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  • Day 13

    Die Schokoladenseite der Universität

    September 25, 2023 in England ⋅ ☁️ 20 °C

    Glücklicherweise haben wir fünf Minuten länger. Die Zeit in Christ Church hinkt der offiziellen Greenwich railway time um fünf Minuten hinterher. Diese ‚Cathedral time‘ entspricht der einst amtlichen Lokalzeit 1-1/4 Grad westlich von Greenwich. Endlich schließt sich der Kreis was im Film Realität und was aus dem Computer kommt.

    Zum verschnaufen oder gar einer Mittagspause bleibt mir keine Zeit. Die Bibliothek in der sie den neuen Streifen von dem Schokoladenmagnat Willy Wonka gedreht haben steht heute auch noch an. Für zehn Minuten schließen wir uns einer kleinen Führung im ältesten für Studenten zugänglichen Teil der Bodleian Library an. Dann müssen die zehn auserwählten Besucher schon wieder raus. Hinter den Kulissen steht hier jedoch ganz viel Geschichte zum forschen und lehren, nur nicht zum anfassen. Teils 400 Jahre alte Schriften. Jedes einzelne Alarmgesichert aber sonst bei offenem Fenster und ohne Schutzatmosphäre im Regal geparkt. Und das bei englischem Wetter…. Als Erklärung dafür dient der frühe Buchdruck in England. Anders als Pergamente die natürlich unter Verschluss gehalten werden sind gedruckte Bücher für die Luftfeuchtigkeit nicht anfällig. Damals wie heute nicht. Ein wichtiges Merkmal das sich jedoch geändert hat sind die Ketten. Die Bodleian Library begann einst mit 20 Pergamenten und erhielt für damalige Zeiten eine erste kostbare Spende über 300 weitere. Das war so viel wie kaum irgendwo anders in den Anfängen des Buches. Was kostbar war wurde am Buchrücken mit einer Kette gesichert. Doch weil es immer lärmte und raschelte wenn ein Student ein Buch recherchierte, und dafür sind sie nun einmal bis heute da, wurden die Ketten nach etlichen Protesten wieder abgeschafft. Heute muss man einen Antrag stellen, dann wird das Buch durch die halbe Bibliothek bis zum Lesesaal gebracht.

    Weiter geht es noch tiefer hinter die Kulissen der Bibliothek. Eine Ausstellung zeigt mir Bücher aus 400 Jahren die sich mit dem lateinischen Alphabet beschäftigen - und, diesmal dann doch hinter Glas eine 2000 Jahre alte Tora und ein 4000 Jahre altes Fragment des Sanskrit, in Stein gemeiselt. Durch das stete abkürzen durch irgendwelche Gänge denke ich durch die halbe Stadt zu laufen bin aber nicht mehr gewahr dass all die Teile der Bibliothek eigentlich eng beieinander stehen. So oft schon haben wir uns heute im Kreis gedreht und dieses Wunderland in Oxford für uns entdeckt.

    Zum Schluss komme ich sogar darauf zu sprechen dass ich den Ursprungsort von der Geschichte ‚Alice im Wunderland‘ in Wales besucht hatte. Mit Fragezeichen auf der Stirn schaut man mich an. Wie kann das sein? Der Autor Lewis Carroll hat doch hier in Oxford gelebt? Und der Wundergarten, und der Kater, der Hutmacher das sind alles historische Figuren hier aus Oxford! Wir lesen noch einmal nach und tatsächlich war die historische Alice in Llandudno immer zum Sommer im Seebad und Carroll hatte sich dort inspirieren lassen. Geschrieben hat er dann hier. Wie klein die Welt doch ist!

    Und wie schnell der Tag doch auch vergeht. Nun ist es schon wieder so spät dass wir die originalen Schauplätze von Alice im Wunderland auf ein anderes Mal vertagen müssen. Die Bordsteine in Oxford werden genau so pünktlich hochgeklappt wie in Wales. Nun heißt es endgültig für dieses Mal von England Abschied zu nehmen. Eine schöne Zeit und ein Schmelztiegel der Literaturgeschichte der weit über Shakespeare hinaus geht.
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