Satellite
Show on map
  • Lviv and alive...

    August 8, 2019 in Ukraine ⋅ ⛅ 23 °C

    ... war mein erster Gedanke, nachdem ich mich über die sechsspurige Zufahrtsstraße ins Zentrum gearbeitet hatte. Da kann man echt zum Glauben zurückfinden...

    Und kurz drauf war ich schon verliebt. In die Stadt, die quirlig ist und touristisch, der man die Spuren der Geschichte aber noch nicht alle glattrestauriert hat. In das kleine Appartement mit den hohen Decken und der kaputten Wandergitarre, direkt neben der Armenischen Kirche. Für knapp eine Woche meine Heimat, Auszeit vom Vagabundenleben.

    So wird das natürlich nichts mit der Anschluss-Karriere als Vortragsreisende, wenn ich mich in einer Stadt so zuhause fühle, dass ich ganz vergesse, Fotos zu machen... Das Zuhausefühlen mag auch daran liegen, dass ich das Glück hatte, die Stadt mit netten Menschen zu erkunden.

    Zum Beispiel Kateryna, bei der ich am ersten Abend einen ukrainischen Kochkurs mitgemacht habe (ihr seid schonmal alle zu Borschtsch und Varenyki mit Blaubeeren eingeladen). Wir haben uns gut verstanden, und so hat Kateryna mir in den Tagen danach die vegetarischen Restaurants der Stadt gezeigt und mich in die Geheimnisse der legalen und nicht ganz so legalen Gemüsemärkte eingeweiht...

    Tolle Frau, die keine Lust mehr hatte auf 12-und-mehr-Stunden-Arbeitstage als Architektin, mit dem dauernden Druck, trotzdem nicht genug geschafft zu haben, und ihre Passion (Kochen) daraufhin zumindest teilweise zu ihrem Beruf gemacht hat. Auch wenn das in der Saison vier/fünfmal in der Woche Rote Beete Suppe bedeutet...

    Interessant, von solch denkoffenen Menschen zu hören, wie das ist, wenn ‚Regierung‘ und ‚Korrupt‘ gefühlt quasi Synonyme sind, und es deshalb so schwer fällt, an Veränderung zu glauben. Und was hier alles - immer noch - nur mit einem Kuvert unterm Tisch funktioniert...

    Lviv ist die Stadt des Kaffees und des Käsekuchens, von Bier und Blumenmärkten, Straßenmusik und blätterndem Putz.

    Wahrlich ein Engel hat jeden Abend in der Straße vorm Appartement Bandura gespielt. Ich denke, irgendwann fliegt er weg. Fahrt vorher schnell hin!

    Straff geht es jetzt auf Rumänien zu, und heute hatte ich zudem die Chance, manches über ukrainische Straßenflickkunst zu lernen (Lernen durch Beobachtung).

    So funktioniert‘s:

    Vorweg ein älterer Mann in Zivil mit großem Laubbläser, der einmal in jedes Schlagloch pustet. Als ich ihn entdeckte hatte ich noch keinen Schimmer, worum es überhaupt ging. Seltsames Hobby, dachte ich, aber Männer und ihre Laubbläser erschließen sich mir auch im normalen Betrieb (Laubblasen) eher schlecht als recht.

    200 Meter weiter - des Rätsels Vorhang lüftet sich. Ein zweiter Mann, diesmal in Warnweste, mit einem Blecheimer voll Teer und einer Schöpfkelle, sucht sich die schönsten Schlaglöcher aus und besprenkelt sie mit dem Eimerinhalt. Er trägt somit die Verantwortung - ist das nun ein flickwürdiges Loch, oder handelt es sich um eine tolerierbare Faust- bis Frisbeegroße Lücke im Straßenbelag? Was er markiert, wird repariert.

    Noch 100 Meter dahinter - schweres Geschütz. Gleich drei Männer mit Schippen laufen hinter einem kleinen Ladewagen mit Split her und füllen die teerpräparierten Löcher. Da sie zu dritt sind und keiner überflüssig sein möchte, ist der Materialverbrauch großzügig, es entstehen Hügelketten unterschiedlicher Höhe. Über die walzt der jüngste der Brigade, Kippe im Mund und Handy am Ohr, mit seiner kleinen Aufsitz-Planierwalze so gut es geht einmal drüber. Fertig. Alles im ‚fließenden‘ Verkehr inkl. recht unbeeindruckten Straßenhühnern und seltsamen deutschen Radreisevögeln.

    Fazit: Es geht bei der Aktion definitiv nicht darum, eine möglichst ebene, gut befahrbare Straßenoberfläche herzustellen.

    Vielleicht wandert vom ein oder anderen der vielen Reifenhändler und Autowerkstätten ja auch das ein oder andere Kuvert... So viele tote Keilriemen wie hier habe ich jedenfalls noch nie am Straßenrand gesehen.

    Fahrt vorsichtig!
    Read more