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  • Day 14

    Alles war schön & nichts tat weh.

    September 11, 2023 in Italy ⋅ 🌙 14 °C

    Das war’s. Letzte Etappe. Grande Final. Und was für ein Tag es werden sollte. Genau so viele Höhen und Tiefen wie die ganze Tour, alle Emotionen beisammen und teils nur 4 km auseinander. Am Ende aber doch (fast) wunschlos glücklich. Für die Schlussetappe standen 73 km und über 2300 hm im Raum. End with a bang, dachte ich mir wohl. Fuchs wie ich bin, begann ich mir gleich gestern Nachmittag meinen Masterplan zu überlegen. Nachdem ich mich gestern quälte ohne Ende brauchte ich heute eine Taktik am Berg. Sonst wird das alles nüscht. Also was haben wir für Optionen? Motor? Gibts nicht! Auf die Epo-Wirkung durch das “Höhentraining” warten? Hormone. Dauert zu lange. Da gab es eigentlich nur noch eine Option. Das Gewicht. Für meine anvisierten 6 W/kg müsste ich gut 70 kg Systemgeeicht verlieren. Okay na dann mal ran. Mein Gepäck musste leider mit. 💩 Gut, brauche ich wirklich meine Regenjacke? Und so andere Dinge? Aus reiner Vernunft nahm ich davon alles mit. Okay. Naja. Morgens nahm ich dann den nächsten Teil des Plans ins Visier. Das restliche Gewicht musste ich wohl einfach auf dem Klo verlieren. I tried my best. Reichte nicht ganz. Naja.
    Ein letztes Mal ging es also ans einpacken. Und wie das heute lief. Passte alles reibungslos. Ein letzter Routinecheck. Mist: Wie sehen denn meine Bremsen aus? Frisch auf jeden Fall nicht mehr. Ich entschloss mich kurzfristig die Vorder und Hinterbremsen zu wechseln, da die hinteren noch frischer aussahen. Mehr als heute erlebten die Dinger aber nicht mehr. Da war ich mir sicher. Und ich sollte recht behalten. Noch vor 10 ging es los. Erstmal bergab ins Dorf, ab in den Coop. Rittersport Keks, Banane, Pfirsich und Cola zum Frühstück. Das treibt nach vorn. Und so konnte es los gehen. 20 km mit 1500 hm stehen zu Anfang da. Und was soll ich sagen, es ging gut. Die Beine waren wieder frisch, ich war nicht ganz an meinen anvisierten 6 W/kg. Die ersten Kilometer gingen gut weg. Schweiß ja. Mehr aber auch nicht. Bis km 12 war alles nett. Dann kamen die richtigen Steigungen. Bis auf km 15 lagen die restlichen allesamt bei über 9% Durchschnitt. Aber es interessierte mich nicht. Oben war das schlimmste vorbei. Und ich kam in einen Flow. Anhalten machte keinen Sinn, auch wenn die Beine immer langsamer drehten. Und der Pass. Herrlich. Nicht so spektakulär wie vielleicht andere, nicht suuuper schwer, auch nicht der größte Name. Aber der Passo Manghen ist lohnenswert. Man hat teilweise wirklich seine Ruhe, die Straße ist so schmal, dass selbst Motorradfahrer für mich anhielten. Die Meter gingen vor sich hin. Es war nicht mein schwerster Pass bisher. Auch nicht mein höchster. Aber definitiv wieder ein unvergesslicher. Aller Schmerzen zum Trotz ging es immer nur weiter. Bis die Passhöhe endlich da war. Und da holte ich zumindest nochmal die 430 Watt von keiner Ahnung woher. Oben angekommen war ich einfach nur glücklich und dankbar. Wie schon den ganzen Anstieg. Nur dass ich jetzt nicht mehr am Anschlag war. Nun, der erste Teil des Plans war aufgegangen. Weiter gehts.

    Nur was bringen Pläne, wenn es kommt wie es kommt?

    Die Abfahrt war krass. Steil, einspurig, unheimlich enge Kurven, fast nie einsehbar. In einer Kurve trug es mich sogar halb auf den Aussichtspunkt raus. Mit einem gekonnten Fotostopp konnte ich sogar noch das ungekonnte wegmoderieren. Erstmal bremsen abkühlen. Weiter ging die wilde Fahrt.
    Plötzlich Geräuschveränderung vorne. Oh nein. Ich hatte so eine Vermutung. Die Bremskraft lies komplett nach und ich kam gerade so zum stehen. Der bange Blick hinunter offenbarte was ich mir dachte. Das war das Ende. Die Carbonfelge delaminierte. Aka war geschmolzen.

    Ein Schrei ertönte. Mein Schrei.

    Damit ging es nicht weiter. Und ich machte mir Vorwürfe. Wie hätte ich anders bremsen sollen? Ich machte es schon so minimal bzw. intervallmäßig und nach bestem Gewissen. Und die Abfahrt war ja noch lange nicht zu Ende gewesen.

    Es gab keine wirklichen Optionen mehr. Da die Fahrt beim Campingplatz der Eltern enden sollte, von wo aus auch meine Rückfahrt nach Deutschland gehen sollte, konnte ich nur noch um das Familientaxi bitten, welches mich abholt. Mama & Papa waren grade beim Seilbahnhopping… und ich war am Ende. 2,5-3 h bräuchten sie zu mir. Geil. Mit noch 17% Akku und seltenst mit Handyempfang. Mir blieb nichts anderes übrig als Ja zu sagen.
    Nach kurzem überlegen entschied ich mich dazu, mir wenigstens einen Weg ins Tal zu suchen. Nur mit der Hinterradbremse ging nicht, also lief ich erstmal die Straße entlang und hoffte, dass mich evtl. jemand die gute 15 km nach unten mitnehmen könnte. Dort war wenigstens ein Supermarkt. Denn außer dem ritterlichen Frühstück war noch nicht viel im Tank. Also erstmal Birkenstocks an und runter.
    Tja was soll ich sagen, das Problem an einem unbekannten Pass ust, dass da auch nur sehr wenig Leute sind. Vor allem Motorradfahrer oder Porsche Cabrios. Nichts was mir half. Also weiter Berg runter.

    Oooohhh. Ein Audi Q5. Deutsches Kennzeichen. Die Rettung! Denkste. Daumen raus. Fenster runter. Kampfhund auf der Rückbank. Nicht euer Ernst. Ciao. Nächster deutscher SUV. Selbes Spiel. Really?
    Ein paar Baustellenarbeiter mit Pritsche kamen mir entgegen. Ich fragte sie, wann sie wieder runter fahren würden. Erst in 2 h. Okay, dann leider nicht. Weiter zu Fuß. Immer wieder kamen mir Leute entgegen oder fuhren an mir vorbei und ich fühlte mich wie der Depp, der sein Fahrrad mit hohen Socken und Latschen runter schiebt.😂

    Insgesamt lief ich 6 km. 500 hm runter. Auf einmal hupte es hinter mir und eine Orange Pritsche kam mit Lichthupe und winkenden Arbeitern auf mich zu. Fahrrad hinten drauf. Einsteigen bitte. Freundlichste Menschen der Reise. Weder Englisch noch deutsch. Aber super bemüht. Sie kannten jemanden der deutsch sprach und holten ihn ans Telefon. Nach kurzer Kommunikation brachten Sie mich in den nächsten Ort, halfen mir alle beim Entladen des Fahrrads und ich bedankte mich bei meinen Helden. 15 Minuten später kam das Familientaxi und brachte mich mit kurzem Gelato-Zwischenstopp zum
    Campingplatz.
    Um den Tag zu verarbeiten und trotzdem auch diese unglaubliche Reise zu feiern, wurde der Limoncello im Conad mitgenommen. Und gleich ordentlich geleert. Nun lief ich hier mit Sodbrennen und angetrunken in meinem Zelt. Am Ende meiner Reise.

    Was für eine Reise es doch war. Nicht das Ende, was kommen sollte. Aber trotzdem hat es etwas. Ein Fazit ziehe ich jetzt noch nicht, aber ich bin jetzt schon einfach nur dankbar für jeden Moment, jeden Ort und jeden Menschen den ich auf dieser Tour kennenlernen durfte. Glücklich bin ich allemal. Mille Grazie an alle, die bis hierher gelesen haben.
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