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  • Day 287

    Ein Tag auf der Kokosnussfarm 1

    June 25, 2019 in Indonesia ⋅ ⛅ 30 °C

    Barfuß streifen wir durch Gestrüpp und Palmenwälder, überqueren Bäche auf wackeligen Stämmen und sliden auf sumpfigen Stellen umher. Wir sind auf dem Weg zu Jolis Kokosnussfarm. Ein wunderschöner Palmenwald vor einem noch schöneren, völlig verlassenen Strand. Um dorthin zu gelangen, müssen wir jedoch erst einen Fluss überqueren. Johan, Jolis ältester Sohn, rudert uns höchst professionell in einem Einbaum über den Fluss.
    Unglaublich. Es sieht aus wie in „Dschungelbuch“. Hauptdarsteller: unsere kleinen und großen Moglis der Villa Warna Warni. Geschickt hüpfen sie durch das Dickicht, zupfen gekonnt die Tapiocablätter für das Schweinefutter und klettern mal schnell auf 15 Meter hohe Kokosnusspalmen. Es dauert nicht lange bis Felix und ich realisieren: WIR KÖNNEN GAR NICHTS! Oft stehen wir wie die Deppen mit zwei linken Händen daneben und sind mehr Hindernis als Hilfe. Diese Kinder haben’s richtig drauf, sind handwerklich begabt, super sportlich, geschickt, fingerfertig und vor allem ausdauernd. Da meckert keiner rum, dass er nicht mehr arbeiten will. Auch nicht nach vier Stunden Tapioca-pflücken. Das ist eine Fähigkeit, die Niasser Kinder ziemlich von deutschen Kindern unterscheidet. Unangenehme Dinge aushalten. Geduldig sein. Ertragen. Durchhaltevermögen.
    Wer jedoch nach kürzester Zeit ruft: „Ich kann nicht mehr! Ich hab Rücken!“ muss ich hier vermutlich nicht ausdrücklich schreiben ;)

    Juni ist für mich der absolute Ober-Mogli: mit seinem durchtrainierten Körper rennt er geradezu die Palmen hoch und bringt mir immer wieder eine junge Kokosnuss zum Trinken. Das Verrückte ist: die Kokosnussmilch, die „wir“ zuhause in der Villa von den gepflückten Nüssen produzieren, ist nicht nur Grundlage für unser Essen, sondern wird auch - mit den Tapiocablättern vermengt - den Schweinen verfüttert. Ein 4 Sterne Essen für die Sau. Die Kokosnüsse halten also nicht nur die Menschen gesund, sondern machen (angeblich) auch die Schweine lecker. Schweine sind auf Nias eine Art Statussymbol. Zu jeder wichtigen Angelegenheit, wie Hochzeit, Beerdigung oder Dachzeremonie muss
    ein Schwein mitgebracht werden. Und wer dann eben ein stattliches dickes gesundes Schwein, das nach Tapioca-Kokosnuss schmeckt, mitbringt, schießt im Ansehens-Ranking direkt ein paar Stufen nach oben.

    Als wir dann so allesamt im verwilderten Palmenwald sitzen, mir die Ameisen auf die Pelle rücken und wir mit den Händen Reis von Bananenblättern essen, schweifen meine Gedanken ab. Ich denke an meine Heimat und mir fällt wieder mal auf, wie extrem anders die Menschen hier auf Nias leben. Auf der Insel gibt es weder MC Donalds noch Burger King. Keiner unserer Villa-Kids weiß so richtig, was das Internet ist. Nicht mal die Jugendlichen haben ein Handy. Kokosnüsse sind Allheil- und Wundermittel. Wasser wird aus tiefen Brunnen geschöpft. ALLES wird repariert und recycelt. Reis wird nicht im Laden gekauft, sondern selbst angebaut und geerntet. Frauen, die auf Kokospalmen klettern, sind illegal unterwegs, denn das ist Männersache.
    Trotz dass ich das hier alles kenne, sitze ich jetzt unter all diesen geschickten naturnahen Menschen und fühle mich wie ein Großstadtgorilla (der verlernt hat, auf Bäume zu klettern und mit den Fingern zu essen).

    Wie konnten wir es nur schaffen, über die Barrieren dieser Kulturunterschiede und die erhebliche Distanz hinweg ein Projekt wie dieses aufzubauen?!

    Mit etlichen Riesenbündeln Tapioca und 500 (!!) Kokosnüssen beladen machen wir uns dann schließlich auf den Heimweg, wo Felix und ich fix und fertig in die Hängematten fallen, während die Kids munter auf dem Hof herum hüpfen.

    Diese verweichlichten Weißen ;)
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