt. Selbst für einen Fotostopp bleibt keine Zeit.
    Kurz vor Santiago machen wir dann doch einmal Halt an einer Kirche. Liliana stellt ihre Trekking-Stöcke vor dem Besuch der Kirche am Eingang ab. Nach einer kurzen Pause läuft sie zunächst ohne Stöcke weiter. Als ihr dies bewusst wird, kehrt sie um. Ihre Stöcke sind allerdings verschwunden. Es steht nur noch ein anderes verwaistes Stöcke-Paar vor der Tür. Herbert bekommt von alledem nichts mit. Er eilt wieder Santiago entgegen. Ich folge ihm auf halber Strecke hinterher. Als Liliana mich wieder einholt, ist sie mit den an der Kirche zurückgebliebenen Stöcken unterwegs. Nun versuchen wir, auf Herbert aufzuschließen. Wir treffen ihn an einem auf dem Weg liegenden Cafe. Wir stärken uns mit frisch gepressten Orangensaft und ein paar Tapas. Plötzlich fällt uns eine vorbei gehende Frau mit Lilianas Stöcken in den Händen auf. Ich gehe auf sie zu und spreche sie auf die Stöcke an. Sie bemerkt ihren Irrtum und sie entschuldigt sich überschwänglich. Wir tauschen die Stöcke aus und alles ist wieder gut. :-)
    Gegen Mittag laufen wir in Santiago ein. Wir gratulieren uns gegenseitig dafür, dass wir alle Herausforderungen angenommen und gemeistert haben. Auch ein bisschen Stolz mischt sich in unsere Gefühle. Wir holen uns unsere Compostela-Urkunde ab und gehen dann zumächst in unser Hotel, um uns frisch zu machen. Anschließend nehmen wir uns Zeit, die Kathedrale und die Stadt anzusehen. Wir treffen auf eine große Zahl von zugleich erschöpften und euphorisch gestimmten Pilgern. Viele Pilger, die sich auf dem Weg kennengelernt haben, liegen sich in den Armen. Es werden Erinnerungsfotos gemacht, es wird gesungen und teilweise auch getanzt. Andere sitzen in sich gekehrt auf dem Vorplatz der Kathedrale und lassen die letzten Wochen Revue passieren. Glücklich und traurig zu gleich. Endlich angekommen. Wochenlang, mitunter monatelang sind sie dem Jakobsweg gefolgt. Nun sind sie am Ziel. Sie werden die Kathedrale besichtigten und sich vor der silbernen Truhe verneigen, in der die Reliquien des Apostels Jakobus ruhen sollen. Einige bleiben dort nochmal still stehen. Es fließen Tränen.

    Wir lassen uns von der Sonne auf der Praza da Quintana verwöhnen, finden ein nettes Restaurant und lassen es uns dort gut schmecken. Verdient ist verdient. Um 19.30 h besuchen wir die Pilgermesse. Wir haben Glück. In der Messe kommt das 53 Kg (gefüllt 100 Kg) schwere und 150 cm große versilberte Weihrauhfass, genannt Botafumeiro, zum Einsatz. Es wird von acht Männern bedient und saust mit fast 70 KM/H durch das Querschiff. Schon bald zieht durch die gesamte riesige Kathedrale der Duft des Weihrauchs. Es ist ein Erlebnis.

    Morgen geht es für uns schon weiter "zum Ende der Welt", nach Finisterre.
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  • Finisterre

    12 октября 2022 г., Испания ⋅ ⛅ 17 °C

    Nur wenige der vielen Pilger ziehen von Santiago aus noch weiter Richtung Westen. Ziel ist jener Ort, von dem in früheren Zeiten ehrfürchtig vom "Ende der Welt“ gesprochen wurde. Dort wollten die damaligen Pilger einmal das unendlich weite Meer und die gespenstische Leere am Horizont erleben.
    Die katholische Kirche hat den letzten Teil des Jakobswegs, der in Finisterre endet, nie offiziell anerkannt. Dieser Ort ist in ihren Augen zu heidnisch, die Pilgerschaft hat vielmehr am Apostelgrab in Santiago de Compostela zu enden. Der Gedanke an die Ewigkeit, so predigte die Kirche früher, müsse Richtung Himmel führen und nicht hinaus aufs offene Meer.
    Doch der Camino de Santiago ist älter als der Katholizismus. Quellen sprechen von einem keltischen Weg, von einem in Finisterre endenden Sternenweg. Kelten wurden auf diesen Weg geschickt um ihre Visionen für ihr Leben zu erhalten oder ihren Namen. Viele Galicier reden noch heute von der Milchstraße, wenn sie den Camino meinen. Galicien und somit auch Finisterra ist bekannt für Geschichten von Geistern und Monstern, von versunkenen Städten und einem möglichen Paradies. Hier neige ich dazu, jeder Geschichte glauben zu schenken. Das Erbe der Kelten ist lebendig in den Märchen und Liedern von Hexen und Zauberern, von beseelten Felsen und Bäumen und in den ungehobelten Melodien der Dudelsäcke.

    Wir sind heute nach Finisterre unterwegs, allerdings mit dem Bus. Die Gegend fasziniert mich. Hier kommt meine Seele erst richtig zu Ruhe. Viele Gedanken vom Weg kann ich in dieser Atmosphäre zu Ende denken. Das Wetter ist hier oft rauer, nasser und kälter. Wetter, bei dem ich in Deutschland zu Hause geblieben wäre. Hier in Galicien erlebe ich es als wundervolle Stimmung und ich werde ganz still. Bemerkenswert war zudem der in Finisterre - leider bei leichter Bewölkung - erlebte Sonnenuntergang über dem Atlantik. Einfach unvergesslich.
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  • Muxía

    13 октября 2022 г., Испания ⋅ ☁️ 17 °C

    Gleich hinter der Stadtgrenze von Santiago wird es üppig grün. Wer in Galicien geboren werde, komme mit einem Regenschirm zur Welt, heißt es. Kaum einen Tag gibt es, an dem es nicht regnet, mal kürzer, mal länger. Endlose Wälder mit Kiefern, Pinien, Eichen und Eukalyptus begleiten uns auf unserer Reise gegen Westen. Unter den Bäumen sehen wir weiße Callas, seltene Farne, Frauenschuh, Sumpf, Nebel, Nebel und noch mehr Nebel. Hier in Muxía sind diese Eindrücke besonders erfahrbar.
    Der Jakobsweg nach Finisterre und Muxía ist die getreue Wiedergabe des historischen Pilgerrufes, der lautet "Ultreia!" (Lasst uns darüber hinaus gehen!). Dieser Ausruf wird durch einen anderen beantwortet, "Et suseia!" (Und lasst uns weiter hinauf gehen!). Tatsächlich führt dieser Weg über das Ziel in Santiago de Compostela hinaus.
    Das Städtchen Muxía steht sowohl für das größte Schiffsunglück an der galicischen Küste wie auch für die unzähligen Legenden um den Heiligen Jakob (Santiago). Die Wallfahrtskirche A Virxe da Barca zählt nach Santiago de Compostela zu den bedeutendsten Pilgerzielen in Galicien. An dieser Stelle soll der Legende nach die Muttergottes auf einem Schiff gelandet sein, um dem Heiligen Jakobus bei der Bekehrung der Menschen zum Christentum zu unterstützen. Schon im Mittelalter stand hier ein Heiligtum, das dann im 17. Jahrhundert umgebaut wurde.
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