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  • Day 293

    Urlaub für die Villa Warna Warni 1

    July 1, 2019 in Indonesia ⋅ ⛅ 26 °C

    Gut gelaunt und voller Euphorie steigen wir, die volle Villa-Besatzung, in das Sammeltaxi ein, das uns gleich zum Hafen in Teluk Dalam bringen wird. Jolis sechsköpfige Familie, die neun Villa-Kids, Felix und ich plus die fünfköpfige Familie von Harinatal. Er ist ein sehr guter Freund von Joli und außerdem secretary des indonesischen Vereins Villa Kunterbunt. Kleiner Funfact am Rande: Harinatal heißt übersetzt Weihnachtstag, er wurde am 24.12 geboren. Wir nennen ihn deshalb immer Weihnachtsmann ;)

    Nur eines der 16 Kinder hat die Insel Nias je verlassen. Man sieht den Kindern die Aufgeregtheit in den Augen an. Allesamt haben sie sich aufs Feinste herausgeputzt für unseren Urlaub. Für fast alle der erste Urlaub ihres Lebens.

    Mit Sack und Pack, Surfbrett, Schwimmflügeln und Speergun bepackt machen wir uns also auf den Weg nach Telo. Die insgesamt 101 Inseln liegen südlich von Nias, mit dem Speedboat gerade mal zwei Stunden entfernt.

    Bei schönstem Sonnenschein gehts los, wir winken Jolis Mama, die in den kommenden drei Tagen die Stellung in der Villa Warna Warni hält.

    Wir sitzen hinten auf der Ladefläche des Kleinlasters, schön eng zusammengedrückt auf für erwachsene Hintern viel zu schmalen Holzbänken und freuen uns auf Sonne, Strand und Bootfahren.

    Kurz bevor wir in Teluk Dalam ankommen, fängt es plötzlich sintflutartig an zu regnen. In kürzester Zeit gleicht die Straße einem Fluss, aus allen Schächten und Kanälen sprudelt braunes Wasser mit Plastikmüll.
    Pah. Von so einem bisschen Platzregen lassen wir uns doch nicht die Laune verderben. Um die Wartezeit im strömenden Regen zu überbrücken, schwärmen wir den Kids von der bevorstehenden Bootsfahrt vor.

    „Eine Seefahrt, die ist lustig. Eine Seefahrt, die ist toll....“

    Schnitt. Eine halbe Stunde später. Alle Kids außer Arianto kotzen schwarze Plastiktüten voll. Felix geht in seiner Grundschulonkelrolle auf, trägt eine volle Tüte nach der anderen zur Kotztütensammelstelle, putzt Kotze vom Surfbag und von Kinderschenkeln weg. Richtig professionell macht er das. Gelernt ist gelernt.

    Wir sind mitten auf dem wild gewordenen Meer. Kein Land in Sicht. Schwarze Wolken hängen tief über uns. Regen peitscht gegen die Scheiben. Das Boot wackelt so extrem, dass man abwechselnd links und rechts nichts als dunkle Wellenberge vor dem Fenster sieht. Mir gehts blendend, ich schreibe sogar gerade diesen Text, während alle um mich herum leiden, schweißgebadet und leichenblass sind. Und der kleine süße Aldin macht auf meinem Schoß „bobo“ (ein Schläfchen) und kriegt von alldem Chaos gar nichts mit.

    URLAUB :)

    Felix und ich schauen uns an und müssen trotz allem lachen. Wow. So haben wir uns das nicht vorgestellt. Die Kinder vermutlich auch nicht. Ob sie Nias je wieder verlassen wollen?!

    Nach drei langen Stunden ist Land in Sicht. Am Hafen von Tello angekommen, wanken die Kids benommen aus dem Boot.

    Keine zehn Minuten später wirbeln sie wieder munter umher, als wäre nichts gewesen.
    Wir laufen die paar Meter vom Hafen zu unserer Unterkunft, einem für lokale Verhältnisse ziemlich schicken Hotel direkt am Wasser.
    Die Kids staunen nicht schlecht. Für die allermeisten ist es nicht nur das erste mal, dass sie Nias verlassen, sondern auch das erste mal Hotel.
    Wir werden mit einem leckeren, völlig übersüßten Tee begrüßt und verteilen die Kinder dann auf die Räume. Die Horrorbootsfahrt scheint komplett vergessen zu sein, denn die Kids wuseln aufgeregt im Hotel hoch und runter, zeigen sich gegenseitig ihre Zimmer und bestaunen den Blick aufs Meer und zu den gegenüberliegenden Inseln.

    Als ich überglücklich über die strahlenden Kinderaugen ins Hotel reinlaufe, sehe ich den kleinen Deli völlig fasziniert vor einem
    Springbrunnen sitzen, der seine Farbe wechseln kann. Mit glitzernden Augen schaut er mich an und meint: „Sama Sama Villa Warna Warni“ (Genau wie die Villa Kunterbunt).
    Dieser kleine Bursche ist so unfassbar neugierig und interessiert am Leben. Es freut mich von Herzen, dass er in unserem Kinderheim die Möglichkeit bekommt, seine vielen Talente zu entdecken und auszubilden.
    Da kommt mir auch schon die freche Tina entgegen und meint lachend: „Sorry Tante Tini, Tina today need many plastic!“
    Oh Gott wie toll! Unsere Anti-Plastik-Erziehung hat tatsächlich schon so arg gefruchtet, dass Tina sich für die acht Plastiktüten entschuldigt, die sie vollgekotzt hat.
    Und noch bevor wir im Hotel eingecheckt haben, hat Aris schon deren Terrasse von Plastikmüll befreit. Welch wohl erzogenen Kinder!

    Am nächsten Morgen verputzen alle munter ihren Berg Reis mit Chili.
    Da ich eh noch auf meinen Pancake warten muss (Sorry, aber um sieben Uhr morgens pack ich noch keinen brennenden Mund) beobachte ich die Kinder. Einigen sieht man deutlich an, dass sie mit dem Besteck (hier: Gabel&Löffel) völlig überfordert sind. Manche geben nach ein paar Versuchen auf und essen wie gewohnt mit den Händen.
    Kaum wurde der letzte Satz des Gebets gesprochen, hechten die Kinder auch schon von der Terrasse ins wunderbar glasklare, mit Plastikmüllinseln besprenkelte Wasser. Mal wieder wird mir bewusst, wie wichtig es ist, zumindest bei unseren Villa-Kindern ein Bewusstsein für Müll und Plastik zu schaffen.

    Mit einem kunterbunten Holzboot werden wir dann zur Insel Sibaranun gefahren. Ein Träumchen. Postkartenalarm!

    Die Kinder quieken vor Freude und plantschen auf den bunten Schwimmringen herum, die wir ihnen als Überraschung mitgebracht haben. Es ist herzergreifend schön, die Kinder so glücklich zu sehen. Aber auch anstrengend, da man ständig alle genau im Blick haben muss. Es kann nämlich so gut wie keiner schwimmen.
    Zum Mittagessen grillen wir am Strand einen Fisch, den Joli mit seiner Speergun gefangen hat. Nach stundenlangem Tauchen, Quieken, Floaten, Palmenklettern und Muschelnsammeln schauen wir uns alle zusammen einen zauberhaften Sonnenuntergang über dem weiten Meer an und fahren dann zurück zu unserer Unterkunft auf der Hauptinsel. Dort heißt es für die Kids erstmal „Mandi“. Duschen mit einem Duschkopf. Völlig abgefahren für die Kleinen, die sich sonst mit einem Eimer hinterm Haus beim Brunnen duschen.
    Was für ein traumhafter Tag. Der muss auf jeden Fall mit Arak abgerundet werden, meint Harinatal lachend. „One song, one Arak!” So sitzen wir auf Plastikstühlen auf der Terrasse, Harinatal spielt Gitarre und unser Piter singt mit seiner Engelsstimme Niasser Lieder. Nach jedem Lied gibts für die Erwachsenen erstmal eine Pflichtrunde Kokosnuss-Schnaps aus der Plastiktüte. Schon bald können Felix und ich die Niasser Lieder problemlos mitsingen ;)

    Keiner hätte es erwartet, aber die Insel, die wir am nächsten Tag besuchen, ist tatsächlich noch traumhafter als die erste: Pulau Memong. Auch diese Insel ist so klein, dass man sie mühelos einmal umrunden könnte. So mache ich zusammen mit Aris einen „jalan jalan“ (Spaziergang), bei dem wir Kilogrammweise Muscheln sammeln. Auf der Insel gibt es lediglich ein kleines Dorf mit einer Handvoll Häuschen, wo wir uns bei der Ankunft auch erstmal beim Dorfchef anmelden mussten. Den zahlreichen Muscheln und dem unberührten Korallenriff nach, hat diese Insel noch nicht viele Touristen gesehen. Außer einer Handvoll Surfer scheint es hier auch nicht viele Reisende herzuverschlagen.

    Telo. Ein noch unentdecktes Paradies. Nur ein Katzensprung und 30 Kotztüten von Nias entfernt. Wir haben schon ein bisschen Sorge, dass die Heimfahrt wieder so schrecklich wird für die Kids.
    Am nächsten Morgen ist das Meer jedoch spiegelglatt und tut so, als wäre nie etwas gewesen ;)

    Die Kids winken der Insel noch lange hinterher. „Goodbye Telo. We love you Telo. We miss you Telo.“

    Ich beobachte die strahlenden Augenpaare und freue mich des Lebens. Es ist geradezu mitreißend. Erfrischend. Belebend.

    Wie schön, an diesem unverstellten, puren Kinderglück teilhaben zu dürfen.
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