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  • Day 736

    Schreier on Tour

    June 4, 2022 in Greece ⋅ 🌬 27 °C

    So. Papa haut ab. Alleine. Also mit Freunden. Aber ohne Family. Frech. Der Bus fährt schon um kurz nach sechs Uhr in der Früh. Zwei Minuten vor sechs beginnt es zu regnen. Auch frech. Das Ölzeug somit wieder auspacken? Oder doch lieber Schirm? Den sollte man ja immer dabei haben bei Segelferien in Griechenland. Und 30 grad. Egal. Los gehts. Rollkoffer in der einen, Schirm und Kaffeebecher in der anderen Hand. Kann bei den vorherrschenden Orkanböhen natürlich nicht gut gehen. Idiot. Nach rund zehn Metern reicht ein entschiedener Windstoss und der Schirm klappt in die Gegenrichtung während sich der heisse Kaffee auf Hose und unnötig teure On-Schuhe verteilt. Fuck. Ich glaub ich bleib zu Hause. Scheissferien.

    Unterwegs bin ich mit den gleichen Hochsee-Helden wie vor zwei Jahren. Skip Robin hat das Kommando, ich bin Co-Skip - zumindest auf dem Papier -, dann kommt lange nichts mehr und dann noch die beiden Leinenschleicher Fischer und Taeschler. Letzterer hat sich die ehrbare und vormals mir anvertraute Aufgabe des Smutjes geangelt. Angeln will uns der neue und grossmaulige Küchenchef täglich frischen Fisch, wofür auch eigens Ausrüstung mitgeschleppt wird. Aber ich nehms vornweg. Der Mann fängt nichts. Gar nix. Nada. Rein. Gar. Nichts. Und Röschti kauft Sarmenstorfs Gewürz-Papst lediglich zwei anstelle der üblichen fünf Packungen. Ich könnt schon das erste Mal kotzen. Tu ich aber nicht. Vielleicht hat der Mann ja noch ein kulinarisches Ass im Ärmel. Vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.

    Der Rest unserer Anreise mit dem öffentlichen Verkehr verläuft angenehm unspektakulär und dank Röschti-Muffel Taeschler feucht fröhlich mit Büchsenbier.
    Wie man das frühmorgens und mit Anfang Zwanzig im ÖV eben so macht. Bei der Ankunft im griechischen Athen gilt überraschend Maskenpflicht. Das interessiert bloss keine Sau hier. Mich somit auch nicht. Auf der Arrival-Toilette trage ich sie trotzdem. Sicher ist sicher. Rauchbein Taeschler hangelt sich derweil von Raucherraum zu Raucherraum. Wobei Fischer und Rode sich in Zürich auch noch mit einer fünfundzwanziger Kiste feiner Robustos eingedeckt haben. Und Stauber raucht wie immer von Taeschler. Für permanent dicke Luft auf dem Kutter dürfte also gesorgt sein.

    Unser Lieblings-Skip Stauber hat neben der zum Segeln nötigen Yacht verdankenswerterweise auch den nötigen Transfer vom Flughafen zur Marina organisiert. Brav und wortkarg empfängt uns Stavros - nehme an er heisst so -, bevor wir ihm nach draussen zum Mini-Bus folgen. Daran läuft er dann aber ziemlich überraschend vorbei. Und öffnet das gelbe Truckli dahinter. Ja was jetzt?! Vier kolossale Jungs mit massiv Segelgepäck sollen in diesen Kleinstwagen? Nie im Leben. Weiss der verdammte Costas nicht, dass ich wie zwei von hunderttausend Menschen an essentieller Thrombozythämie leide? Hallo!? Thrombosengefahr! Ihm egal. Er meint das mit Rücksäcken zwischen und der Segeltasche auf den Beinen tatsächlich ernst. Der „grosse“ Marc solle vorne sitzen, sonst lassen sich hinten die Türen nicht schliessen. Mir wird schon wieder schlecht. Scheissferien.

    Skip Bään und ich sind ja gespannt, was die zwei Elektro-Wintscheler diese Woche so auf die Reihe oder eben daneben kriegen. „Banausen“ heissen auch die Neulinge bei Robin’s Super Puma Display Team. Und so plant der allmächtige Skip diese Woche einen Banausen-Tag, um die Fortschritte der leinenlahmen Zweitsegler zu testen. Zuerst dürfen die beiden mal einkaufen gehen. Das sollte ja klappen. Und siehe da, tatsächlich. Mit zwei grossen Einkaufswagen voller Leckereien kommen die Hasen eine Stunde später zurück. Muss das ganze Zeugs nur noch auf den geilen Kahn. Habt ihr ne Schachtel oder auch einfach nur eine Migros-Tüte mitgebracht? Ich denke wir kennen alle die Antwort. Wird eben jedes Päckli Pasta und jedes Stück Käse einzeln über die Gangway getragen. Toll gemacht. Jungs. Ganz grosses Kino.

    Bevor wir uns fürs Dinner ready machen, wird noch die Flagge unseres lieben und leider viel zu früh verstorbenen Segelfreundes und -mentors Pavel gehisst. Er ist bei uns und wird es immer sein. Das lokale Essen am ersten Abend ist ok. Aber auch nicht mehr. Die Drinks im Palmera an der Promenade sind da schon einiges geiler. Natürlich saufen wir angesichts des anstehenden ersten fünfundvierzig Meilen Schlags viel zu viel. Aber egal. So macht man(n) das eben mit Anfang zwanzig. Wir stehen mit Athena - so heisst unser gecharterter Schweinefrachter - auf dem ersten Parkplatz an der Promenade. Weit nach Mitternacht hüpfen wir quasi vom Bartisch direkt ins Bett. Womit auch gesagt wäre, wie nah mein Bett am ganzen Zaziki-Fresser-Trubel liegt. Das lokale Party-Volk feiert auch ohne uns weiter und das bei unverschämter Lautstärke. An Schlafen ist nicht zu denken. Wir wollen aber um Sieben los, heisst um sechs Uhr aufstehen. Ich will also einfach nur meine REM-Phase erreichen. Oropax rein, Fenster zu. Viel zu heiss, schwitze wie Sau. Scheiss Leben. Und dann, irgendwann, ist endlich Ruhe. Ich freue mich sogleich auf ein wenig Schlaf und schaue kurz auf die Uhr. Es ist sechs Uhr! Und das verdammte Palmera hat eben das letzte Lied gespielt. (Schau Video) Verdammte scheisse. Spinnt ihr?! Ich will eigentlich nur kotzen. Aber dazu kommen wir später noch.

    Als wir gefühlte fünf Minuten später ablegen, läuft mein Körper lediglich mit Notstrom und in einem Notfallprogramm. Das lasse ich mir natürlich nicht anmerken. Ich schaue einfach grimmig. Also Leinen los, Fender rein und weg sind wir. Wobei, kaum sind die Segel gesetzt merken wir, ein Fender hängt noch draussen. Auf Taeschler‘s Seite. Unglaublich. Wie kann man einen ganzen Fender nicht sehen?! Egal. Bei dem diffusen und starken Wellengang behebt der Skip diesen unentschuldbaren Fehler lieber selber. Der Wind ist klasse und ideal zum Segeln. Doch irgendwie ist dem Taeschler das egal und doch alles zu viel. Nach kurzer Vorwarnung schreit der Fender-Schreck lauthals über die Reling. Was soll der Scheiss? Vielleicht will er damit auch bloss Fische anfüttern und zum hinterher geschleppten Tuna-Wobbler locken. Wie auch immer. Ich finds schrecklich und könnt schon wieder selber kotzen.

    Ich halte das plötzlich auftretende Drücken im Magen aber vorerst für Hunger und frage Skip Robin nach einer Banane. Wir haben ja noch gar nix gefuttert heute. Doch kaum halte ich die krumme Banana in der Hand, schon will sich mein Mageninhalt zu Taeschlers Sauce gesellen. Und das tut er dann auch. Verdammt. Für ein Mal könnte ich es nicht nur. Ich tue es auch. Voller Inbrunst schreie ich wie Taeschler kurz zuvor über die hintere Reling. Unter aller Sau. Der gute Fischer macht das schon einiges besser. Er verklemmt sich das Geschrei für eine weitere Stunde, bevor er dann auch losreihert. Schrecklich. Ein richtiger Schreierkahn diese Athena. Captain Stauber ist sichtlich enttäuscht ob der kollektiven Kotz-Schwäche und setzt sich alleine aufs Dingi auf dem Vorschiff, um per Facebook-Gruppe bereits nach einer neuen Crew zu suchen. Der Arsch.

    Nach acht langen und intensiven Stunden ist es dann geschafft und wir erreichen die angepeilte Bucht. Ziemlich verpeilt, aber froh am Leben zu sein. Erst mal was essen. Dann baden, duschen und geniessen. War kein einfacher Tag. Emotional und so. Da gilt es noch einiges zu verarbeiten. Nun geben wir aber gut aufeinander acht, trinken Rosee, sprechen uns Mut zu, dass das mit dem Bier schon gut kommt und es nunmal weg muss. In all der harmonischen Überfürsorglichkeit ist es Fischer, der die versenkte Halteöse der Bodenplatte nach dem Wasser reichen mit voller Absicht und einer grossen Portion Böswilligkeit nicht mehr artgerecht verschliesst. Als ich in der Folge mit meinem grossen Zeh in ebendieser Öse einstecke und in der Konsequenz mit blutendem Fuss aufs Deck stürme, ist die Harmonie für einen kurzen Moment in Frage gestellt. Verdammte Anfänger! Nur ein Tag ohne Fehler wäre das Ziel. Nur EIN Tag.
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