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  • Day 72

    Ramadan, Muezzin und der „big day“

    June 21, 2017 in Indonesia ⋅ ☀️ 18 °C

    Für die muslimische Bevölkerung ist zur Zeit Ramadan, also Fastenzeit. Da Indonesien der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit ist, betrifft das außer Bali das gesamte Land. Während dieser 4 Wochen ticken die Uhren anders. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang darf weder gegessen noch getrunken oder geraucht werden. Ausgenommen sind kleine Kinder, Schwangere und kranke. Das Einnehmen von Medikamenten ist auch nicht gestattet, deshalb sind kranke ausgeschlossen. Es gibt kein „bisschen“ Ramadan. Ganz oder gar nicht. Nach Sonnenuntergang wird überall auf den Straßen gekocht, gegrillt und gegessen bis alle Bedürfnisse wieder gestillt sind. In der Region von Banyuwangi gibt es hierfür so etwas wie einen Startschuss. Die Sirenen die eigentlich für die Evakuierung bei einem Vulkanausbruch gedacht sind, werden für ein paar Sekunden angeschaltet. Mir blieb am ersten Abend fast das Herz stehen als ich die Sirenen hörte. Auch der Muezzin ruft in dieser Zeit öfters und länger von seinem Minarett durch die großen Blechlautsprecher. Der Muezzin ist in der Regel kein Geistlicher. Er ist angestellter der Moschee und soll die Gläubigen zum Pflichtgebet auffordern. Das Rufen des Muezzin ist regional unterschiedlich. Es geht aber sehr früh und sehr laut los. Gegen 4 Uhr ertönen die mehr oder weniger melodischen, aber vor allem blechern klingenden Rufe. Das geht so ca. 2 Stunden, dann ist wieder Ruhe. Das wiederholt sich mehrmals am Tag, aber nicht immer so lange. In manchen Regionen geht es abends wieder so richtig los, ab 7 Uhr wird gerufen, danach werden Verse aus dem Koran vorgelesen. Manchmal von Kindern, manchmal von unbegabten Sängern. Das kann dann schon mal bis 23 Uhr gehen. Jedes noch so kleine Dorf hat eine Moschee. Wohnt man in einer ungünstigen Lage wie ich in Banyuwangi, dann hört man einen Mix aus 5 oder mehr Moscheen. Ein einziges lautes und blechernes Gewirr aus Gesängen, Rufen, Schreien und undefinierbaren Lauten. Manchmal hatte ich den Eindruck, es ist ein kleiner Wettbewerb. Wer kann lauter. Dabei bleibt das Melodische leider oft auf der Strecke. Bei Dieter Bohlen hätten die meisten Muezzine mit Sicherheit keine Chance. Viele Handwerker arbeiten während der Fastenzeit nicht. Ohne Mampf kein Kampf. Es gibt aber auch einige Ausnahmen. Heute Mittag z.B. als der Anheizer in der Moschee sein Bestes gab, haben die Handwerker auf der Baustelle neben meinem Homestay die Lautstärke ihres Radios aus dem gerade Linkin Park dröhnte etwas erhöht. Nicht alle haben Lust sich an die Vorgaben zu halten. Fährt man mit offenen Augen durch die Straßen, kann man erkennen das bei vielen Warungs die Türen einen Spalt geöffnet sind. Warungs sind hier alle Einrichtungen in denen etwas zu Essen zubereitet und serviert wird. Sie haben geöffnet, da es viele hungrige Muslime gibt die essen möchten. Das geschieht dann aber aus Respekt hinter geschlossenen Türen. In der Öffentlichkeit sieht man tatsächlich niemanden etwas essen oder trinken. Auch ich versuche es zu vermeiden.
    Am 25.06. hat dann für dieses Jahr das Leiden ein Ende. Mit dem „big day“ ist die Fastenzeit vorbei. Alle Menschen reisen nach Hause zu ihren Familien. Da die meisten Menschen von den Dörfern kommen, sind dann die Städte leer und die Landstraßen voll. Schon viele Tage vorher werden Plätzchen gebacken und Speisen vorbereitet. Plätzchen gibt es hier dann überall, darauf freue ich mich ganz besonders. Der „big day“ dauert übrigens bis zu einer Woche. Eine Woche das Aufholen was man in den letzten 4 Wochen entbehren musste. Hmm, war das ursprünglich wirklich mal der Sinn?
    In der Zeit des big day´s steht das öffentliche Leben. Deshalb plane auch ich keine großen Aktivitäten. Einfach mal abwarten was da so passiert.
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