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  • Day 14

    Krumhuk

    March 9, 2020 in Namibia ⋅ ☀️ 28 °C

    Wir machen mit viel Geschichte und Natur weiter: Heute fuhren wir zu einer Farm, die sich seit 1898 in deutschem Familienbesitz befindet. Diese Farm, Krumhuk, liegt ca 20 km südlich von Windhoek in der Khomas Hochlandsavanne, ist 8000 ha groß und gibt, inkl. Kindern, 80 Personen ein Zuhause - und eine Arbeit. Die älteste Tochter (9) des Farmersohnes (der Farmersohn ist wie wir 33) führte uns über den Hof, der fast ein eigenes Dorf ist: es gibt eine Schmiede, eine Werkstadt, eine Metzgerei, eine Bäckerei, eine Molkerei, ein rießiges Gemüsezelt, eine Kapelle, einen Kräuter- und einen Kindergarten - neben etlichen Häusern der Bediensteten. Wir dürften mit der Familie und den Feriengästen zu Mittag essen und hatten ein langes Gespräch mit dem Farmerssohn. Er erzählte uns, dass sein Ururgroßvater seinerzeit die Farm gegründet hatte und dies ereignete sich in etwa so: er lebte zusammen mit seinen vier Brüdern in Deutschland auf einer Farm die seit Generationen in der Familie war, aber da es wohl nicht mehr ganz so gut lief und im Land eh gerade eine allgemeine Aufbruchsstimmung herrschte, ermutigte ihr Vater sie zur Ausreise. Ein Bruder ging nach Südafrika, einer in die USA, einer nach Peru - leider verwickelte er sich in Aufstände und kam dann ebenfalls nach Süfafrika und der Andere auch irgendwohin. Die beiden in Afrika arbeiteten bei einem Viehhändler, für den sie Rinder aus Namibia (damals Deutsch-Südwest-Afrika) durch die Kalahari nach Südafrika bringen sollten. Das machten sie genau 2 Mal, bis sie merkten, dass viele Rinder verendeten und es wenig Sinn machte, damit fortzufahren. Stattdessen beschlossen sie, sich mit den Rindern selbst etwas aufzubauen und blieben da. Nun war es aber so, dass das Land bereits durch die Herero besetzt war und sie entsprechend begannen mit ihnen zu handeln. Die Herero waren ganz wild nach Tabak und jeglichen Kosumgütern und so kauften sie und kauften, bis sie ihre Schulden am Ende nur mit Land und Rindern tilgen konnten. Die Deutschen (nicht unsere Farmer, aber ganz allgemein) sahen die Hereros wie Vieh. Sie schicken Köpfe nach Hause, damit nachgewiesen werden könne, dass sie dümmer waren, als die Weißen. Sie hielten sie wie Tiere, mißhandelten und versklavten sie. Es muss eine furchtbare Zeit gewesen sein. Kein Wunder, dass es 1904 zum Hereroaufstand gegen die deutschen Kolonialherren kam - auf den die Deutschen zum einen mit einer heftigen Brutalität anworteten, aber zum anderen auch, wie die beiden Brüder, mit Verständnislosigkeit und Verärgerung, hatten sie doch bislang ein gutes Verhältnis zueinander und laufend Handel betrieben. (Diese Information hatte der Farmerssohn aus den Tagebüchern seiner Vorfahren.) Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Die Herero führten eine Liste, welche Farmbesitzer nicht sofort umgebracht werden dürften, auf der auch die beiden Brüder standen. Das erfuhren sie aber erst sehr viel später. Sie traten also der Armee bei und nahmen viel Schuld durch ihre Taten auf sich: von ca 80.000 Herero überlebten nur 16.000! Auch heute ist es für den Farmerssohn schwierig damit umzugehen. Die Hereros sind inzwischen weitergezogen u leben (immer noch extrem traditionsbewusst) sehr viel nördlicher, die Schuld der Weißen bleibt und auf eine Entschuldigung warten die Herero vergeblich. Wobei sich 2004 die deutsche Entwicklungsministerin entschuldigt hatte, was hier allerdings nicht wirklich wahrgenommen wurde, da dies von hochrangigster Seite erwartet wird und da insbesondere geforderte Entschädigungszahlungen ausbleiben- aber auch hier muss angemerkt werden, dass Deutschland mit Hilfszahlungen von über 800 Millionen Euro seit 1990 der Größte europäische wenn nicht gar allgemein größter Subventionär ist - wenn auch nicht explizit für die Herero, was in diesem Fall vermutlich angebracht wäre. Unweigerlich stellt sich die Frage: Wieviel darf und wieviel muss Versöhnung kosten? Der Farmerssohn ist nach Generationen hier ebenso zuhause wie die Herero. Wieviel Schuld trägt er für die Taten seiner Urgroßväter? Kann, muss, sollte er sich schuldig fühlen? Entschuldigen? Gar finanziell entschädigen? Wie steht es um die Landfrage? Lange haben wir auch über den Geist der Zeit gesprochen. Ist der überhaupt greif- geschweige denn nachvollziehbar?
    Heute hat sich auf der Farm viel verändert. Der Farmer selbst, sah sich vor 20 Jahren gezwungen etwas zu ändern, um die Farm weiter am Leben erhalten zu können. Als eine der ersten Farmen in Namibia schlug er den Weg in eine nachhaltige und soziale Richtung ein. Fortan galt das Prinzip der biologischdynamischen Landwirtschaft und das Leben und Weitergeben von Bildungselementen sowie das soziale Zusammenleben auf Grundlage von Rudolf Steiner. Entsprechend gibt es zb nun einen Kindergarten und einen Schulbus für ALLE Kinder der Farm. Zur Zeit werden 16 Kinder jeden Tag nach Windhoek zur Waldorfschule gebracht und wieder abgeholt. Früher ging der Farmerssohn bereits für die Grundschule ins Internat nach Windhoek, wogegen seine Freunde, die Kinder der Farmarbeiter, die nächstgelegene, schlechte Grundschule besuchten, diese meist garnicht erst abschlossen und später im Alkoholismuss endeten. Es hat sich vieles zum Guten gewendet. Und bei all den offenen Fragen, sind wir einen Schritt weiter, die Vielfalt Namibias einzuordnen und zu verstehen....
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